Mit Live-Musik zum Mars
Auftaktveranstaltung erweckte Kaiserin-Augusta-Saal
zu neuem Leben
André Wlodarski und Matthias Kaparick
illustrieren einen alten sowjetischen Stummfilm.
Kotofeij
K. Bajun
Mit einem Kracher der besonderen Art wurde ein beinahe vergessener Saal
Brandenburgs an der Havel wieder aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.
Wer weiß denn heute noch, dass in dem 1899 errichteten Gebäude
der Kleinen Gartenstraße, in dem noch bis in die Nachwendejahre
hinein die Medizinische Fachschule untergebracht war, früher das
Augusta-Heim residierte? Benannt nach der letzten deutschen Kaiserin,
der "Kirchen-Juste", trumpfte das derzeit im Umbau befindliche
Gebäude mit seinem 195 Plätze fassenden Saal mit einer weiteren
gekrönten Dame der Geschichte auf: Königin Aëlita vom
Mars. Sie ist die Protagonistin einer Novelle von Alexeij Tolstoi und
damit des ersten sowjetischen Sciencefiction-Films, der bis zum Ende
der Sowjetunion zensiert und verboten war und in den Verliesen der sowjetischen
Filmarchive ruhte. Noch ganz der Revolution verhaftet, mahnte das Zelluloid-Kunstwerk
"Aëlita" jedoch bereits an, dass eine Revolution auch
gründlich schief laufen könne, geriete sie in die falschen
Hände. George Orwells "Farm der Tiere" lässt grüßen.
In genau den richtigen Händen aber befand sich die Veranstaltung,
mit der dieses marsianische Stummfilm-Dornröschen beatmet und der
ganze Saal wiederbelebt wurde: André Wlodarski und Matthias Kasparick,
beide bekannt als Musiker der Brandenburger Kultband "Nothing Toulouse",
firmierten als Live-Elektronik-Duo "robojim". Zusammen mit
dem Folk/Pop-Duo "My Orchid Home" und DJane Frau Schmidt gaben
sie dem alten Saal ein würdiges Comeback. Inmitten des Charmes
noch unverbildeter, spätstalinistischer Architektur entfaltete
sich im Anschluss an die cineastische Preziose eine Flimmer-Party mit
Musik und Tanz. "Es bewegte sich zwischen sphärischen Klängen,
die das Bild begleiten bis hin zu treibenden elektronischen Rhythmen,
die sich vom Streifen unabhängig machten...", erläutert
der exzellente Pianist Wlodarski. Das Ganze erinnerte schon an die szenige
Subkultur des Berliner Prenzlberges. Mit diesem Auftakt empfahl sich
gleichzeitig das event-theater Brandenburg: Als Veranstalter der Expedition
zum Mars steckte es im Kaiserin-Augusta-Saal mit dem Konzert-Kino-Abend
gleichzeitig den Claim einer neuen Brandenburger Spielstätte ab,
die bereits zum Ende des Jahres für das Publikum komplett erschlossen
sein wird.