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        zum Landboten   | Märkische 
        Moritaten und eine Vernissage von Herrn Jahn K. K. BajunJüngst ließ sich der 
        Brandenburger Museumsdirektor, wie wir auch ein begeisterter Anhänger 
        Heinrich Heines und Kurt Tucholskys, vernehmen, wenn man literarisch nachhaltig 
        zu schreiben wünsche, so möge man auf dem Niveau der beiden 
        vorgenannten Herren schreiben oder eben besser das Maul halten. So unrecht 
        hat er da gar nicht mal. Aber sollen wir, die wir bestenfalls nach diesen 
        beiden Gestirnen navigieren können, deshalb stumm verharren und der 
        lesenden Welt vorenthalten, welch glücklichen Tag das Brandenburger 
        Theater am Sonntag, dem 25. Februar 2007 begehen konnte?
 Da verzichten wir doch lächelnd auf die Nachhaltigkeit und legen 
        los:
 111 Besucher im Großen Foyer des Theater an der Grabenpromenade! 
        Das gab’s noch nicht! Welch ein Gedränge, Sitzgelegenheiten 
        wurden Mangelware, der gegenüberliegende Rang war belegt. Die Reihe 
        Märkische Leselust stand auf dem Spielplan, Frau Herzog saß 
        am Klavier, Frau Schori, Herr Röhrig und Herr Führmann besetzten 
        das kleine Podium zelebrierten die Jule und ihre märkischen Schwestern.
 Das Spiel war den Darstellern ganz gewiß eine Märkische Leselust 
        – uns war es eine Lust des Hörens und des Sehens.
 So voll das Haus auch war, du hättest eine Stecknadel fallen hören: 
        Couplets, Gassenhauer, Moritaten, Gedichte aus anderthalb Jahrtausenden 
        märkischer Geschichte… Moment, werden Sie sagen, begehen wir 
        dieses Jahr nicht erst den 850sten Geburtstag der Mark? Ja schon, daß 
        aber Isolde, die bildschöne Frau des Jarls Iron ihrem Manne mit Charme 
        und unverhohlener Erpressung das Jagen aus dem Kopfe schlug, das mag sich 
        in Zeiten abgespielt haben, die dem Chronisten verborgen bleiben. Nicht 
        aber dem Volksmund. Der fügte dann auch noch die Abenteuer der Enkelinnen 
        Frau Isoldes hinzu: des Sabinchens und der Jule, der Frau von dem Knesebeck, 
        der Cäcilie und der Äppelfrau, der schönen Lilofee, Strittmatters 
        Eins-Fuffzich-Großmutter, der Petronella Tucholskys, der – 
        Dürren, der Emanzipierten, der Kernigen, der Oranienburger Pferdebus-Kutscherin 
        Jette, der stämmigen Jette, die der märkischen Burschikosität 
        aufs Postament verhalf. Und so unterschiedlich die Charaktere der Vielbesungenen 
        waren, so unterschiedlich waren die Darbietungen des brillanten Quartetts, 
        die nahtlos aus dem einen Naturell heraus ins nächste schlüpften, 
        verschmitzt und klagend, quietschend und verführend, aufreizend und 
        polternd – das ganze Große Foyer über siebzig Minuten 
        hinweg in Fesseln schlagend. Frau Herzogs begnadete Finger waren durchaus 
        mit ihrem Piano forte verwachsen, ihre Klänge gaben die Untermalung 
        des Geschehens, das essentielle, das unverzichtbare Gewürz des Schauspiels. 
        Frau Schori, tirilierte und zwitscherte zwischen den beiden flankierenden 
        Herren dahin und lieh jedem besungenen Fräulein ihre formidablen 
        Reize – nur der arme Vamp mußte um seine Verruchtheit ringen 
        – Frau Schori, Sie haben uns das durchtriebene Luder mit solcher 
        Herzigkeit und Unschuld dargeboten, daß es uns schier zerreißen 
        wollte auf unseren Stühlen. Allein das war schon einen Sonderapplaus 
        wert! Und wenn dann noch Moritz Führmann und unser märkischer 
        Pallenberg, Herr Röhrig auf dem Besetzungsplan stehen, dann war der 
        Ansturm so recht eigentlich betrachtet geradezu kalkulierbar. Bei Stefan 
        Heyms Erzählung, die Herr Röhrig komplett aus dem Kopfe vortrug, 
        da hett er vielleicht gemußt a bissel mehr jiddeln, der Herr Röhrig! 
