Ich
bin gelaunt, dich zu empfangen
Aus dem Briefwechsel Adele Sandrocks mit Arthur
Schnitzler
In der Reihe: Märkische Leselust
K. K. Bajun
Frau Sandrock kam in die Mark, besser
gesagt in die Reichshauptstadt. Aber das war später. Zwischen 1883
und 1895 lebte und wirkte sie in Wien; liebte und tyrannisierte Arthur
Schnitzler, den begnadeten österreichischen Schriftsteller und literarischen
Vater des k. u. k. Baatzi Lieutenant Gustl.
Frau Brunner und Herr Röhrig eröffneten den diesjährigen
Reigen der Märkischen Leselust am Brandenburger Theater mit Auszügen
aus dem lebhaften Briefwechsel der berühmten Schauspielerin und dem
Schriftsteller. Frau Herzog begleitete dazu auf ihrem Piano zu Klängen
von Robert Schumann.
Vor Frau Herzog und Herrn Röhrig hatten wir in der Vergangenheit
schon des Öfteren Gelegenheit ergriffen den Hut zu ziehen. Wenn diese
beiden Künstler am Brandenburger Hause gastieren… ach, das
ist ein Geschenk. Draußen, vor dem Panoramafenster ziehen die Wasser
der Grabenpromenade still zu den Klängen der Musik Schumanns vorbei,
die kahlen Baumkronen wiegen sich leicht unter dem kühlen, grauen
Januarhimmel. Drinnen aber ist es warm. Es ist die warme, herzliche, verschmitzte
Stimme Herrn Röhrigs, der den alten Schnitzler wieder zum Leben erweckt.
Die Briefe und Tagebuchaufzeichnungen des Bonvivants aus der Hauptstadt
der Donau-Monarchie, dieses hochintelligenten Schlendrians, der so gar
nichts anbrennen ließ, lassen die etwas fünfzig Zuhörer
schmunzeln. Damen zuallermeist. Ein leichtes Schmachten umspielt die Lippen
vieler – wer von ihnen hätte wohl diesem Schlawiner widerstehen
mögen. Herrlich bringt er es rüber, der Herr Röhrig, man
ist gefesselt, amüsiert, möchte nicht in der Haut der nach Dutzenden
zählenden Liebchen stecken, denen Herr Schnitzler grausam das zarte
Herz geknickt.
Die eine aber, der Stern des Wiener Volkstheaters, die Femme fatale und
Diva scandaleuse, die saß am 27. Januar 2008, nachmittags um drei
Uhr, neben unserem Herrn Röhrig. Das war Adele Sandrock! Nein, das
war Eva Brunner. Ach, halte einer die beiden auseinander! Sie waren ja
so eins: Und für Frau Brunner müssen wir heute besonders die
Leier schlagen. Das war atemberaubend: mit herrlich gequetschter Stimme,
frech und launenhaft wie eine Katze, zickig und schmollend, so was von
emanzipiert, auf wunderbare Weise autark und aus sich selbst heraus souverän,
akzentuiert, verliebt, intellektuell und rasend, verdorben leichtfüßig
und flatterhaft, flehend und mit Schalmeienstimme den Liebsten umgarnend,
dräuend und zeternd, dann wieder kokett lockend, bittelnd und bettelnd,
konsterniert, kämpfend, fluchend, vergebend – Gott, in der
Frau brodelte ein Vulkan!
In welcher? Nun, in der welche diese Zeilen schrieb sowohl, als auch in
der, welche diese Zeilen so fulminant zum Vortrag brachte.
Das einzige, was wir an beiden Damen vermißten, war der Wiener Schmäh.
„Jo, frogn’s me net, warum i ko Grosch’n in ’d
Tosch’n hob…“ Frau Sandrock schien mit ihrem entzückenden
Stil Briefe zu schreiben ein wenig die literarisch-sprachliche Mutterrolle
für unsere Tucholsky’schen Frauen Claire und Lydia übernommen
zu haben (die eine von der Waterkant, beide aus Berlin) und auch Frau
Brunner nahm das Motto „Märkische Leselust“ etwas allzu
wörtlich. Wir märkisch-hochdeutschen Preußen hätten
unseren geliebten Erbfeind Habsburg auch ganz gut verstanden, wenn’s
o bissl breeit einherkummen weer. Wofür haben wir schließlich
mit Laudons Truppen Jahrzehnte lang um Schlesien gerungen? Also, gnädige
Frau, wenn’s das Repertoire hergibt – und dessen dürfen
wir bei Ihnen ganz sicher sein – dann muten’s uns ruhig a
bisserl von der Mundart zu, die man im Prater und rund um St. Stephan
spricht, wenn denn die Protagonistin schon am Opernring 19 logierte. Und
wir wollen den Heurigen auf Sie anstoßen, und auf unseren märkischen
Pallenberg und die lieblichsten Finger auf der Klaviatur eines märkischen
Piano forte.
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