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Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?
Wie die Politische Korrektheit die Errungenschaften der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bedroht
(Sprache IV)

Kotofeij K. Bajun (Kidanow)
Diese Melodie will mir nicht aus dem Kopf: "Lustig ist das Zigeunerleben, fariah fariah ho ...!" Sollte ich mir jetzt auf die Zunge beißen? Das Wort Zigeuner ist doch nun seit den brutalen Regeln der "Politischen Korrektheit" in der freien Welt obsolet. In der Zeit, in welcher die Grimm'schen Hausmärchen einer weiteren radikalen Weichspülung unterzogen werden, um sie für die lieben Kleinen noch tiefer in das Reich der märchenhaften Unmöglichkeit zu pressen, muss es natürlich heißen: "Lustig ist das Sinti- und Romaleben ..."

Jetzt, wo ich es kann, weil daran kein spätsozialistischer Mangel mehr herrscht, darf ich keine Negerküsse mehr kaufen. „Schaumküsse“ - das ginge. Aber zum Teufel damit! Das Gefühl isst mit! Und in der DDR waren nun einmal Negerküsse das Ziel jeder Begierde.

Und niemand assoziierte mit der Verwendung dieses Begriffs eine vorgebliche Abwertung des dunkelhäutigen Menschentyps. Wenn einer daherkam und von „Niggern“ schwadronierte, ja dann war die Sache klar: Es musste sich um einen Hohlkopf handeln, der seine eigene gefühlte Minderwertigkeit auf Menschen mit unterschiedlichem Phänotyp projizierte. Solche Leute gab es auch – aber sie spielten keine Rolle.

Konjunktur hatten solche intellektuellen Einzeller erst, als die Politische Korrektheit begann, die Menschen kreuzzugsartig zu polarisieren!

Es ist eine alte Weisheit, dass das Gegenteil von Gut nicht Böse ist, sondern Gutgemeint! Insofern ist der ganze Apparat der Politischen Korrektheit der absolute Nadir aller skurrilen Auswüchse gesellschaftlichen Beschwichtigungswahns.

Und – das ist nun das wirklich Interessante – die Politische Korrektheit formt sich inmitten einer Gesellschaftsordnung, die für sich die Attribute „freiheitlich“ und „demokratisch“ beansprucht, zu einem lupenrein diktatorischen Unterdrückungsinstrument aus.

Es ist ja nicht nur so, dass die Verfechter dieser Tabu-behafteten Sprache ihr Klassenziel grandios verfehlt haben. Ganz richtig gingen diese Leute ursprünglich davon aus, dass Sprachgebrauch und Gedankenwelt in einem rückgekoppelten System miteinander verbunden sind. Also versuchten sie auf die Einstellung der Menschen Einfluss zu nehmen, indem sie den freien Gebrauch der Sprache einzuschränken begannen. Verstöße wurden und werden hart sanktioniert!

Doch verkannten diese wohlmeinenden Leute, dass solche edukativen Maßnahmen bisher in den meisten Diktaturen ins Leere liefen und stattdessen nur Opposition gebaren. Es fehlte ihnen ganz einfach an der entsprechenden Erfahrung.

Es ist die uralte Idiotie, von der bereits die pseudoprüden Herrscher des Vatikans befallen waren, als sie der Statue Fräulein Julia Farneses ein marmornes Pallium überhalfen. Die Lehre daraus lautet: Was du zu verbergen suchst, ohne seine Existenz und die Erinnerung daran realiter und vollständig vernichten zu können, das machst du erst recht zum Zielpunkt eines breiten Interesses! Der Fokus wird explizite auf das Objekt hinter dem Feigenblatt gelenkt! Das ausgesprochene Tabu bewirkt also das ganze Gegenteil!

Anders gesprochen: Die Politisch Korrekten versuchen ein paar unsaubere Geister in dafür völlig untaugliche Flaschen einzukorken und generieren auf Dauer damit Molotow-Cocktails, die ihnen über kurz oder lang mit großem Knall um die Ohren fliegen.

