Frau und Kunst
Brennabor stellt Künstlerinnen in den
Mittelpunkt
Impressionen aus der sibirischen Taiga
nahm Liz Mields-Kratochwil auf der Leinwand mit.
Kotofeij
K. Bajun
Brennabor-Kunsthalle, am hellichten Tage: Plötzlich bleibt man
wie angewurzelt stehen, reibt sich die Augen, hinterfragt den eigenen
Geisteszustand: Hat man etwa gestern Abend einen zu viel... aber da
hängt ein Watteau! Ein richtiger Watteau! Zweifel ausgeschlossen.
Die weltberühmte "Abfahrt nach Kythera". Ganz klar! Aber
was ist das? Das paradiesische Eiland von Kythera in zartrosa? Sieht
man am Ende doch schon die berüchtigten rosa Elefanten...? Eine
Asiatin steht vor dem Bild. Oder etwa im Bild? Oder doch davor? Sie
hält ein Mädchen im Arm, mutmaßlich die Enkelin, welche
Watteaus galante Gesellschaft mit einer Digitalkamera filmt. Das ist
wirklich und unwirklich zugleich. Um dem Betrachter in der schwindeln
machenden Szene wenigstens einen vertrauten Fixpunkt zu geben, setzt
die koreanische Malerin Sooki wenigstens das Schloss auf der Berliner
Pfaueninsel ans andere Ufer. Sooki greift barocke und rokokoeske Themata
mit der Präzision eines Michael Sowa auf, entführt sie mittels
der Bild-in-Bild-Technik in die Moderne, verknüpft sie über
ihre Protagonisten sowie die obligaten fernöstlichen vertikalen
Schriftzeilen mit der Tradition der Malerei unter der aufgehenden Sonne.
Neu, einzigartig, atemberaubend. Bevor man die Gemälde Sookis erreicht,
präsentieren sich die filigranen Installationen Liz Mields-Kratochwils.
Vierundzwanzig mit der Spitze nach unten aufgehängten Kegel –
sind sie Foucaultsche Pendel, welche die Drehung des Planeten beweisen?
Sind sie Lote, die seine Tiefe ermessen? Mit einem Augenzwinkern entführt
die Künstlerin den Besucher der Ausstellung "beRUF Künstlerin
– ein Paradigmenwechsel" in die Philosophie der Physik und
der Sinnestäuschung: Zweifelsohne laufen die Lotschnüre parallel.
Tun sie das wirklich? Oder betrügt uns das Auge? Verlängert
man die Schnüre ins Unendliche, dann erst erkennt man, dass sie
strahlenförmig auf einander zu gehen, um sich im Mittelpunkt der
Erde zu treffen. Eine schneckenförmige Muschel mit steil aufragender
Helix gleich nebenan, repräsentiert das Klischee des weichen, des
schwachen, des weiblichen Geschlechts. Wie sie sich aber speerförmig,
hart und unduldsam in den Himmel reckt, verkörpert sie andere,
maskuline Aussagen und Attribute. Unnachgiebig und undurchdringlich,
trotz feinster und filigranster Strukturen. Kunst und Dialektik in einem.
Gegenüber spielt die Berlinerin Corinna Rosteck mit dem Medium
Wasser, mit der Bewegung, dem Tanz, der Photographie. Ihre Lichtbilder
sind nicht von dieser Welt. Ein Feenreich entfaltet sich in der einstigen
Industriehalle. Der Schlachtensee von Berlin – oder ist es ein
Gemälde von Monet? Es ist ein Lichtbild! "Ich habe nur ein
wenig die Tonwerte korrigiert", erläutert die Foto-Zauberin
Rosteck. Ihr Geheimnis: Sie hatte DEN Moment, DIE Stimmung, DAS Gefühl
für's Bild – Herausgekommen ist ein Meisterwerk des photographischen
Impressionismus.
Zu sehen ist das alles zwischen dem 1. Februar und dem 1. März
in der Brennabor Kunsthalle in der Geschwister-Scholl-Straße 10-13.
Die Berliner Kuratorin Uta Koch-Götze von der galeria futura hat
elf Künstlerinnen eingeladen, ihre Bilder, Skulpturen, Installationen,
Animationen und Wandarbeiten zu zeigen. Ausschließlich weiblicher
Kunstsinn formte diese Werke. Es soll ein Blick auf den Beruf der Künstlerin
eröffnet werden, die es oft trotz aller hochwertigen Professionalität
noch immer weitaus schwerer hat, sich die gebührende Anerkennung
zu erarbeiten und im Kunstbetrieb bekannt zu werden, als ihre männlichen
Kollegen. Symbolisch transportiert wird dieses Anliegen durch die meisterhaften,
mehrfach belichteten Bewegungsstudien der 2009 verstorbenen Pina Bausch,
der Gret Palucca des Westens. Corinna Rostecks Kamera fing diese Bilder
ein. Sinnlich weibliche Entäußerung aber lächelt dem
Besucher auch aus der kleinen Hundebüste entgegen, die den Besucher
der Ausstellung freundlich begrüßt. Weit gespannt ist der
Schaffensbogen der modernen Künstlerin – man sollte sich
das nicht entgehen lassen!
Corinna Rosteck vor ihrer Installation,
die dem Empfangsraum jedes Wasserwerkes zur Zierde gereichte.