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Muskatbraun – Zerstreute Gesellschaft

von Herrn Dr. Tom Wolf


K. K. Bajun
Endlich, endlich wieder etwas Schönes auf dem Tisch! Das war die Lektüre eines einzigen Sonntags. Wie lange recherchiert und schreibt der preußische Mankell für so ein Werk und wie schnell ist es verschlungen! Und dabei ist es kein „Fast Food“. Das ist literarische Haute Cuisine, fürwahr. Man verschlingt es desungeachtet, denn ist es einfach unmöglich, das Buch aus der Hand zu legen. Geht nicht. Versuchen Sie es gar nicht erst!
Diesen preußischen Mankell, den Homburger Dr. Tom Wolf nämlich, hat die Tucholsky-Stadt Rheinsberg von 2005 bis 2006 zu Ihrem 23. Stadtschreiber erkoren. Da durchstreifte er dann die bezaubernde Landschaft und seine Figuren nahmen Gestalt an, trieben dies und machten jenes – und über ein Kurzes kam unser wohlbekannter Detektiv und Zweiter Küchenchef Honore Langustier auf des Großen Königs Geheiß um die Knoten menschlicher Untaten zu entwirren. Also da geht es um die große europäische Politik. Bonnie Prince Charlie versucht den schottischen – und gleich noch den englischen Thron zu erobern. Preußen soll sich entsprechend engagieren. Fritze würde ja gerne, vergessend, daß er als 18jähriger zu seinem Oheim, dem Londoner König George, hatte fliehen wollen. Nun aber scheint er die Ressentiments seines seligen Papas gegen den Welfen auf Britannias Thron zu teilen. Man korrespondiert oder versucht es zumindest. Ein Fremder gerät im lieblichen Rheinsberg auf eisige Abwege, die seine Vitalfunktionen nachhaltig stören, der lokale Adel klüngelt und kungelt, während sich die Hohenzollernschen Brüder Fritze und Heinrich, beide dem eigenen Geschlechte nicht eben feindlich gesonnen, um hübsche Pagen, lebendig und in Stein gehauen, zanken.
Hört sich verwirrend an. Ja, Großer Gott: Der Verleger heißt be.bra Verlag, nicht Bastei-Lübbe, der Autor wird Tom Wolf gerufen und nicht Konsalik! Hier wird mit Geist geschrieben und mit Grips gelesen. Es gibt so eine Art literarischen Dresscode und ohne Dreispitz und den entsprechenden Schmalz darunter gibt’s nun mal keinen Eintritt in die arkadisch-preußische Parklandschaft, die ein schreibender Watteau unserer Zeit vor uns entwirft!
Wenn man aber das Tor zu dieser märkischen Insel Kythera passiert hat, dann wird man reich entlohnt. Staunen macht die Phantasie des Autors – wie er das alles so zusammenbraut, verquickt, die Fäden kreuz und quer laufen läßt, drunter und drüber und am Ende klassisch entwirrt. Alle Gewürze, die zu einem ordentlichen Kriminalgericht gehören, sind enthalten. Nichts fehlt: Da werden alle Karten auf dem Tische fein durcheinander gemischt, wir lernen diese Figur kennen und jene, alle könnten es gewesen sein – na ja, fast alle. Der König, Prinz Heinrich und Langustier scheiden per se aus, die stolze Welfin Sophie Charlotte ebenfalls (sie ist mittlerweile so beleibt, daß sie sich zu einem geplanten Morde würde tragen lassen müssen) – aber das bringt den mitfiebernden Leser der Lösung auch nicht viel näher. Da wird auf einem Jahrmarkt der Halbwahrheiten geschachert, Fakten tauchen auf wo sie keiner vermutet, passen alle noch nicht so recht ins Mosaik – jedenfalls jetzt noch nicht, das Labyrinth der Handlung verliert sich im kleinen Labyrinth des Charlottenburger und des Rheinsberger Schloßparks, Feuer bricht aus (ja, ja, kaum hat der Henlein Peter aus Nürnberg seine Taschenuhr erfunden, so macht der Monsieur Fromery keine 200 Jahre später eine Weckuhr, die sich auch als Zeitzünder verwenden läßt…), es wird auf denen märkischen Chausseen nicht eben moderat chauffieret (kennen wir!) und Monsieur Langustier mag sich seines Bauchpolsters gefreut haben, das ihn vor schlimmeren Laisionen bewahrte, da man es bei dem Wagenrennen auf die Beendigung seiner irdischen Existenz abgesehen hatte.
Wer ist so töricht, einem Koche nach dem Leben zu trachten, zumal einem Spitzenkoch aus dem Elsaß, wo doch die Köche, Ärzte, Narren, Diplomaten (nota bene!) und Henker zum international geschützten Personenkreise zählen…? Ja, das wollen Sie wissen, was? Nur zu!
€ 9, 90 kostet der modeste, tarifliche Eintritt in den Kriminal-Schloßpark des Tom Wolf. Über das intellektuelle Entree sprachen wir schon. Aber, seien Sie beruhigt: Sie zählten schwerlich zu den Lesern des Preußischen Landboten, wenn Sie dieses Billet nicht aus der Portokasse zu erlegen vermöchten.
Ach, und sagte ich es Ihnen schon? Allüberall schimmert unsere geliebte märkisch-preußische Landschaft hindurch, von des Meisters Hand mit so kundigen, detailverliebten und zarten Pinselstrichen gezeichnet. Man kann die Szenerie nachlaufen und ich wette, es nimmt den Wandersmann mit der muskatbraunen Lektüre in den Händen nicht weiter wunder, wenn ihm tief im Uferwald des Rheinsberger Sees der rauhbeinige Friedrich Wilhelm von Kähn, Herr auf Wittwien, plötzlich eine ebenso vierschrötige Donnerbüchse vorhält, mit polternder Stimme nach dem Woher und Wohin fragend. Landschaft und Erzählung vermischen sich halt wie die Wasser des Rhin und des Grienericksees, bald schnell und quirlig dahinsprudelnd, bald behäbig und still unergründliche Tiefe verheißend.
Ich wage zu behaupten, daß Sie lediglich einer Kulisse ansichtig werden, wenn Sie auf Preußens Spuren nach Charlottenburg, Sanssouci oder Rheinsberg pilgern. Die wahre Authentizität gewinnen diese Orte erst durch das Leben der sie einst bewohnenden Protagonisten. Sollte Ihnen also an einem Besuche des friderizianischen Preußens gelegen sein, so anempfiehlt der Landbote mit warmem Herzen diesen neuesten, köstlichen Reiseführer aus der Reihe „Preußenkrimi“. Während wir uns also darauf freuen, mit Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, gemeinsam in zerstreuter Gesellschaft dem furiosen Abschlußfeuerwerk beizuwohnen, welches den illegitimen Schliemann-Vater Baron Meerkatz beim Ausgraben antiker Schätze auf der Remusinsel überraschte (und etwas mehr als den Bart versengte), seien Sie nur rasch zugange und beehren Sie uns bei einem superben literarisch-kriminalistischen Spaziergang am brandenburgisch-preußischen Hofe.
Wir jedenfalls lassen schon mal die Gläser klingen und hoffen inständigst, bald wieder von diesem wunderbaren Autor und seinem exquisiten Criminal-Cuisinier zu hören.

 

Muskatbraun - Zerstreute Gesellschaft
Tom Wolf
erschienen im be.bra Verlag Berlin
in der Reihe "Preußenkrimi"
ISBN 978-3-89809-504-4
€ 9,90

 
B
4. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2007