        Wär gewesen noch das Sahnhäubchen, nich wahr…!
 Ach, wir verwöhntes Volk aus dem Parkett! Kriegen den Hals nicht 
        voll. Nee, nee! Es ist doch so: Das klampft und bläst und rezitiert 
        und singt mit einer Virtuosität und Freude am Metier; Herrn Führmanns 
        launige Spitzbübigkeit umschließt uns wie der Schalk, der uns 
        unter Herrn Röhrigs Kopftuch entgegenlacht, als er eine Amme gibt, 
        die dazu rät einen toten Hauptmann an den lichten Galgen zu hängen 
        um einem jungen höchst lebendigen Landsknecht die Aussicht auf zwei 
        kugelrunde Brüste zu erhalten. Wir folgten seinen vieldeutenden Blicken 
        und – hätten uns auch keinen besseren Rat gewußt. Das 
        Leben, Frau Venus und all ihre bezaubernden Töchter, die mit solchen 
        Reizen verführen, müssen gefeiert werden: Nirgends woanders 
        möchte man sein an diesem Nachmittage, nur hier, hier allein, hier 
        is scheen, wie die aastpreißische Jrosmutter aus Keenichsberch zu 
        sagen pflegte. Recht hattse!
 Aber der Wagen, der rollt… Umtriebig sind die Brandenburger Theaterleute. 
        Und während sie vier wunderbare Mimen ein großes Foyer verzaubern 
        lassen, eröffnen sie am anderen Ende der Neustadt, in den Brennabor-Werken, 
        mit dem Maler, Zeichner und Graphiker Lutz Jahn eine Kunstausstellung. 
        Über 200 Besucher stürmen die Hallen, in denen es einst hieß: 
        Vier Räder und ein Ofenrohr und fertig ist der Brennabor! Die Automobilproduktion 
        machte der bildenden Kunst Platz und nun hängen dort Bilder, die 
        den Betrachter staunen lassen. Sicher nicht alles überall hängbar, 
        sicher nicht alles jedermanns Geschmack – aber doch vieles Bewunderung 
        erheischend und Begehrlichkeiten weckend. Zu den Bedeutendsten unter den 
        gegenwärtigen märkischen Künstlern seiner Zunft wird Herr 
        Jahn von Kennern gerechnet. Das zu erhärten oder zu verneinen fehlt 
        uns der Sachverstand – was wir aber sehen, das ist Kunst, die uns 
        zum überwiegenden Teil fasziniert, die durchgängig von technischer 
        Meisterschaft spricht und die von der Hand und dem Geist und der Phantasie 
        eines echten Künstlers zeugt. Unter anderem Werner Tübke soll 
        Herrn Jahn ausgebildet haben. Uns aber schien, ein noch weit größerer, 
        der überragende, der Titan Hieronymus Bosch hätte diese oder 
        jene Inspiration vermittelt. Zu auffällig waren die stilvollen Charakterköpfe, 
        düster und bedrohlich eine gemalte Feuersbrunst, lieblich und liebevoll 
        die wenigen Landschaften. Gerne hätten wir den Meister zu unserer 
        Vermutung befragt, doch wie das bei einer erfolgreichen Vernissage so 
        ist, der Künstler wird belagert wie einst eine Festung. So ziehen 
        wir grüßend den Hut und retirieren und nehmen einige der Bilder 
        in unseren Köpfen mit nach Hause. Und nur in unseren Köpfen. 
        Denn Sie sollen sie ja auch noch zu sehen bekommen. Bis zum 27. März 
        haben Sie dazu Gelegenheit. In der Kunsthalle Brennabor, Eingang von der 
        Geschwister-Scholl-Straße, Nähe Hauptbahnhof.. Trotzdem gar 
        nicht so leicht zu finden für den Ortsfremden. Vielleicht könnte 
        man den Künstler bewegen eine Beschilderung zu entwerfen, kunstvoll 
        wie seine Zeichnungen, deutlich wie sein Porträts, die es dem kunstsinnigen 
        Gaste erleichtern, die Halle der Kunst zu erreichen. Denn zu begrüßen 
        wär’s, wenn diese Kunst Kreise ziehen und Wellen schlagen würde. 
        Wert ist sie’s allemal!
 
 
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