Des Königs Handy
Vortrag über den Preußischen Optischen
Telegrafen
Torsten Wambach erklärt den Telegrafen
Jules-Francois
Savinien Lemarcou
Zitz (lem). In Berlin schlägt die Uhr Vier am Nachmittag. Eine
Minute später stellen Beamte im Luftlinie 469 km entfernten Koblenz
ihre Uhr. Hört sich merkwürdig an. Ja, das tut es. Denn wir
schreiben das Jahr 1840! Der Postreiter braucht drei Tage für die
Strecke. Der elektromagnetische Telegraf braucht noch neun Jahre, ehe
er den Betrieb aufnimmt – das ganze stellt für Deutschland
eine ungeheure Sensation dar, obwohl die Technik für die benachbarten
Franzosen bereits ein alter Hut ist. Hier aber hatten die preußischen
Kernlande raschen Kontakt zu den preußischen Rheinprovinzen. Informationsvorsprung
bedeutet Vorteil.
Die Geburtsstunde der deutschen Telekommunikation schlug im November
1832, als erste Depeschen mit ein bis zwei Stunden Laufzeit etwa sechs
mal am Tage zwischen Berlin und Koblenz hin und her rasten. Gutes Wetter
war Voraussetzung, denn die Verständigung zwischen den 61 Stationen
auf der 588 km langen Trasse wurde über Blickkontakt vermittelt.Die
Stationen lagen zwischen zwei und 16 km voneinander entfernt, meistens
auf prominenten Geländeerhebungen. Gutes Wetter herrschte auch
in Zitz südlich des Fiener, als Dr. Manfred Menning vom Potsdamer
Helmholtz-Zentrum des Deutschen GeoForschungs-Zentrum GFZ, angesiedelt
am Telegrafenberg, seinen Vortrag über den Preußischen optischen
Telegraphen hielt. Menning war es auch, der diesen enormen Fortschritt
in der Datenübertragung mit der treffenden Periphrase "des
Königs Handy" belegte. Der Zitzer Heimatverein unter der engagierten
Roswitha Matthies hatte eingeladen. Zum optischen Telegrafieren hätten
also zumindest am Steinberg bei Zitz, Standort der Station 9, ideale
Bedingungen geherrscht. Aber man muss eben wissen wie's geht. Dafür
hatte Torsten Wambach von der Ziegeldorfer Station 11 ein übermannsgroßes
Modell mitgebracht, dessen sechs Nachrichtenflügel sich ordnungsgemäß
auf 45°, 90° und 135° anstellen ließen. 4.095 Kombinationen
kann man auf diese Weise darstellen, deren 2.200 für Zahlen, Buchstaben,
Zeichen, Zeichenfolgen und Wörter genutzt wurden. In Zitz war das
Wort "Brandenburg" eingestellt. Chapeau! Und danke schön
für die Blumen!
Denn auch durch Brandenburg an der Havel führte diese revolutionäre
Datenautobahn des Biedermeier! Auf dem Marienberg war der Telegraph
Nummer 7 stationiert. Die Baulichkeiten sind mit dem Restaurant auf
dem Marienberg sogar noch beinahe vollständig erhalten. Doch kaum
etwas erinnert daran. Dabei wäre gerade die Nachbildung des Telegraphen
eine kostengünstig zu reproduzierende Attraktion für die BUGA,
eine weitere Sehenswürdigkeit der Chur- und Hauptstadt, ein lokalpatriotisches
Betätigungsfeld mit Nachhaltigkeits- und Werbefaktor für Fachhochschule
und BAS, eine Diamantenmine für den Bergwirt, ein Goldklumpen,
...nach dem man sich in Brandenburg an der Havel aber offensichtlich
erst bückt, wenn dessen Wert in Mark und Pfennig aufgeprägt
für jedermann ablesbar ist. Denn ein in Arbeit befindlicher, länderverbindener
und bundeseinheitlich beschilderter Telegraphenradweg sowie eine Telegraphenstraße
entlang der alten Route versprechen nicht nur eine zweihundert Jahre
alte Brücke der Kultur wiederzubeleben – sie werden auch
Touristen anziehen! Blöd, wenn dann die erste Depesche der Neuzeit
lautet: "An der Sieben schnarcht man noch!"
Brandenburg – Koblenz, beinahe den Anfang und den geografischen
Endpunkt der ingenieurtechnischen Meisterleistung von einst markierend,
beide Städte als BUGA-Ausrichter miteinander verbunden –
und – auch Koblenz verpasste seinerzeit die Chance, auf seiner
BUGA mit seinem Telegraphen zu punkten! Die Koblenzer hatten einfach
mal keinen blassen Schimmer...
Der optische Telegraph verschwand nicht sang- und klanglos. Die Signalmasten
der Eisenbahnen sind bis auf den heutigen Tag mit seinen schwenkbaren
Winkarmen ausgestattet. Das nennt man langlebige Nachwirkung!
Um sich zu verständigen nutzten die preußischen Beamten seinerzeit
Fernrohre von Pistor und Merz. Die sorgten für hervorragende Weitsicht.
Darum: Fernrohre von Pistor und Merz für die BUGA-Stadt Brandenburg
an der Havel! Das wäre mal eine lohnende Investition.