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3:0 gegen die EM
Klaus Büstrin liest aus Kleppers Roman "Der Vater"


72 Kulturbegeisterte trotzten König Fußball und lauschten einem wunderbaren Klaus Büstrin.

Kotofeij K. Bajun
Die Griechen haben es aber auch schwer... Heldenmütig verteidigte Leonidas mit seinen Spartanern die Thermopylen 480 v. Chr. gegen die Perser. Das ging 1:0 für den persischen Großkönig Xerxes I. aus. Nun versuchten sie mit gleicher Entschlossenheit ihren Kasten in der Danziger PGE-Arena zu bewachen. Wieder umsonst. Am Ende stand es 4:2 für die teutonischen Gegner. Die glorreichen Zeiten von Troja sind - ach - für die Hellenen lange vorbei. Ganz Deutschland aber feierte im Fußballrausch... Ganz Deutschland? Nein, ein kleines Dorf inmitten der Chur-und Hauptstadt leistete kulturellen Widerstand. Es ist das ehemalige wendische Stutzdorf, den meisten heute nur noch als kleine Gasse namens "Deutsches Dorf" hinter der Sankt - Annengalerie bekannt. Dort, Grundstück Nr. 7, auf dem Gelände der Gärtnerei von Peter Matthias scharten sich 72 Unentwegte um den Grandseigneur und Doyen der märkischen Kultur, Klaus Büstrin. Dieser kam an jenem fußballgeschwängerten Abend in Begleitung von BT-Dramaturg Ulf Brandstätter extra für seine Brandenburger aus der Residenz herüber und im Gepäck hatte er den bedeutendsten Roman der preußischen Literaturgeschichte: Jochen Kleppers "Der Vater". Mit diesem großartigen Psychogramm des Soldatenkönigs ausgerüstet bot ein glänzend lesender Büstrin dem übermächtigen König Fußball die Stirn. Wenn auch pünktlich um 20.50 Uhr das kollektive Gebrüll und die ersten Böller zum 1:0 gegen die Hellenen herüber wehten - dem idyllischen Austragungsort der Reihe "in Gärten gelesen" tat das überhaupt keinen Abbruch. Das Rauschen des Windes im Birnbaum und das Schnattern der Enten am Ufer der nahen Havel sympathisierten mit den zierlichen Interpretationen Gerrit Fröhlichs auf der Flöte von Stücken C. Ph. E. Bachs, Johann Sebastian Bachs und G. Ph. Telemanns. Die Aufgabe, die sich Büstrin mit der Lesung aus Kleppers epochalem Roman von 1937 gestellt hatte, wäre für Legionen anderer Künstler nur schwer zu schultern gewesen: Über 900 Seiten fasst das Porträt der ambivalenten, kontrovers beurteilten aber unbestritten zu den größten Herrschern Preußens zählenden Person Friedrich Wilhelms I. Allein das zu lesen braucht Tage. Es auf anderthalb Stunden zu kürzen, ohne die des Inhalts Unkundigen zu verwirren und trotzdem die Quintessenz des Romans und Kleppers eingängigen Erzählstil herauszuarbeiten - das verlangt nach meisterlicher Hand. Büstrin hat sie. Er, welcher die Reihe der märkischen Theaterkritiker anführt, kann sich ganz getrost der Kritik seines eigenen Vortrags stellen. Sie kann nur gut ausfallen! Wer so engagiert, prononciert und mimisch im rechten Maße bleibend liest, muss sich um seine Wirkung auf Publikum und Kritiker keine Gedanken machen. Mit der Dreierkette Klepper, Büstrin und Fröhlich spielte das Brandenburger Theater an diesem Abend in einem kleinen Deutschen Dorf inmitten der Mark und der Domstadt ein glattes 3:0 gegen die gesamte Fußball-EM. Herzlichen Glückwunsch, BT und Sport frei!

 
B
11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

25.06.2012