Buttje Buttje in de See...!
Puppenbühne brilliert mit HSM 19
Schlicht und ausdrucksstark - Vom Fischer
und seiner Frau erzählt Ute Kotte auf der Brandenburger Puppenbühne.
Photos und Montage: Preußischer Landbote
Kotofeij K. Bajun
Wünsche sind schön,
Wünsche gehören zum Leben. Aber es gilt für sie, was
unser großer Lehrer der Medizin, Theophrast Bombast von Hohenheim,
genannt der Paracelsus, postulierte: Dosis facit veneum! Das kann man
als junger Mensch nicht früh genug lernen. Wo? In der Schule, im
Elternhaus oder – in der Puppenbühne des Brandenburger Theaters!
Ja doch: Bei der Aufführung eines Märchens... Moment mal,
eines Märchens? Nein, das ist nicht EIN Märchen. Es ist DAS
Märchen, was Ute Kotte den Kindern und Erwachsenen darbot. Geht
es bei der Mehrzahl aller Märchen um Gut gegen Böse, Hexen,
Drachen, Prinzessinnen und Prinzen, Liebe und Hass, so thematisiert
die Geschichte vom Fischer und seiner Frau die Hybris, den grenzenlosen
Ehrgeiz, den die Götter mit der Nemesis strafen. Es ist der Flug
des Ikarus, es ist die Unsinkbarkeit der Titanic. Und – es ist
eine Verifikation des Sprichworts, dass hinter beinahe jedem erfolgreichen
Manne eine ehrgeizige Frau stehe. Die Kinder, welche mit leuchtenden
Augen und ganz gegen jede kindliche Gewohnheit stille sitzend das zauberhafte
Geschehen auf der kleinen, aber gehaltvollen Bühne verfolgten,
werden von dieser sublimen Dynamik menschlichen Verhaltens nicht viel
verstanden haben. Doch sie ahnten bereits, worum es geht: Es sind die
mahnenden Worte des Sherlock Holmes, der seinen Freund Dr. Watson einst
belehrte, die wahre Kunst des Künstlers sei, zu wissen, wann man
aufhören muss. Ilseken wusste es nicht...
Die Puppenspielerin Ute Kotte arbeitete mit einem knapp und schlicht
gehaltenem Bühnenbild das Destillat des Märchens mit großem
Geschick heraus. Begleiten ließ sie sich und ihre drei Figuren
dennoch von einem feengleichen Spiel wechselnder Farben sowie einer
dezenten Geräuschkulisse. Das war für die kindliche Seele
konfektioniert. Das Kind bedarf keiner aufwändigen Kulisse. Die
wäre sogar kontraproduktiv. Die kindliche Phantasie will sich Landschaften,
Schlösser und Abenteuer erschaffen, will sie ausmalen und in sich
zum Leben erwecken und bedarf um dieser Gestaltungskraft willen nur
sachter Anregungen. Exakt das setzte die Dramaturgie um: sparsam aber
hübsch, wenig Brimborium, das aber umso beeindruckender. Zeigte
sich der Zauber-Butt anfangs noch dankbar und willig und verblieb noch
einen Moment im Gespräch mit dem Fischer, so wurden die immer unverschämteren
Wünsche, die der weiche Mann namens seines dominanten Weibes übermittelte,
zum Ende hin von Donner und Blitz begleitet. Ungehalten sauste der erzürnte
Fisch vorüber. Noch erfüllte er die Bitten, die beileibe nicht
den Intentionen des getriebenen Mannes entsprachen. Am Ende bezahlten
beide – Fischer und Frau – für ihre spezifischen Fehler:
Er für seine Schwäche, sie für ihre grenzenlose Habgier.
Man muss den Hut ziehen vor Katha Seyffert, die, selbst begnadete Puppenspielerin,
mit der professionellen Steuerung der Technik, der Akustik und den Effekten
bewies, wie sehr sie sich in das Märchen hineinzudenken vermochte.
Unter den fünfzig Besuchern bestand sicher der vierte Teil aus
Erwachsenen, die ihre Sprösslinge begleitet hatten. Richtete sich
zwar das Spiel der kleinen, ausdrucksstarken Puppen in dem schönen
Bühnenaufbau zunächst an die Kleinsten, so sei das Stück
insbesondere zu späterer Stunde gerade und besonders auch den Erwachsenen
ans Herz gelegt! Das freute den Preußischen Landboten, wenn die
Banken und Hedge Fonds ihre leitenden Mitarbeiter in die Vorstellung
der Ute Kotte per Ordre de Mufti entsenden würden. Da gäbe
es viel zu lernen über Habgier und zügelloses Streben, über
die Entkopplung der Werte von der Wertschöpfungskette, über
die Ursachen von Immobilien- und Weltwirtschaftskrisen. Der Fischer
und seine Frau saßen am Ende wieder in ihrer erbärmlichen
Hütte. Doch selbst darum wird sie so manches Opfer von Hypothekenspekulation
und Zwangsversteigerung beneiden! Und die Bilder der NYSE-Makler, die
nach dem 24. Oktober 1929 ein Pappschild um den Hals trugen, sie würden
jede Arbeit annehmen und selbst Schuhe putzen, sind unvergessen. Die
Geschichte mit dem Butt mag ein Märchen sein – es trägt
die Nummer KHM 19 – doch was es verkündet, das ist so wahr
wie das Amen in der Kirche. Ute Kotte, ihre Regisseurin Lisa Augustinowski
und Katha Seyffert haben es wunderbar und ganz sicher für die Mehrzahl
ihres kleinen und großen Publikums unvergesslich inszeniert –
und genau darauf kommt es bei diesem Märchen aber so 'was von an!
Gut gemacht und – Danke schön, Frau Poppenspeelerin!