Baaks

zurück zum Landboten

 

zurück zur Stammseite "BÜCHER"

 

Ein Mythos fällt
Torsten Milsch bricht epochal das „Mutti-Tabu“

Kotofeij K. Bajun
Friedrich Engels postulierte einst: „Die Familie ist die kleinste Zelle der Gesellschaft.“ Ist in der Familie der Wurm drin, wird demzufolge früher oder später der Gesamtorganismus Gesellschaft instabil. Nun ist aber die Mutter in den meisten Familien traditionell, Patriarchat hin oder her, noch immer das prägende Zentrum und damit in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer Säulenheiligen avanciert. Sie zu analysieren und, Gott bewahre, zu kritisieren, ist eines der unumstößlichen Tabus der Gegenwart. Wer an diesem Denkmal rüttelt, riskiert die öffentliche Steinigung. Denn diese Blasphemie rangiert noch weit vor der Gotteslästerung.

Einer wagt es dennoch und wir werfen den Hut in die Luft und rufen aus Leibeskräften Hurra, Hurra, Hurra! Nicht weil wir Probleme mit der eigenen Mutter hätten oder andere ödipale Komplexe vor uns her wälzten. Nein! Dr. med. Torsten Milsch zeigte uns, wie man echte Revolutionen macht, an deren Ende keine Guillotinen stehen. Nicht brüllend durch die Straßen rennen, Schaufenster, Polizeiautos und Laternen zertrümmern – und alles im Namen der besseren Gesellschaft von morgen. Hier wird mit dem Geist Revolution gemacht, von unten her und mit der Kraft des wissenden Wortes!

Milsch's Buch „Mutti ist die Best(i)e – die heimliche Diktatur vieler Mütter“ hat revolutionäres Potential. Leicht und eingängig von einem Fachmann geschrieben, ist es Absatz für Absatz authentisch und für jedermann am eigenen Erfahrungshorizont zu messen. In gewisser Weise kann sich Milsch mit dem vorgelegten Werk in die Reihe der großen Mythenzertrümmerer einreihen: Joachim Fernau, Max Frisch... Torsten Milsch! Wobei der Mutti-Mythos der gefährlichste von allen ist, denn hier geht es um die pure Macht. Die Furien der Welt werden ihn dafür hassen und sie werden die Messer wetzen – denn was Milsch postuliert ist so wahr wie das Amen in der Kirche!

Gemäß der Engels'schen Definition arbeitet sich der Mediziner stringent von der familiären Ebene hinauf zu den Auswirkungen bis in die Top-Positionen der Gesellschaft. Er legt die millionenfachen Deformationen frei, welche durch einen speziellen Massenmissbrauch an Kindern initiiert werden, der in dieser Form nicht einmal von den sensationslüsternen Boulevardblättern thematisiert wird. Hier geht es nicht um Sexualität, hier geht es um Machtgebaren und Egalität Kindern gegenüber, welche eines Tages die Verantwortung für die nächste Generation zu übernehmen haben. Kinder werden mal zu lästigen, mal zu schmückenden Haustieren und zu Projektionsflächen eigener persönlicher Inkompetenz verkrüppelt. Mit absolut fatalen Folgen.

Milsch nennt Ross und Reiter unbarmherzig beim Namen, vollkommen ungeschminkt, völlig kompromisslos. Mag Konzilianz sonst zu den erstrebenswerten Tugenden zählen, hier aber ist sie fehl am Platze und der Autor bemüht sich folgerichtig nicht mal ansatzweise um einen versöhnlichen Ton. Schon dieser Umstand macht das Werk zu einer wertvollen Waffe in der Hand aller, denen wirklich an einer besseren Gesellschaft gelegen ist.

In diesem Kontext ließ sich ein Knoten in Milschs Ausführungen allerdings nicht lösen: Berichtet der Autor doch mehrmals, dass ihm just in dem Augenblick die Patienten davonliefen, als er sie zum Punkt der Erkenntnis geführt hatte. Menschlich nachzuvollziehen – aber welche Rückschlüsse erlaubt das auf die Erfolgsaussichten der Milsch'schen Therapie? Diese Textstellen lassen den Leser fürwahr desperat zurück – denn, bekommt man das Problem nicht einmal im Kleinen in den Griff, wie will man dann die Gesellschaft retten?

