Baaks

zurück zum Landboten

 

CAVE VVLGEM!*
AfD - das historische Dilemma einer Partei

B. St. Fjøllfross
Kennt jemand noch die Republikaner? Oder die DVU? Nein? Na ja, ist auch nicht so tragisch. Immer wieder mal sondern sich am rechten Rand der Gesellschaft ultrarechte Blasen ab, die sich rasch mit Nationalisten, Demagogen, Panikmachern und Rassisten und anderen Dummköpfen füllen.

Die Aufgabe des Sammelbeckens für Kleingeister, Bildungsferne, Hetzer, Europaspalter und andere gestrandete Existenzen hat nun die AfD, die "Alternative für Deutschland" übernommen.

Angetreten mit oft berechtigter und vom etablierten Berliner Politikzirkus mit geflissentlich gepflegter Ignoranz bedachter Kritik, mit ernstzunehmenden Hinweisen auf bestehende Defizite in der Brüsseler Politik und anderen durchaus nicht von der Hand zu weisenden Standpunkten, verkam diese Partei rasch zu einem Sumpf dumpfer und hasserfüllter Parolen, die ausschließlich zur Destruktion der Gesellschaft taugen.

Der Historiker lehnt sich entspannt in seiner Loge des Welttheaters zurück und wartet lächelnd ab. Die Dynamik des Werdens und Vergehens solcher extremen Strömungen ist seit langem bekannt und daher absehbar.

Sicher, die italienischen Faschisten und auch die deutschen Nationalsozialisten haben sich länger gehalten. Die Verhältnisse aber, die zum Entstehen dieser "Bewegungen" führten und die Umstände, warum sie sich solange halten konnten, bis sie ihre jeweiligen Länder bis zum absoluten Nullpunkt ruiniert und kaputt gewirtschaftet hatten, waren ungleich schärfer als heute.

Zumal fehlte den damaligen Zeitgenossen die Präzedenz. Große Teile der Mittelschichten lassen sich gegenwärtig nicht mehr so leicht um den Finger wickeln – zumal die desaströse ökonomische Lage des Dritten Reiches heutzutage bekannt ist. Eines Reiches nota bene, das nachgerade zum Kriegführen und zum Siege verdammt war. Denn sein völliger Bankrott war schon beschlossene Sache, bevor überhaupt der erste Schuss des Zweiten Weltkrieges abgefeuert wurde.

Doch genug des Ausflugs in die jüngere Geschichte. „Das Volk ist doof, aber gerissen“, meinte einst Kurt der Große, bürgerlichen Namens Dr. Tucholsky. Damit hatte er wohl recht. Zumindest ist ein großer Teil des Volkes so doof, dass die Lehren aus der blutigen Geschichte keine zwei Generationen nachhaltig überdauerten. Anders wäre eine Abszessbildung am rechten Rand der Gesellschaft nicht wieder und wieder zu beobachten.

Doch wie kommt es dazu? Nun, Parteien sind biologisch Organisationsformen, deren Entwicklung festgeschriebenen Gesetzen folgt. Zunächst in aller Regel mit revolutionären und unkonventionellen Ideen antretend, etabliert sich jedoch beizeiten eine Parteielite, welche die Partei als eine Basis zur persönlichen Machtentfaltung versteht - … und nutzt. Um diese Eliten schart sich dann das obligatorische administrative Establishment, gefolgt vom Stimmvieh und dem blöden Fußvolk. Der Parteiapparat kehrt sich in der Folge mehr und mehr ab von ihrer ursprünglichen inhaltlichen Zielsetzung. Interne Machtkämpfe gewinnen die Oberhand. Pfründenverteilung, Simonie, Korruption, Vetternwirtschaft und Klüngel, gefolgt von Inflexibilität und innerer Erstarrung greifen um sich. Immer seltener gelingt Leuten, die vom inneren Zirkel nicht gefördert oder gar geduldet werden, der Aufstieg innerhalb des Parteiapparates.

