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Generalstaatsanwalt und Humanist
Erardo Rautenberg zu Gast beim MontagsSpezial

 


Generalstaatsanwalt Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg (li.) im Gespräch mit dem Intendanten Christian Kneisel


Kotofeij K. Bajun
Er ist Deutschlands dienstältester Generalstaatsanwalt, gebürtig aus Argentinien, Vollblutjurist, Spezialist für die Geschichte der deutschen Staatsanwaltschaft und die Musik der Siebziger, er ist der Sozialdemokratie verbunden und nennt eine Schallplattensammlung von 4 x 6 Metern sein Eigen. Ein profilierter Mann von Anstand, Charakter und unanfechtbarer persönlicher Integrität – ein Hüne von Gestalt, der zu Brandenburgs Weichbild zählt wie die Türme der mächtigen Kirchen. Sollte je ein Steckbrief von Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg erstellt werden – so und nicht anders müsste er lauten. Christian Kneisel hatte ihn zu sich ins Foyer geladen. Das 40. MontagsSpezial war es wohl – so genau war das nicht mehr zu ermitteln. Einen gestandenen Intendanten aufgeregt zu sehen wie einen jungen Schauspieler beim Vorsprechen – wer das miterleben durfte, hatte schon die halbe Miete des Abends in Sack und Tüten. Nicht dass dem Theatermann der Schweiß auf der Stirn gestanden hätte, weil ihm des Landes oberster Ankläger vis a vis saß. Einen Freund nannte Kneisel seinen Gast und die Aufregung war einem natürlichen Umstand geschuldet: Das Herz beinahe jedes juristischen Laien beginnt zu stolpern, wenn sich vor ihm die dschungelhafte Welt der Paragraphen auftut. Rautenberg aber verflüchtigte mit seiner Präsenz jegliches Klischee, was man landläufig von einem so hoch positionierten Staatsanwalt haben mag. Er ist ein netter Mann...der aber in der Sache beinhart zu agieren versteht. Als im September 2011 in Folge eines demokratieunwürdigen Ämterschachers, was schon an die Praxis der mittelalterlichen Simonie erinnerte, ein gewisser Johannes Schmalzl den Posten des Generalbundesanwaltes zugeschoben bekommen sollte, regte sich Rautenbergs Widerstand. Nicht länger als ein paar Monate habe Schmalzl erst Erfahrungen als tätiger Staatsanwaltschaft gesammelt und sollte dann zum obersten Anklagevertreter der Republik ernannt werden? Rautenberg protestierte bei Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Justizministerin hörte weg, der Historiker mochte abwinken: Auch Jules Mazarin war einst Kardinal von Frankreich, ohne jemals auch nur die niederen Priesterweihen erhalten zu haben. Doch dem genialen Italo-Franzosen wäre auch nie, selbst im Vollrausch nicht, eingefallen, seine Kritiker mit unsachlicher, ehrenrühriger und dummfrecher Boshaftigkeit zu überziehen – und schon gleich gar nicht per E-Mail. Ein Akt der lemmingartigen Selbstdemontage, wie er wohl in der deutschen Spitzenpolitik zur sportlichen Disziplin erhoben wurde. Ein solcher Fauxpas verträgt sich nicht mit den moralischen Anforderungen an das Amt, zumal der in schnöseliger Arroganz verhaftete Regierungspräsident einen klärenden Kontakt, verbunden mit einer Entschuldigung, versäumte. Schmalzl stolperte über seinen Hochmut – der Aufrechte aber, der seit Jahren für die Befreiung der Staatsanwaltschaft vom Gängelband der Regierung kämpft, blieb. Und schrieb – die Fortsetzung eines Jahrhundertwerkes von Ernst Sigismund Carsten. Die Geschichte der deutschen Staatsanwaltschaft wird darin seit der Franzosenzeit beleuchtet. Die Rolle dieses Teils der Exekutive im Dritten Reich, der DDR und der Bundesrepublik bildeten die hauptsächlichen Themata Rautenbergs. Eine Mommsen'sche Fleißarbeit. Wirft das Buch Gewinn ab, so wird dieser auf Heller und Pfennig dem Leo-Baeck-Institut übereignet. Auch das ein Schlaglicht auf die Persönlichkeit dieses geborenen Argentiniers und echten Preußen aus Niedersachsen. Beinahe fünf Dutzend Brandenburger erlebten einen bereichernden Abend an der Grabenpromenade. Außer Rautenbergs Frau Katrin wurden keine weiteren Juristen gesichtet. Niemand also legte ein Wort auf die Goldwaage der blinden Göttin der Gerechtigkeit und belegte das Resultat mit einem zehn Pfund schweren Schönfelder. Ein trotz aller Aufregung versierter Moderator Christian Kneisel konnte sich so gesehen getrost zurücklehnen: Sein Gegenüber erwies sich als ein Humanist vom Schlage eines Johannes Spießheimer, gen. Cuspinian, hochgebildet, bescheiden und umgänglich in Einem – allein durch seine Person befähigt, beim Bürger viel verloren gegangenes Vertrauen in den Rechtsstaat zu erneuern.

 
B
11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

18.01.2013