Der Krüppel und der Behinderte werden also nicht geschützt, sondern durch die verrückt-verschwurbelten Wort-Kreationen erst recht der Lächerlichkeit ausgesetzt. Weder der Neger, noch der Eskimo oder der Indianer werden durch idiotische und ins Leere laufende Bezeichnungen vor der Verachtung des doofen „Weißen“ bewahrt. Im Gegenteil: Dieser denkt sich: „Gut, gehe ich eben den Weg des geringsten Widerstandes und nenne dich, wie es die Heilige Mutter „Politische Korrektheit“ vorschreibt. Aber das hindert mich keineswegs, dich nach wie vor auszubeuten und meinen Luxus auf deinen Knochen aufzubauen. Es ist mir egal, ob du als Neger verhungerst oder als Dunkelhäutiger, ob du als Indianer ohne Aufstiegschance in deinem Reservat verrottest, oder eben als „Native American“, ob ich auf der Suche nach Erdöl die Heimat der Eskimos zerstöre oder die der Inuit. Scheißegal! Wenn ich dich politisch korrekt bezeichne, habe ich wenigstens vor diesen stumpfsinnigen Spinnern und Weltverbesserern Ruhe. Denn die interessiert nur die oberflächliche Sprachregelung, nicht das Terrain, auf dem ich dich wirklich diskriminiere, unterdrücke, ausbeute und umbringe!“

Obendrein werden die Leute zum Ärger gereizt, weil sich eben niemand gerne bevormunden lässt. Und wie reagieren die Menschen im Allgemeinen auf solch einen Ärger? Zunächst mit bissigem Humor, der in seinen Ausdrucksformen oft noch verletzender unter jede Gürtellinie geht, als die von der Politischen Korrektheit attackierte Floskel. „Menschen mit anderem Begabungsschwerpunkt“ sind genau so ein Hohn auf das natürliche Sprachempfinden wie die „Winkelemente“, „antifaschistischen Schutzwälle“ und die „Jahresendfiguren“ der DDR. Sollte den Schöpfern der modernen Sprach-Monstrositäten die Wirkung ihres Wahns nicht bewusst sein, dann hilft unter Umständen eine Retrospektive auf diesen Unfug vergangener Tage. In der breiten Bevölkerung konnte dieser Quatsch nie auch nur ein Jota Akzeptanz gewinnen. Alles in allem schufen die kommunistischen Hohepriester der sinnfreien Sprachschöpfung eine Lachnummer nach der anderen – das unvermeidliche und wohlverdiente Schicksal eines jeden solcher ebenso freiheitsverachtender wie hilfloser Versuche.

Fatalerweise nämlich – und das zielt in dieselbe Richtung – hat das Volk, mag es als Masse dumm sein, wie es will, einen feinen Instinkt dafür, wann es in ein Joch gezwungen werden soll. Dafür brauchte es nicht erst die klugen und scharfsinnigen Analysen der LTI aus der Feder des genialen, jedoch später korrumpierten Victor Klemperers. Sprache ist ein Mittel der Macht! Das ist die wichtigste Essenz: Wem es gelingt, sich zum Herren über die Sprachregelung aufzuschwingen, der hat das Volk bereits unter seine Kontrolle gebracht. Die perversen Auswüchse dieses Phänomens aus dem nordkoreanischen Reich der geistigen Finsternis belegen diese Behauptung hinlänglich. Schon aus diesem Grunde muss es für jeden der Freiheit verpflichten Menschen oberstes Gebot sein, jedwede oktroyierte Sprachregelung grundsätzlich in Frage zu stellen und mindestens zu 99 Prozent abzulehnen. Denn außerhalb der Freiheit der Sprache gibt es keine Freiheit! Und darauf einen herzhaften Biss in einen Grabower Negerkuss – und schmatzend trällere ich das Liedchen von dem lustigen, unabhängigen und freiheitsliebenden Zigeunerleben, allen muckerhaften, verspießerten und biedermeierlich miefigen Sprachdiktatoren zum Trotze!

24. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
13.07.2016