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12. Adventstürchen – Aschenputtel erwacht!
Sensation in der Johanniskirche


Oberbürgermeisterin Dr. Dietlind Tiemann (r.) und Denkmalsschützerin Katrin Witt (2.v.r.) öffnen das Ostportal des Nordschiffs der Johanniskirche.

Michael L. Hübner
Das Schöne an den Adventskalendern ist ja der garantierte Überraschungseffekt: Man kann sich nie so recht sicher sein, was dahinter steckt, wenn man das Türchen öffnet. Das diesjährige 12. Tor des überdimensionierten, landesweiten Kalenders der märkischen Städte mit historischen Stadtkernen wurde einmal mehr in der Chur- und Hauptstadt aufgeschlossen. Die vornehmste unter den Städten der Mark, die Altstadt Brandenburg, ließ sich nicht lumpen. Sie schickte ihr Aschenputtel ins Rennen und stach mit dem Überraschungscoup wieder alles vom Pferd, was da bisher geboten wurde oder bis Heilig Abend noch kommen könnte. Die Johanniskirche, Gotteshaus des einstigen Franziskanerklosters am nördlichen Havelufer unterhalb der Jahrtausendbrücke, ist ja eigentlich schon eine bautechnische Sensation für sich: Gerade mal fünfzig Meter vom Salzhofufer entfernt wurden die hohen Mauern auf schwammigem Untergrund errichtet. Selbst als man der Kirche in der Mitte des 19. Jahrhunderts die stützenden Klausurgebäude nahm und stattdessen nur die südlichen Pfeiler verstärkte, hielten die schlanken Mauern. Ein Jahrhundert später traf eine Fliegerbombe das gequälte Gebäude und zertrümmerte das Westjoch. Die Kirche hielt. Die Wände aber begannen sich gefährlich nach Süden zu neigen. Diverse Stadtregierungen bedrohten das tapfere Gebäude mit der Abrissbirne – die Obrigkeiten kamen und verschwanden, die Kirche steht bis heute. Selbst den Einsturz des Dachstuhls im Jahre 1985 überlebte sie schmerzgepeinigt und um ein Joch verstümmelt. Hirnlose Jugendliche warfen die Verglasung einer der prachtvollsten Rosetten der norddeutschen Backsteingotik ein. Die BUGA 2015 brachte die Rettung. Die Architekten des Büros Krekeler wurden mit der Sanierung und Ertüchtigung des Gebäudes beauftragt und sie werden es so weit retten, dass zukünftige Generationen auch noch etwas von ihm haben. Die alte Dachkubatur wird dann wieder das Schiff krönen, die Fenster sehen ihrer Wiederverglasung entgegen, der offene Westgiebel wird transparent geschlossen und – das nördliche Seitenschiff wird wieder hergerichtet. Dessen Ostportal war nun das besagte Adventstürchen.


Etwa vier Dutzend Besucher wurden Zeugen einer kulturhistorischen Sensation.

Nur wenige Brandenburger dürften den unscheinbaren Anbau noch von innen kennen. Dabei gehört er zu den am besten erhaltenen Teilen des Baukörpers. Eine Vorsakristei, eine Sakristei und drei schöne, gotische, kreuzrippengewölbte Joche mit aufwändig gearbeiteten Schlussteinen bilden den Innenraum, der perspektivisch wieder zum Hauptschiff geöffnet wird. Damit aber hatte Katrin Witt noch nicht das Trumpf-As aus dem Ärmel gezogen. Armer Clemens Bergstedt! War der Burgherr auf Ziesar noch gestern stolzer Monopolist, was großartige spätgotische Wandmalerei im märkischen Raum betrifft, so ist der Residenz der Brandenburger Bischöfe mit der kleinen Franziskanerkirche eine mächtige Konkurrenz erwachsen. Unter Schichten schützenden Putzes wurde nicht nur arabeske Ornamentik von der Vorsakristei her sichtbar – es schälte sich an der Nordostwand des Hauptschiffes in einer Mauernische ein großes, prachtvolles Bildprogramm heraus, welches bislang vorsichtig als mögliche Marienkrönung interpretiert wird.


Katrin Witt zeigt den Grundriss der alten Franziskaner-Klosteranlage.

Endoskopische Untersuchungen berechtigen zu der vagen Hoffnung, diese Bemalung könnte sich in den Nachbarnischen fortsetzen. Sollte das so sein und es gelingen, die Wandgemälde nicht nur zu konservieren sondern auch der Öffentlichkeit dauerhaft zu präsentieren, wäre Brandenburg an der Havel um eine touristische Sensation ersten Ranges reicher. Plötzlich rückt ein beinahe vergessenes und doch so wichtiges Sakralgebäude wieder in den Mittelpunkt: Da wäre die Franziskanerbibliothek, die von Georg Jagdhuhn in Krakau aufgespürt wurde – die Polen beharren allerdings auf ihrer Kriegsbeute, das General-Fouqué-Grab – und die nun wiederentdeckte gotische Wandmalerei! Spätestens, wenn das restaurierte Gesamtensemble „Gotisches Haus und Johanniskirche“ im BUGA-Jahr 2015 wieder in frischem Glanz erstrahlt, wird der Beweis erbracht sein, dass das Märchen vom hässlichen Entlein einmal mehr wahr geworden ist. Ein Millionen-Kuss von Stadt, Landesdenkmalpflege und Architekturbüro – und die Altstadt hat wieder einen Diamanten mehr in der Krone, an dessen überwältigender Präsenz wohl kaum ein Wasserwanderer oder Besucher der Stadt vorbeikommen wird. Kleiner Trost übrigens für Clemens Bergstedt: Die Brandenburger Franziskaner kamen dereinst aus Ziesar an die Havel!


Eine mutmaßliche Marienkrönung aus der Spätgotik lässt die Fachwelt aufhorchen.

 
B
11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

15.12.2012