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Kriegerdenkmale
was sagen sie über uns?

Dem Friseurmeister Friedrich Hübner gewidmet.

David M. Katz
Irren wir uns, oder war es der Übervater und Schutzheilige des Preußischen Landboten, St. Dr. Kurt Tucholsky, der einst konstatierte, das Verlogenste auf dieser Welt wären wohl die Inschriften auf deutschen Kriegerdenkmalen. Die Nummer 1 unter allen jemals gelebt habenden deutschen Journalisten scheint landauf, landab viele Bewunderer zu haben. Kaum eine Gemeinde will ihn so recht Lügen strafen und tut alles, um den Wahrheitsgehalt der Worte des großen Tucholsky zu bestätigen.

Da steht beispielsweise auf dem Kriegerdenkmal des Dorfes Prützke bei Brandenburg an der Havel geschrieben: Niemand hat größere Liebe, denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.

Das an sich ist ja nicht verkehrt. Man stelle sich vor, der Freund bräche im Eise ein und man spränge mit Todesverachtung hinterher, um den Freund zu retten. Käme der Mutige bei dieser Tat nun ums Leben, der Prützker Spruch würde des Tapferen Grabstein mit allem Rechte zieren.

Was aber der Dummfug zu Prützke verschweigt, ist der Umstand, dass die Wehrmacht in den Tiefen Russlands eingebrochen ist und mutmaßlich die wenigsten derer, deren Namen auf der anderen Seite des Steins eingemeißelt stehen, die Intention hatten, mit ihr zu ersaufen.

Nehmen wir beispielsweise den 1912 zur Welt gekommenen Friseurmeister Friedrich Hübner, gebürtig aus dem Prützker Hause Dorflage 8. Mit 20 Jahren war dieses Ausnahmetalent, das malen, die Geige spielen und tanzen konnte wie ein junger Gott, und die Große Liebe seiner späteren Frau Hannchen wurde, der jüngste und beste Friseurmeister der preußischen Provinz Brandenburg.

Er hatte just seinen eigenen Salon in der Brandenburger Hausmannstraße Nr. 5 aufgemacht, und begann Näherin Hannchen auf die Tätigkeit einer Friserugehilfin anzulernen. Zusammen wollten sie sich eine Existenz aufbauen, als der Befehl des Wehrbezirkskommandos eintraf, Friedrich möge sich den Waffenrock überziehen, einen Karabiner fassen und für Hitler und das hinter ihm stehende großdeutsche Kapital den Russen das Erdöl aus Baku stehlen.

Die Russen wollten sich von dem auch für sie wertvollen Öl nur ungern trennen, schossen dem Gefreiten Hübner ins Bein, was ihm darauf hin abgenommen werden musste. Es half nichts. Friedrich verreckte kurz vor Toresschluss an der Verletzung elendiglich und Hannchen, die zu ihm nach Österreich geeilt war, durfte ihre nunmehr tote Große Liebe nur noch in einem Zinksarg mit nach Hause nehmen. Sie begrub ihn auf dem Harlunger Berge, dem Hausberg der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel, wo er seither ein ewiges Ruherecht genießt. Vermutlich hätten ihm die Erträge seines Friseurladens an der Seite seiner Frau und seines Sohnes zu genießen, weitaus mehr zugesagt. In jedem Falle aber gab er sein junges, 32jähriges Leben gewiss nicht für Freunde, Volk oder Vaterland. Er musste es geben für eine verbrecherische Räuberbande, die ihn zwang, sie bei ihrem Raubzug zu begleiten. Widrigenfalls sie ihn im Zuchthaus Görden den Kopf abgeschlagen hätten.

Doch, o Wanderer, wenn Du meinest, Du habest zu Prützke schon alles gesehen, was dümmlicher Selbstbetrug an Hohn und Spott für die armen Kerle aufzufahren hat, dann wende deine Schritte in das Amt Neuhaus an der Elbe! Dort präsidiert eine gusseiserne Germania, Schild und Schwert dräuend gen Frankreich erhoben, dem Marktplatz des beschaulichen Örtchens.