Und dann passiert's: Mit schöner Regelmäßigkeit sind die nicht-parteigebundenen Wähler die ersten Indikatoren für einen Umbruch, meist vergesellschaftet mit einem partiellen gesellschaftlichen Neuanfang. Die breiten Massen registrieren mit feinem Gespür, dass ihre Anliegen nicht mehr gehört werden und parteiinternen Kabalen zum Opfer fallen. Die Versprechungen, die sie vor die Wahlurnen locken sollten, verschwinden uneingelöst nach den Wahlen in obskuren Schubladen, so dass das Volk bissig konstatiert: Würden Wahlen irgend etwas bewirken, so wären sie längst abgeschafft oder verboten.
Diese fortgesetzten Enttäuschungen über den Popanz einer Demokratie, der dem Volke allenthalben vorgesetzt wird, führt zum breiten Protest, zur Wahlverweigerung – und gar nicht mal so übermäßig oft dient der Verlust des historischen Langzeitgedächtnisses als primäre causa.

Das, genau das ist der Nährboden, der das Unkraut der Demagogie empor sprießen lässt. Da kommen sie dann, die ewig realitätsfernen Heilsversprechen. Nein, Vielen wird schon bewusst sein, was sie davon zu halten haben. Aber sie wollen es „denen da oben mal richtig zeigen!“ Der Protest soll wachrütteln. Armes, dummes, naives Volk. Es versteht sich selbst nicht. Denn die, gegen die es protestiert, sind ja keine Marsianer. Das sind Töchter und Söhne dieses Volkes. Jedes Volkes! Und neunundneunzig Prozent der wütend protestierenden Leute würden exakt so oder noch schlimmer handeln, böte ihnen Fortuna die Macht und den Einfluss der angefeindeten Entscheidungsträger.

Wenn also alle Bockigkeit nichts mehr nützt, die Proteste der Demonstrationen wirkungslos verhallt sind, sich nichts mehr bewegt – dann, ja dann ist die Zeit für die Gründung einer neuen Partei gekommen. Und je geschickter diese Partei die Sorgen und Nöte der breiten Masse zu artikulieren in der Lage ist, über desto mehr Zulauf wird sie sich freuen können.

Doch ebenjenen Zulauf benötigt der Neueinsteiger auf der politischen Bühne dringend! Sonst wird er nicht dauerhaft wahrgenommen. Wer aber nicht wahrgenommen wird, verschwindet schneller in der Versenkung des Vergessens, als er bis drei zählen kann. Der politische Erfolg findet nur selten Eingang in das Gedächtnis der Menschen. Also wird der politische Keimling auch mit dreckigem Wasser gegossen. Was soll's!

Wie das aussieht? Der politische Debütant muss Kräfte an Bord holen, die ihm zunächst vielleicht gar nicht geheuer waren. Da werden Flaschen entkorkt, deren Geister einst mit Mühen hineingebannt wurden. Einmal draußen aber erfüllen sie nur kurze Zeit die Wünsche ihrer „Befreier“. Dann – und das lässt sich immer wieder beobachten – übernehmen diese bösen Dschinnis das Ruder, reißen es ihren einstigen Vorbetern aus den Händen, entmachten diese, schicken sie in die Wüste der Bedeutungslosigkeit. Wo ist der noch relativ liberale Professor Lucke? Wo isser?

Dachte die politisch Vatermörderin Petry, ihr bliebe auf Dauer ein solches Schicksal erspart? Gehört es zu den unabdingbaren Zugangsvoraussetzungen für solche „Eliten“, dass sie gegen historische Erfahrungswerte immun sind? Gauland und Höcke blasen zum Sturm und ziehen einen ursprünglich regierungskritischen Ansatz in ein offen faschistisch-radikales Lager.

Versuche, diese braunen Geister doch wieder in die Flasche zu korken, wie denn jüngst in Baden-Württemberg geschehen, scheitern. Jörg Meuthen geht von Bord und – säuft sang- und klanglos ab! Die Parteispitze scheint eher auf ursprüngliche Werte und noch einige wenige anständige Mitglieder als auf die tumbe Masse des Stimmviehs verzichten zu wollen, zu können, … zu müssen? Die Radikalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Somit wird sich auch eine Frauke Petry mit einiger Sicherheit nicht mehr lange an der Macht halten können.

