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Barocke Perlen an der Havel
Dr. Ulrich Wiesner hielt Vortrag zu schönen Bürgerhäusern


Abb.1 Dr. Ulrich Wiesner stellt barocke Perlen der Architektur in der Chur- und Hauptstadt vor.

Kotofeij K. Bajun
Ein Breslauer aus Köln zeigt den Brandenburgern ihre schönsten Häuschen. Gibt's denn sowas? Aber ja – der Historische Verein macht's möglich. Dr. Ulrich Wiesner hielt in der Ritterstraße 94 vor krachend vollem Saal den Vortrag „Barockhäuser in Brandenburg an der Havel für bürgerliche und andere Bauherren des 18. Jahrhunderts“. „Sie werden hinterher mit anderen Augen durch Ihre Stadt laufen“, versprach der Kunsthistoriker, dessen fach- und sachkundige Referate sich größter Wertschätzung erfreuen. Und richtig: Schon auf dem Heimweg suchen die nun geschulten Augen die Fassaden der barocken bis frühklassizistischen Fassaden ab, erkennen die durchdachte Achsgliederung der alten Baumeister und Architekten. Sie suchen nach Schmuckelementen, Medaillons, Gehängen, Risaliten, Lisenen, Friesen und Zierbändern, erkennen giebel- und traufständige Bauten. Nun kann das Auditorium Dr. Wiesners zuordnen: Anfang 18. Jahrhundert, Bauboom aufgrund königlicher Förderzusage ab 1783, letzte Baumaßnahme vor dem Erliegen des Baubetriebs wegen der napoleonischen Invasion. Das Wichtigste aber ist: Weder der generationenimmanente Modernisierungs-, noch der modebedingte Anpassungswahn, weder zerstörerischer Krieg noch bettelarmer Sozialismus konnten die Chur- und Hauptstadt all ihrer Perlen berauben. Allerdings fordern einige Sorgenkinder noch dringenden Handlungsbedarf ein, wie die triste Fassade des 1780 errichteten Hauses in der Steinstraße 21 bezeugt. Gerade dieser spätfriderizianische Bau mit den ersten Anklängen an den Frühklassizismus in erster Lage gehört zu den auffälligen Visitenkarten der Havelmetropole.
Dr. Wiesner lehrte sein Publikum, Häuser zu lesen. Sicher, er entließ keine gelernten Bauhistoriker vom Schlage eines Jens Christian Holst oder Carsten Westphal. Von seinem Vortrag nach Hause aber gingen sieben Dutzend Hörer, denen der Weg durch Brandenburgs Straßen ab sofort weitaus mehr sein wird, als eine Verbindung von A nach B. Mit den Worten des Referenten steigt das Bewusstsein dafür, was eine Stadt lebenswert macht, was eine Gemeinde zur Heimat werden lässt. Es ist auch die große Varianz des ästhetischen Gestaltungswillens, der über den reinen Drang zur Repräsentation weit hinausgeht. Das lebendige, das organische Moment macht eine funktionierende Kommune aus. Und der Vortrag sensibilisierte. Die Bilder vom Plauer Schloss vor und nach seiner „Fassadenglättung“ in den Sechziger Jahren, was nichts anderes als ein Euphemismus für eine unsinnige Bilderstürmerei ist, zeigen, wozu ideologisch motivierte Barbarei fähig ist. „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genau so töten wie mit einer Axt“ postulierte einst der große Zille im Angesicht des grauen Elends Berliner Mietskasernen. Doch auch das Gegenteil ist der Fall. Eine mit abwechslungsreicher Architektur geschmückte Gemeinde, deren Werden und Sein den Geschmack, die Ideen und die Kunstfertigkeit der Altvorderen spiegeln, kann ihre Bürger mit einem starken Band der Heimatverbundenheit an sich binden. Dr. Ulrich Wiesners Vortrag gab darauf einen sehr konkreten Hinweis. Er wird im 22. Jahrgangsbericht des Historischen Vereins nachzulesen sein.

 
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11. Volumen

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12.04.2013