Hier nun gedenkt man der Gefallenen des deutsch-französischen Krieges von 1870/71. Zugegeben, bei diesem Gemetzel ging es nicht ums Öl. Der Eiserne Kanzler ließ die jungen Männer aus allen Teilen des Reiches in die Gaue der westfränkischen Vettern einmarschieren, um die Belgier zu kujonieren und abzuschlachten und die unendlich schöne Kathedrale von Reims in Trümmer zu schießen. Natürlich nur als Rache dafür, dass die Franzosen ihrerseits zu Beginn des nämlichen Jahrhunderts den Salierdom zu Speyer zerstört hatten. Kennt denn Idiotie keine Grenzen?


Abb. 1 Schlimmer geht's nimmer!
Erst die armen Teufel in den Tod jagen und dann mit selten dämlichen, schwülstigen Versen verhöhnen!
(Kriegerdenkmal "Germania", Amt Neuhaus/Elbe)

Gut, der Kerngedanke Bismarcks war, die deutsche Einheit zu schmieden, indem er die jungen Männer aus allen Teilen des Reiches gemeinsam gegen den Erbfeind schickte. Der Plan ging auf. Die, deren Leben auf den Bajonetten der Poilus endete, hatten davon gar nichts.

Im Kriegsfalle profitieren nur Wenige. In aller Regel diejenigen Überlebenden, die schlau genug waren, die anderen für sich kämpfen zu lassen.

Also, im Amte Neuhaus gedenkt man der sogenannten Non-Profiteure. Und zwar mit den Worten Theodor Körners: "Vater, ich rufe dich, 's ist ja kein Kampf für die Güter der Erde. Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte: Drum fallend und siegend preis ich dich, Gott, dir ergeb' ich mich."

Fragten wir vorhin, ob Idiotie keine Grenzen kenne? Sie kennt keine. Körner beweist es: Die menschliche Dummheit ist unendlich. Schon das theologische Konstrukt ist fragwürdig. Oder spricht der blutrünstige Blödelbarde der "Befreiungskriege" den Franzosen ab, ebenfalls Gottes Schöpfung anzugehören? Was ist denn so heilig? Sich vom Joch der Franzosen zu befreien? Uns deucht, die Feudalherren, die das deutsche Volk vor Napoleons Einmarsch geschurigelt haben, wären um nichts zartfühlender mit diesem umgegangen.

Oder erschien es den Deutschen unerträglich, dass ihre Besatzer französisch sprachen? Oder diese den Besiegten gegenüber oft hochfahrend und arrogant auftraten? Moment! Höher als der Landgraf von Hessen, der seine Landeskinder an die englischen Fronten des amerikanischen Befreiungskrieges verscherbelt hat, um seine ewig klamme Kasse zu sanieren, konnten die Franzosen ihre Nasen auch nicht tragen. Das ist doch alles Unsinn.

Am Ende geht es natürlich nur um materielle Güter und wer über deren Verteilung bestimmen darf. Nichts sonst.

Die Toten juckt es nicht mehr, was auf den Steinen geschrieben steht, die man "ihnen zu Ehren" errichtet hat. Sie sind ja auch für die Lebenden errichtet worden. Den einen zum hilflosen Trost, den anderen, um sich daran hochzuschaukeln, zu berauschen und am Ende nach blutiger Rache zu brüllen.

Also sollten die Menschen namens ihrer eigenen Zukunft mit dem Unsinn aufräumen und neue Tafeln an den Kriegerdenkmälern anbringen: Gefallen für die Raffgier Weniger und aufgrund der Dummheit ganzer Völkerscharen!

Anmerkung: Wir wollen unsere Leser jedoch nicht desperat zurücklassen. Bei einer Reise durch die Elbauen erblickten wir das Kriegerdenkmal des Weilers Zweedorf. Auf diesem stand nüchtern geschrieben: Den Toten des I. und II. Weltkrieges. Also – die Hoffnung stirbt zuletzt!

24. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
28.09.2015