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„Das Leben mit und ohne Nachtigall“
Märchen von Hans Christian Andersen auf dem Brandenburger Burghof
Eine Lesung aus der Reihe "Erlesener Dom" des Brandenburger Theaters

K. K. Bajun
Irgendwie reizt mich die Vorstellung, Frau Marion Wiegmann säße umgeben von der Enkel Schar vor dem knisternden Kamine, am heimischen Weihnachtsbaume und erzähle den Kindern schöne, alte Märchen. Die Quelle dieser fast sehnsüchtig zu nennenden Imagination wird aus einer Kunst gespeist, einem Genuß, einem Traume: Schöner könnte ein Weihnachtsfest für Kinder nicht sein!
Wem das Glück versagt blieb, eine Märchen erzählende Großmutter vom Formate Frau Wiegmanns sein eigen nennen zu dürfen, dem bot diese Vorzeige-Schauspielerin des Brandenburger Theaters an Abend des 15. Dezember 2006 einen wundervollen Trost. Allein mit ihrer Stimme „drehte“ sie vier Märchenfilme des großen Dänen Hans-Christian Andersen. Warum ich nicht einfach sage: „las sie vier Märchen…“? Weil Dimensionen zwischen einer Lesung und dem Vortrage Frau Wiegmanns liegen. Weil in den Köpfen der sechzehn Zuhörer sechzehn Kinematographen anliefen und in sechzehn Variationen eine eitle Prinzessin einen Schweinehirten küßte, ein Bauer sein Pferd zu einem Sack Krüppeläpfel heruntertauschte, trotzdem dafür von seiner Frau geliebt wurde und beide auf diese Weise ein Vermögen gewannen, ein Großbauer versuchte, einen kleinen Kossäten zu lynchen, der darüber steinreich wurde, während ersterer Hab und Gut und Leben verlor und ein eitler und dummer Kaiser zum unfreiwilligen Vorkämpfer der Freikörperkultur avancierte, bis nicht nur seine Physis sondern auch der staatstragende Charakter der Untertanen nackt und bloß durch die Straßen des Reiches stolzierte. Ganz großes Kino! Eine Regisseurin, eine Darstellerin, eine Stimme – vier mal sechzehn Filme!
Ich wage zu mutmaßen, liebe Frau Wiegmann, Sie hätten aus den Herzen Ihres erwachsenen Auditoriums die Kinder hervorgezaubert, die diese Frauen und Männer einst gewesen. Die glücklichen Gesichter allenthalben legen den Verdacht zumindest nahe.

Musikalisch begleitet wurde die Vorstellung von den Damen Susanne Heß auf der Gitarre und Angelika Eikelmann auf der Querflöte. Es tat gut, wieder eine Gitarre zu hören, die ihren ursprünglichen Zauber entfaltete. Keine Klampfe, keine nervtötende Rock’n’Roll - Kreische – eine richtige Gitarre halt. Es ist doch ein schönes Instrument, wenn man ihm nur erlaubt, auch mal leisere, verhaltene Töne zu zupfen.
Und die Querflöte… Friedrich der Große, der seinen Freund, den preußischen General Ernst Heinrich August de la Motte Fouqué in dessen Hause auf dem Burghof des Brandenburger Domes ab und an besuchte, hätte seine lichte Freude daran gehabt. Sein Instrument! In diesem Gebäude! Na, hinten, in der Ecke des Saales, da war doch ein Stuhl frei geblieben… Ob ER vielleicht…? Nun, ER war gerne auf dem Burghof, in diesem Hause zu Gast. Das weiß ich.

Das Publikum war es auch an diesem schönen Abend, den das Brandenburger Theater und besonders Frau Wiegmann mit ihren beiden charmanten, musizierenden Damen gestaltet haben. Es ist ein schönes, ein nachhallendes Gefühl, dabei gewesen zu sein!


 
B
4. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006