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Klein-Moskau im Theaterpark
Kotofeij K. Bajun
Nur dem war seine Künstlichkeit anzumerken. „Entzückend“ - dieses Prädikat darf getrost auch Nadin Fröhnel für sich in Anspruch nehmen und das nicht nur, weil es lautmalerisch so nah an „zickig“ liegt. Ihre Ustinka ist ein Paradebeispiel für eine leicht zickige, blasierte und parvenuehafte „Höhere Tochter“, um keinen Widerspruch verlegen, voller hoher Ansprüche, bei deren Anblick allein man zum Pantoffelhelden schrumpft. Und doch, und doch – man bekommt kein Auge los von diesem kleinen Wirbelwind. Auch die Nebencharaktere, wie Köchin, Zofe und Heiratsvermittlerin sowie das schrullige Tantchen (Anna Jonas) hat Katzwinkel präzise besetzt und formvollendet agieren lassen. Es zählt zu den unbestreitbaren Meriten der Regisseurin, aus diesen Rohdiamanten kleine Brillanten geschliffen zu haben. Überhaupt ist es das Verdienst dieses Ensembles, Ostrowskijs Atmosphäre authentisch zu übersetzen. Der große, spitzzüngige Chirurg der russischen Seele..., man meint, ihn könne nur verstehen, wer Mütterchen Russland im Blut hat. Die aber, diese kleine Laientruppe – die bringt das! Es ist phänomenal: Duktus, Mimik, alles stimmt. Ja, sie haben mal kleine Verschleiferchens drinnen, Holperchens und Stolperchens und klitzekleine Hänger. Aber großer Gott – das ist der unwiderstehliche Charme einer Laienbühne, einer Truppe von unausgebildeten Enthusiasten, die weit, weit mehr errungen hat als nur einen Achtungserfolg. Und überhaupt – man merkt es kaum – denn zu gebannt hängt man an dem Stück, lässt man sich hineinziehen in die Handlung. Sicher, sicher, man kennt seinen Ostrowskij, weiß, wie's ausgeht, aber man möchte es doch selber sehen. Und so sitzt der gestandene Kritiker in seinem Sessel wie ein kleiner Junge vor dem Weihnachtsbaum. Soll man das Stück empfehlen? Was für eine Frage! Natürlich! Denn das ist kein Klamauk, keine Aneinanderkettung fader Pointen. Der „Feiertagstraum“ ist eine Perle der russischen Bühne, ein Tomogramm der ewig menschlichen Natur, verpackt in witzig, spritzigen Dialogen, die allerdings sublim und sachte und alles andere als rustikal derb daherkommen. Sie wollen gefunden und geschmeckt sein, wie ein perlender Krimsekt. Doch, ja, in jedem Falle: Wem Kultur von Rang und Klasse am Herzen liegt, der muss sich das einfach anschauen!
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© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
05.04.2013