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Julius-Riemer-Museum Wittenberg

K. K. Bajun
Wittenberg – das protestantische Rom des Nordens. Alles strömt zu Luthern, Melanchthon, Cranach. Man will die legendäre Schloßtüre sehen, die Thesen, die Thesen....
Überall an den Häusern der Altstadt verkünden emaillierte Tafeln, welche gewichtige Persönlichkeit der Stadt hier einst logierte, hauste, kommandierte - Zar Peter, König Karl XII., Marschall Ney, dieser und jener. Die Leucoraea, die einst berühmte Universität Wittebergs verkündet den Namen großer Männer, die hier lehrten und lernten.
Findet da ein kleines Museum noch Beachtung, welches in den südwestlichen Winkel des kurfürstlichen Schlosses hineingedrückt ist? Es sollte. Denn dieses Museum ist fürwahr etwas Besonderes. Es handelt sich um das Museum für Stadtgeschichte, Natur- und Völkerkunde „Julius Riemer“. Schon zu den Zeiten der verblichenen DDR bot dieses kleine aber feine Haus seinen Besuchern staunenswertes: Da war eine Japanausstellung zu sehen, Artefakte aus afrikanischen Kulturen, eine umfangreiche Sammlung einheimischer und exotischer Tierpräparate und, und, und.
Mit dem pädagogischen Anspruch eines guten Museums wurden die Exponate nicht einfach nur präsentiert, sondern didaktisch sehr gut aufbereitet in einen wissenschaftlich anschaulichen Kontext gestellt. Dieser glückliche Umstand ließ einen damals jungen Studenten der Medizin von Berlin nach Wittenberg pilgern um dort beispielsweise etwas über das Wesen der Ontogenese zu erfahren, die ihm in Lehrbüchern nur unverständlich und abstrakt begegnete. Das kleine Museum aber bot hervorragende Plastiken.
Auf allen Ausstellungsebenen fällt eine liebe- und gestalterisch hingebungsvolle Hand auf, die aus dem vorhandenen Fundus etwas schuf, was einen Besuch bei jeder, aber auch wirklich jeder Wittenberg-Visite obligatorisch macht.
Wir gestehen, das Lutherhaus, das Cranach-Haus, all die anderen Sehenswürdigkeiten kamen für uns bis dato immer etwas zu kurz. Warum? Weil die ersten Schritte in dieses hervorragende Museum führen, das unter anderem die Ergebnisse des Forschungsreisenden Julius Riemer spannend in Szene setzt. All die Irrungen aber auch die großen Leistungen der frühen Expeditionen sind nachvollziehbar; die Überheblichkeit der europäischen Entdecker aber auch ihre Neugier und ihre akribische Dokumentation.
Wer Willens ist zu lernen, dem wird in diesem Hause die Chance geboten. Es wäre schade sich aufs bloße Betrachten zu beschränken.
Neu hinzugekommen ist jetzt im Südwestturm eine Ausstellung zu Wittenbergs preußischer Geschichte. Im Geschoß darunter steht Kurfürst Friedrich der Weise mit Kurmantel und Kurhut am Fenster seines bescheidenen Schreibzimmerchens und lauscht dem Gesang einer Nachtigall.
In der dritten Etage des Haupthauses befindet sich ein gewaltiges Modell der Stadt Wittenberg in einer Ansicht des 19. Jahrhunderts. Jeder Modelleisenbahner würde wohl Purzelbäume schlagen vor Vergnügen, wenngleich kein Zentimeter Schiene verlegt ist. Mit ungeheurer Detailversessenheit sind die Modelleurs zu Werke gegangen, mit Akribie und einem Fleiß, der sprachlos macht.
Das Haus wird wohl – wie es auch die Sorge vieler anderer Museen gleicher Größe ist – immer auf dem Sprung sein müssen, wie es die nächsten Talers zu seinem Unterhalt heranschafft. Dennoch, mit dem gegebenen Etat holt es unvergleichlich viel heraus. Es bleibt mit Recht unser erster Anlaufpunkt in Wittenberg und sollte das auch für die vielen tausend Besucher der traditionsreichen Elbestadt sein. Luther ist nicht alles...


Lutherstadt Wittenberg
Städtische Sammlungen
Museum für Stadtgeschichte, Naturkunde und Völkerkunde „Julius Riemer“
Schloß
Tel.: 03491 – 4 33 49 20
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 09:00 Uhr – 17:00 Uhr

 
B
4. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2007