Noch sorgen geschickte und charismatische Politiker auf Landesebene wie der Havel-Werderaner Steffen Königer dafür, dass die Attraktivität und Wählbarkeit der AfD für die breite Masse erhalten bleibt. Da werden Themata aufgegriffen, um derentwillen sich verquaste Spinner zu den Deppen der Nation machen – so zum Beispiel der ganze hirnschellige „Gender“- Unfug. Das hat keinen Bezug mehr zur Lebenswirklichkeit und karikiert überdeutlich die Situation der „etablierten“ Parteien, denen nach außen nichts anderes mehr wichtig erscheint. Königer spricht Klartext, logisch, verständlich, nachvollziehbar. Die ihm zufliegenden Sympathien sind Überraschung nur denen Einzellern.

Königer nimmt sich weiterhin drückender Probleme an. So der Feststellung der Tatsache, dass die einst hochmoderne und innovative Bundesrepublik den technologischen Fortschritt und die Aufrüstung der drahtlosen Internetkommunikation bis zum heutigen Tage grandios verpennt hat: Teure Mobilfunkgeräte wie Smartphones außerhalb der Reichweite größerer urbaner Ansiedlungen sind nur allzu oft purer Elektronikschrott, eben weil sie mangels Ausbau des Funknetzes schlicht nicht zu gebrauchen sind. Niemand sonst spricht das Thema an. Warum nicht? Weil …, ja weil die Vertreter der etablierten Parteien größtenteils mit den Verantwortlichen der Wirtschaft über den Lobbyismus bereits so verzahnt und verbandelt sind, dass man diesen Nieten im Nadelstreifen nicht auf die Füße treten will. Königer kann sich solche Pieksereien noch leisten. Erst wenn er in entscheidungskräftige Positionen aufrückt, wird er in den Focus des Interesses der Lobbyisten geraten.

Ist das der Fall, dann wird es auch um ihn ruhiger werden. Respektive wird er dann wohl mit den Themata herausrücken müssen, um die es ihm und seinen Leuten wirklich zu tun ist: Eine Abkehr von der europäischen Idee, ein verzweifelter Rückzug in das nationale Schneckenhaus, in der idiotischen Hoffnung, so vor dem Wirtschaftstsunami aus dem riesigen, unitären Wirtschaftsraum des Fernen Ostens geschützt zu sein. Welch ein Wahnsinn reitet diese Leute? Auch hier haben sie nichts aus der Geschichte gelernt. Denn die Geschichte ist ihnen in ihren für sie unangenehmen Punkten wurscht! Kann getrost ausgeblendet werden!

Woran sind denn die Indianer gescheitert? Zunächst einmal an ihrer Zersplitterung. Woran das schon damals gewaltige Volk der Chinesen Ende des neunzehnten Jahrhunderts? An ihrer Zersplitterung! Der riesige Subkontinent Indien unterlag für Jahrhunderte dem kleinen England. Warum? Wir ahnen es – die Zersplitterung der indischen Völker ... Wieder, wieder und immer wieder. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.

Immer aufs Neue hofften einige Wenige, sie würden sich in Sicherheit bringen können, wenn sie beizeiten mit der anrollenden Übermacht paktieren. Welch tödlicher Irrtum!

Ja, legten denn die Bildungsministerien der Länder mehr Wert auf eine solide welthistorisch und -politisch synoptisch ausgerichtete Intensivbeschulung der nachfolgenden Generationen – solche gefährlichen Dummheiten ließen sich billig eindämmen. Aber hätte, hätte, Fahrradkette!

Vielleicht hat jetzt das idiotische Plebiszit, welches Großbritannien absehbar aus der Europäischen Union katapultieren und in ein Kleinbritannien verwandeln wird, zunächst einmal eine heilsam schockierende Wirkung auf die geistigen Gartenzwerge Europas.

Doch es gibt wenig Anlass, daraus Hoffnung auf eine langfristige Besserung zu schöpfen. Die Masse ist nun mal doof und das ist die einzige präzise berechenbare Konstante. Und diese Unterbelichtung ist der Humus auf denen solches Giftkraut wie UKIP, Front National, Lega Nort, AfD, Orbans Clique, Partij voor de Vrijheid, Haiders BZÖ etc. wächst. Auf eine Warnung der alten Römer anspielend wollen wir rufen: CAVE VVLGEM!

* (lat.) gesprochen: Cave Vulgem! Vorsicht vor der Masse!

24. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
07.07.2016