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Wie krank ist das Gesundheitswesen?
„patientia“ bedeutet „Geduld“, verlieren wir sie!

David M. Katz
"Kommt ein Mann zum Arzt ..." Und Sie denken, jetzt folgt einer dieser banalen Witze, die sich mit einer defizitären Gesundheit beschäftigen? Mitnichten! Was folgt, ist eine Bestandsaufnahme des Schreckens, das Resultat einer ökonomisierten Gesellschaft, die dem Leben des Einzelnen nur noch auf wertlosem Verfassungspapier eine zentrale Bedeutung beimisst. In der Praxis jedoch wird der Wert des Individuums lediglich noch nach seiner Leistungsfähigkeit, Profitabilität und seinem Potential zur wirtschaftlichen Ausbeutung gemessen.

Diese unselige Tendenz der westlichen Welt hat nun auch von dem Lebensbereich Besitz ergriffen, der dem Einzelnen der Nächstliegende sein sollte, folgt man der Prämisse, dass Gesundheit das Kostbarste ist, was dem Menschen zu eigen ist.

Die Rede ist vom Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland: hochtechnisiert, hoch ökonomisiert, zum größten Teil entseelt. Diese industrialisierte Medizin, die den Leidenden zu einem biologischen T-Mobil auf den Fließbändern des Henry Ford degradiert, kennt den Namen ihrer okzidentalen Väter Hippokrates und Paracelsus nicht mehr.

Der moderne Eid des Hippokrates könnte beispielsweise lauten:

„Ich schwöre, dass ich allzeit darauf achte, dass ich zum Schaden der Krankenkassen und zum Nutzen des mich alimentierenden Hauses das Kontingent meiner budgetierten Diagnostika ausschöpfen werde, ob das für den mir anvertrauten Patienten sinnvoll ist, oder nicht.

Ich schwöre, dass ich keine Patientenakte sorgfältig lesen und die darin erhaltenen Hinweise keineswegs gründlich beachten werde. Eine gewissenhafte Anamnese sei mir fremd.

Für eine Zuwendung zum kranken Menschen fehle mir die Zeit. Und es seien alle Götter davor, dass ich diesen Menschen als einen erwachsenen, mündigen Zeitgenossen betrachte, mit dem ich gemeinsam eine saubere Anzeigenstellung und eine auf sein Leiden zugeschnittene Therapie erarbeite, die diesem und nicht den wirtschaftlichen Vorgaben meines Hauses diene.

Allezeit will ich brav und stupide die Behandlungsrichtlinien für alle möglichen Krankheitsbilder auswendig lernen, wie der Muselmann den Koran, sie nicht nach etwaiger Sinnhaftigkeit, hinterfragen, sondern deren Vorgaben beim entmündigten Patienten mit unglaublicher Arroganz zur Anwendung bringen. Und wenn der arme Tropf nicht spurt, sondern am Ende zu widersprechen wagt, will ich ihm zeigen, wer hier das Sagen hat.

Ich schwöre, dass ich an den Strippen der allmächtigen Pharmakonzerne herumzappeln will, wie die das wollen und mich jederzeit dankbar für alle Gratifikationen erweisen werde, seien es Fortbildungsreisen oder kleine Präsente, die mir von den Pharmariesen offeriert werden.

Ich schwöre, dass ich, wenn ich mich denn wirklich mal zu ein paar Worten zum Patienten gnädig herablassen sollte, allein reden werde, – ganz egal, was für einen Unsinn ich von mir gebe – und er wird schweigen! Denn ich habe studiert und ein Stethoskop um den Hals und einen Reflexhammer in der Kitteltasche, Insignien meiner nicht zu hinterfragenden Macht!

Und – bei allen Götter – ich schwöre bei Hermes, dem verlogenen Hund, alle meine Kreativität aufzubieten und zu lügen, dass sich die Balken biegen, wenn ich mit meinem Pfusch, genannt Kunstfehler, wieder einen armen Teufel verkrüppelt oder gar unter die Erde gebracht habe und nicht verhindern konnte, dass sich ein Staatsanwalt der Sache annimmt.

Ich schwöre, mir allein zu dienen und nicht dem Patienten, meinen Status treu und ehrlich und selbstbezogen zu schützen und aufzuwerten – heute und immerdar.“

Die Krankenhäuser haben längst vor diesem ökonomischen Paradigma der Gesellschaft und dem sich daraus ergebenden Druck kapituliert. Es ist der makaberste Hohn, in solchen Stätten, die der Heilung gewidmet sein sollten, allerorten zu verkünden, dass es sich um ein Exzellenz-Krankenhaus handele, dass man im Ranking des nationalen Qualitätssicherungsmanagements einen vorderen Platz belege und man im Übrigen ein anerkanntes Ausbildungsklinikum irgendeiner Universität sei.

Wobei man die Studenten der Medizin weder hier noch dort im Zeit und Ressourcen fressenden Fach „Herzensbildung“ unterrichtet.

Natürlich verstehen wir die Ärzte, die aufrichtig bemüht um das Wohl ihrer Patienten, von diesen in querulatorische und dusslige Diskussionen verwickelt werden, die tatsächlich kostbare Zeit vernichten, zumal eine Vielzahl der Laien ihr gefährliches Halbwissen aus dubiosen Quellen bezieht. Das aber rechtfertigt keine Pauschalisierung.

Gnade Gott den Unwissenden, Kraft- und Wehrlosen, die den selbsternannten Priestern der Heilkunst auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind! Für sie kommt ein glücklicher Ausgang eines Krankenhausaufenthalts einem Lotteriegewinn gleich.

Das moderne Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland ist ein exaktes Abbild der gegenwärtigen Gesellschaft: kalt und verlogen einen Wert des Menschen plakatierend, der sich nirgends in der gelebten Wirklichkeit abbildet.

Aber es ist auch ein wunderbares Beispiel einer ausgleichenden göttlichen Gerechtigkeit! Jede Gesellschaft hat eben das Gesundheitswesen, das sie exakt verdient. Ein humanes „Leitbild“, wie es an der Wand der Empfangshalle des Walther-Ausländer-Fügels eines bekannten deutschen Krankenhauses geschrieben steht: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“, ist in nun mal einem Volke, dass fanatisch um das Goldene Kalb tanzt, gänzlich unangemessen.

Statt des erwähnten Zitats sollte ein ehrlicheres Substitut den Goethe'schen Imperativ ersetzen. Wir schlagen Dante vor: „Wer hier eintritt, der lasse alle Hoffnung fahren!“
Doch das ist dummes Wunschdenken. Ehrlichkeit ist ein antiquierter Wert, der in der Welt des Mammon bestenfalls noch etwas im Handschlag hanseatischer Kaufherren zu suchen hatte. Lange her. Begraben und vergessen ...

In diesem Sinne, fernab davon, dem gequälten Volk soviel Verstand und Willenskraft zuzutrauen, als für einen Paradigmenwechsel zu seinem Wohle nötig wäre, bedenken wir unsere geschätzten Leser mit dem alten jiddischen Gruße: Baibt gesint! Und: Maseltov!

 

Es ist dies der 1.500ste Beitrag des Preußischen Landboten.

24. Volumen
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22.07.2015