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Rund um die Katharinenkirche
zum Vortrag über die Bibliothek
von St. Katharinen zu Brandenburg an der Havel, gehalten vor dem Historischen
Verein Brandenburg e. V. am 08. Februar 2007
B. St. Fjøllfross
Für eine märkische Kirche
ist sie von wahrhaft beeindruckender Größe – wuchtig
und filigran zugleich – die Perle der norddeutschen Backsteingotik
– die St. Katharinen Kirche der Neustadt zu Brandenburg an der Havel.
Nahe der Ortsmitte von dem Stettiner Hinrich Brunsberg bis 1401 aufgeführt,
wurde sie bald auch ein geistliches und geistiges Zentrum Brandenburgs.
Weit wandern die Schatten, die der mächtige Turm über den Katharinenkirchplatz
wirft und er berührt allenthalben Brandenburger Geschichte, fokussiert
und versammelt auf engstem Raume.
Just am Morgen des 8. Februar 2007 stellte der Kulturredakteur des Landboten
und begeisterte Wikipedianer, Herr Bajun, seinen Artikel zu Frau
Dr. Lilli Friesicke in die größte Enzyklopädie der
Welt ein, einen Beitrag, der einer beliebten Gynäkologin gewidmet
wurde, die mit ihrem Ehemann am Katharinenkirchplatz 1 sowohl ihre erste
Brandenburger Wohn- und Praxisräume bezog als auch später das
Haus Katharinenkirchplatz 8 erwarb, das ihren Kindern später von
ihren verbrecherischen Nachbarn auf kaltem Wege gestohlen werden sollte.
Die verbrecherischen Nachbarn – das waren die dumpfen Verfechter
des deutschen Ungeists – die Nationalsozialisten, die ihre Kreisleitung
in der einstigen neustädtischen Gelehrtenschule am Katharinenkirchplatz
5 bezogen. Auch über diese wanderte der Schatten des Katharinenkirchturms
und was deutscher Humanismus und reformatorischer Geist, alte Gelehrsamkeit
und Philosophie schufen, wurde stumpf und barbarisch zertreten, gerade
so wie das Leben der Lilli Friesicke und ihrer Kinder, die sterben mußten,
weil sie Juden waren.
Welch eine Ironie dieses 8. Februars:
Der Historische Verein der Stadt Brandenburg lud am Abend desselben Tages,
an dem Herr Bajun seinen Beitrag zu Frau Dr. Friesicke schrieb, zu einem
Vortrag in die Domaula, den Frau Dr. Schmidt und der Alt-Domarchivar Herr
Schössler über die Bibliothek der St. Katharinenkirche hielten.
Da lag sie: die Bibliothek der Gelehrten, die ebenfalls im Schatten des
großartigen Sakralbauwerkes lebten und unterrichteten, die Sammlung
des Geistes, hervorsprühend aus jahrhundertealten Folianten. Ausgebreitet
in der ganzen Würde ihres Alters – die wertvollsten Vertreter
der etwa 1.000 Bestände, Werke aus der Frühzeit der Schwarzen
Kunst Gutenbergs, Inkunabeln oder Wiegendrucke, juristische Abhandlungen
und solche mit theologischem Inhalt, gebunden in Schweinsleder und Holzdeckel,
der Zahn der Zeit hatte manchen von ihnen zwar zugesetzt, doch kein einziges
der herrlichen Bücher in die Knie zwingen können.
Ja, ein Buch hat ein Leben, eine Biographie, eine Geschichte: Da stehen
mit feiner Schrift zwischen den gedruckten Zeilen die Notizen derer, die
vor vielen Generationen einst mit dem Buche arbeiteten, ihre Gedanken
austauschten mit den Autoren, sich rieben und an dem Gelesenen wuchsen.
Hier tunkten sie die Feder ins Tintenfaß, und während der Federkiel
über das Papier glitt, brannte sich das Spiegelbild ernst- und gewissenhafter
Männer ein zwischen die Deckel des Buches.
Aufgeschlagen ein Werk aus der Renaissance – eine Abhandlung über
den Ort der Seele, donnernd und gewaltig die Sprache, aber voll des Geistes
und der Beseelung. Das ist der lebendige Gegenpol zu der von Haß
triefenden Sprache der Mörder Lilli Friesickes, die einst auch unter
dem Schatten des Katharinenkirchturms hocken sollten! Das ist der Unterschied
zwischen einer gewaltigen Sprache und einem gewalttätigen Gekreische!
Das ist die Diskrepanz zwischen dem Geist und der Geistlosigkeit!
Die Katharinenkirche
ist das einzige mittelalterliche Sakralbauwerk Brandenburgs, bei dem der
Wikipedianer Bajun zu spät kam als er daran ging, die Kirchen Brandenburgs
im Online-Lexikon zu perpetuieren. Das war um so schmerzhafter, als der
Schatten des Kirchturms auch den Schulweg des jungen Bajun schützte.
Aber nun kann der Kulturredakteur den Beitrag wenigstens um ein Kleinod
erweitern – um die Bibliothek von St. Katharinen nämlich, deren
einige Prachtexemplare er als Mitglied des Historischen Vereins selbst
in Augenschein nehmen durfte.
Diese Werke sind uns geblieben im Gegensatz zu der Franziskaner-Bibliothek
vom anderen Ufer der Havel, die in der Folge des vom braunen Ungeist entfachten
Weltenbrandes weggeführt wurde in die Stadt der alten polnischen
Könige, in die Stadt um den Wawel, die stolze Jagiellonen-Hauptstadt
Krakau.
Wahr wurde an der Stadt, was ihr die alte theologische Schrift prophetisch
verhieß, als sie von der Ernte der Sünde sprach mit Worten,
die uns noch heute durch Mark und Bein gehen und an den morschen Knochen
rütteln.
Diese Bibliothek und ihr Inhalt sei denen Nachgeborenen Mahnung den Geist
zu pflegen und den Ungeist zu verachten. Sie lehre den Respekt vor dem
Verstand und dem Fleiß der Altvorderen – die ihr Lebenswerk
schufen, damit es weiterwirke, es bewahrt und nicht durch grenzenlose
Dummheit vernichtet werde.
In einem Satz erwähnte Frau Dr. Schmidt auf die Bibliothek von St.
Katharinen verweisend, Brandenburg an der Havel sei eine reiche Stadt.
Das ist wohl wahr! Arm ist dieses Gemeinwesen erst dann, wenn es sich
seiner Reichtümer nicht bewußt wird.
Menschen wie Frau Dr. Schmidt und Herr Wolfgang Schössler öffnen
uns die Türen zu diesem Bewußtsein – es ist nun an uns
Bürgern, sie zu durchschreiten!
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