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Oderbrücke in Brandenburg an der Havel
Brunsberg-Ausstellung in St. Katharinen


Spannend erklärt Dirk Schumann das Wirken Hinrich Brunsbergs.

Kotofeij K. Bajun
Walter Gropius, Henry van de Velde und Le Corbusier kennt man. Vielleicht auch noch Pelli, der die Petronas-Towers entwarf. Aber wer war Gerhard von Rile? Wer Peter Parler, Arnold von Westfalen und wer Hinrich Brunsberg? Sie waren nicht minder Stararchitekten – und zwar des ausgehenden Mittelalters, zu einer Zeit, da man langsam begann, Werke zum höheren Lobe Gottes zu individualisieren. Noch sprachen diese Männer allein durch ihre Kunst und weniger durch Medienrummel und Autobiografien. Deshalb weiß man auch so wenig von ihnen. Einem aber versucht man nun in einer Wanderausstellung auf die Spur zu kommen, die seit Kurzem in der St. Katharinenkirche erste Station macht. Brunsberg, dessen Sippe möglicherweise aus dem Ordensland stammt und dessen Spuren bis in die mächtige Marienburg nachweisbar sind, bestückte vor allem den pommerschen Ostseeraum und die Mark bis hinüber nach Tangermünde mit seinen Kunstwerken. Begann man im direkten Einflussgebiet der Hanse eine Art Bauhaus des Mittelalters zu etablieren, schlicht aber von atemberaubender Größe und Majestät, so setzte Hinrich Brunsberg filigrane Herrschaftsarchitektur dagegen. Seine Formensprache war filigran, er gestaltete das Material Backstein zu wunderbar verspielten Formen, die trotz ihres enormen Gewichtes federleicht, lichtdurchflutet und beinahe schwebend erscheinen. Mit seinem Wirken schrieb Brunsberg den einheitlichen Kulturraum fort, der damals noch im nördlichen Zentraleuropa herrschte. Diesem glücklichen Umstand ist eine weitere Brücke zu den polnischen Nachbarn jenseits der Oder zu verdanken, welche die in deutscher und polnischer Sprache gehaltene Exhibition zu den Werken des Meisters schlägt. Begann der Mann, der als Unternehmer wohl in Stettin seinen Lebensmittelpunkt hatte, doch in Stargard, Gartz und Königsberg /Neumark seinen Ruf als überragender Baumeister zu etablieren. Profanbauten und Gotteshäuser standen dabei auf seinem Programm. Die Johanniter hatten anscheinend einen Narren an Brunsberg gefressen: Wo immer ein repräsentativer Kirchenneubau in ihrer Bauherrschaft anstand, verpflichteten sie den Norddeutschen mit Kusshand. Der Berliner Bauhistoriker Dirk Schumann, Autor und Kurator der vom Potsdamer "Deutschen Kulturforum östliches Europa" geförderten deutsch-polnischen Ausstellung "Innovation und Tradition – Hinrich Brunsberg und die spätgotische Backsteinarchitektur in Pommern und der Mark Brandenburg" sprach gar mir feiner Ironie von spätmittelalterlichen Seilschaften. Wer aber die Objekte aus eigener Anschauung kennt oder die großartigen Fotografien Thomas Voßbecks in der Ausstellung betrachtet, versteht schnell das verbindende Element, was die überragende Kunst Brunsbergs bis heute geschaffen hat: Steht man vor St. Marien in Königsberg /Neumark oder in Tangermünde, so wähnt man sich zu hause im Schatten von St. Katharinen zu stehen. Dabei ist gerade dieses Gotteshaus und der um 1411 beinahe parallel vollendete Neustädtische Mühlentorturm aus der Hand von Brunsbergs Freund, Kollegen und Landsmanns Nicolaus Kraft ein Beleg dafür, wie sich die stolze Neustadt Brandenburg selbstbewusst in der chaotischen Zeit des nachaskanischen Quasi-Interregnums behauptete. Macht und Reichtum wurden für alle sichtbar in Stein gehauen und in die Mitte der Kommune gesetzt. Denn einen Brunsberg unter Vertrag zu nehmen, war enorm kostspielig. Aber auch das ein Wink der Alten, der in die Zukunft weist: Brunsbergs Stararchitektur führt der Chur- und Hauptstadt gerade heute nach über einem halben Jahrtausend Besucher und Gäste zu, die ergriffen vor der unbestrittenen Perle der norddeutschen Baksteinkirche auf dem Katharinenkirchplatz stehen. Eine wahrhaft epochale „Werbetafel“ für die Havelmetropole! In diesem Sinne war die Investition Ausgangs des dramatischen 14. Jahrhunderts eine Art Stiftungskapital, von dem wir Nachgeborenen noch heute zehren. Bis zum 31. Oktober ist die Ausstellung im Chor von St. Katharinen bei freiem Eintritt zu sehen. Gastgeber Pfarrer Kiertscher gab seiner Hoffnung Ausdruck, die Ausstellung nach Beendigung ihrer Reise durch Deutschland und Polen endgültig beherbergen zu dürfen. Sollte sich sein Wunsch erfüllen, besäße Brandenburg neben all seinen Havelbrücken dann auch eine Brücke über die Oder – zwar nur eine ideelle, symbolische, nichtsdestotrotz aber eine sehr tragfähige und verbindende mit sechshundertjähriger Tradition.

 
B
11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

12.09.2012