Torsten Milschs Buch ist ein mutiges Buch, es ist ein wahres Buch und es ist ein notwendiges Buch. Es sind zwei Szenarien denkbar: Entweder wird es gelesen und dann gnade Gott dem armen Milsch! Rushdies Schicksal nach Niederschrift der Satanischen Verse lässt grüßen. Oder es wird ignoriert, auf den Index des Schweigens gesetzt. Letzteres aber lässt sich verhindern: Indem man sich nämlich Milschs Buch besorgt, es liest und die Trommel dafür rührt, wo man nur geht und steht. Für den Autor, für sein Anliegen aber vor allem – für uns!

Torsten Milsch
Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter
272 Seiten
Piper-Velag Münschen 2013
ISBN-13: 978-3492055284
€19,99


Anmerkung vom Autor Dr. med. Torste Milsch:

Der Rezensent hat eine für mich eine äußerst begeisterte und begeisternde, sowie vor allem auch inhaltlich bemerkenswerte Rezension geschrieben, die ich ausdrücklich begrüße. Leider hat er m. E. am Ende nur übersehen, dass ich die von ihm monierten häufigen Therapie-Abbrüche in meiner Praxis ganz ausschliesslich nur in Paar-Therapien und auch nur durch die plötzlich überforderten Muttis erlebe. Diese Abbrüche passieren, wenn diese Frauen hautnah und völlig neu erleben müssen, dass mit der - eigentlich von ihnen per Therapie-Auftrag auch ausdrücklich gewünschten, gleichzeitig unbewusst natürlich auch gefürchteten,- wachsender Eigenständigkeit der Männer durch die Paar-Therapie ganz natürlich ihre die Mutti-Macht schwindet. Diese völlig neue und daher auch angstmachende Erfahrung ist für manche Frauen und Muttis dann doch (noch) so schmerzhaft, dass sie lieber flüchten, (S. z. B. Silvia und Hartmut, S. 26ff.), statt sich selbst und ihre Beziehung weiter zu entwickeln. (Paare hingegen, deren Frauen diese Phase als Teil ihrer Entwicklung -wenn auch unter Schmerzen- begrüßen, freuen sich später immer mehr über ihre immer besser gelingende Beziehung zu sich selbst, ihrem Partner und ihren Kindern. (S. z. B. Monika und Peter, S. 159 ff.)


Wir replizierten:

Lieber Herr Dr. Misch,

nein nein, übersehen wurde das nicht, noch wurde verkannt, aus welchem Grunde diese sich stark gebenden, doch realiter schwach seienden maskulinen wie feminien Muttis der Gattung "mater terribilis" mitten auf dem Parcours "verweigerten", wenn dieser Vergleich statthaft ist.

Auch die Erfolge wurden keineswegs überlesen. Unsere Bedenken bezogen sich gewissermaßen auf den alten Grundsatz, dass man ja denen nicht zu predigen bräuchte, so in die Kirche gingen.

Wie aber erreicht man die im Irrtum Beharrenden, die sich ja jeder erforderlichen Neubewertung gerade des eigenen Handelns aus Gründen persönlicher Schwäche entziehen, um dann weiterhin vehement zu blockieren?

Es war dieses keinesfalls als Kritik aufzufassen, denn der ist ein miserabler Kritiker, der keinen besseren Weg aufzuzeigen wüsste. Und wir wissen keinen. Nehmen Sie den Absatz daher als Ausdruck der bekennenden Hilflosigkeit.

Ihr Hübner

Dr. Torsten Milsch meint:

Danke, lieber Herr Hübner,

für die Differenzierung, die ich jetzt auch besser verstehen kann.

Die im Irrtum verharrenden erreicht man oft eben NICHT oder im Konflikt nicht mehr. Da erlebe ich auch als noch so bemühter Therapeut meine Grenzen.

Daher schlage ich ja die frühe Prävention u. a. durch Selbsterfahrungs-Weiterbildung der Eltern und Erzieher vor, damit diese Irrtums-Haltungen möglichst gar nicht erst entstehen.

Herzliche Grüßen, Torsten Milsch

 
B
11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

05.04.2013