Finsterbusch-Trio in
Brandenburg an der Havel
In der Reihe „Unerhörtes Brandenburg“
des Brandenburger Theaters
Kotofeij K. Bajun
Wie sag ich’s meinem Kinde?
Ach, gehen wir einfach in medias res: Die Musiker waren superb, exzellent,
phantastisch. Und als sie den Meister, den Johann Sebastian Bach spielten,
da war’s als würde die Sonne an diesem Abend noch einmal aufgehen.
Violine, Viola und Violoncello, wie die Herren Finsterbusch, Starke und
Bachmann ihre Bögen über die Streichinstrumente führten,
welche Töne sie denselben entlocken – das ist Genuß pur.
Aber nach dem Meister folgten andere Komponisten, zeitgenössische.
Sie runzeln die Stirne? Wir auch…
Ach, was treibt nur diese 12-Ton-Athleten, diese eingeschworenen Disharmoniker,
diese Söhne Strawinskis dazu, so misophone Klänge zu Papier
zu bringen? Und was treibt so exquisite Musici wie die Herren des Finsterbusch-Trios
dazu, diese zeitgenössische Kammermusik umzusetzen?
Über Geschmack kann und darf man nicht streiten und Preußen
ist und bleibt das Heimatland der Toleranz. Diese Stücke aber, aus
den Händen der Herren Krenek, Klein und Beyer, stellen das Vivaldi-verwöhnte
Ohr fürwahr auf eine harte Probe.
Ist es nicht mehr schick, a la mode, harmonische Töne in die Notenzeilen
einzutragen? Ist auf diesem Gebiete schon alles gesagt, geschrieben, gespielt?
Muß man surrealistische Klänge erzeugen, wenn man sich zu einem
Jahrhundert wie dem Zwanzigsten bekennen will? Jean-Michel Jarre hat doch
auch etwas ganz Neues hervorgebracht – und das war wunderbar. Also
es geht doch. Die Group des Recherches Musical aus Frankreich, der Jarre
angehörte, beschritt völlig neue Wege – und die blieben
dem Ohr und dem Empfinden angenehm. Zugegeben, es handelt sich bei Monsieur
Jarres sphärischen Impressionen um keine Kammermusik.
Doch sind wir unserer laienhaften Überzeugung nach des Glaubens,
daß auch moderne Kammermusik nicht gleichsam genötigt ist,
die Seele zu vergewaltigen, einer Marter zu unterziehen.
Bei all dem soll mit keiner Silbe an der Kunst der Herren Musici gezweifelt
werden. Wir halten das Vermögen, derart abstrakte Klänge darzustellen,
sogar noch für weitaus umfassender, als die Wiedergabe einer Suite
des Meisters, Beethovens oder Mozarts. Es muß geradezu virtuose
Kunst sein, die den Bogen auf die Abwege der disharmonischen Klänge
und Tempi zwingt. Ja, wir gehen noch einen Schritt weiter: wer als Pianoforte-Eleve
die Mondscheinsonate so recht nach Gefallen zum Klingen bringt, wird derhalben
noch lange nicht befähigt sein, Herrn Krenek oder Herrn Klein zu
interpretieren.
Schloß man die Augen, um die Musik, wie es doch sein soll, Bilder
in sich malen zu lassen, so sahen wir nur die vom Entsetzen getriebenen
Pinselstriche des Giganten Hieronymus Bosch und seiner Version einer brennenden
und ins Chaos gefallenen Landschaft.
Zum Beschluß gaben die drei Herren Sibelius. Wissen Sie, was das
bedeutet, wenn man Jean Sibelius herbeisehnt wie den Messias?
Natürlich müssen wir achtgeben, daß wir uns jeder Vermessenheit
entschlagen. Unsere Ohren sind nicht die Ohren der Welt. Andere mögen
diese moderne Musik als angenehm und des Hörens für würdig
befinden. Darüber haben wir nicht zu richten!
Dennoch, wir stellen uns vor, eine Katzendame, eine unbestechliche Jurorin
also in Sachen Musik und Harmonie, wäre unter den Dutzend Zuhörern
gewesen. Hätte sie, wie bei der Sonate des Meisters wohlig die Augen
zu einem Spalt geschlossen und vor sich hin geschnurrt? Hätte sie?
Oder wäre sie bei den wirren, kaskadierenden und durcheinanderpurzelnden
Tönen erschrocken gerannt, was ihre vier Beine hergegeben hätten?
Letzteres erscheint uns wahrscheinlicher. Nein, ihr Schönbergs, Kreneks,
Kleins und Beyers, ihr Hindemiths und Strawinskis, nein und abermals nein!
Wir wollen zu denen zurück, die Ohr und Seele wohltaten, den Bachs,
und Vivaldis, den Schützens und Monteverdis, den Bruckners und Mussorgskijs,
den Tschaikowskis und meinethalben den Brahmsens. Aber das danach –
das kann Aoide, die Muse der Musik und des Gesanges, nicht gewollt haben.
Vor den Herren Finsterbusch, Starke und Bachmann aber wollen wir dankbar
den Zylinder ziehen, und uns bedanken für die Vorführung ihrer
Kunstfertigkeit, ihre freundliche und bescheidene Präsenz, mit der
sie uns ungeachtet der „schiefen“ Töne in der Mitte ihres
Repertoires eine gute Erinnerung hinterließen. Wenn diese Herren
zur Musik laden, dann wollen wir gerne wiederkommen. Und nehmen sogar
die modernen Ambitionen der Herrn Musici in Kauf, nur um ihre schöne
Art, Musik zu machen, bewundern zu können. Das sei sicher!
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