Monsieur Le President, démissionnez vous!
Bundespräsident Wulff soll die Presse bedroht
haben
J.- F. S. Lemarcou
Nun muss er gehen! Der deutsche Bundespräsident Wulff soll versucht
haben, das deutsche Boulevard-Blatt BILD unter Druck zu setzen, als
ihm zur Kenntnis gelangte, dass BILD seine Kreditgeschichte zu thematisieren
plante. Ein Telephongespräch, aufgezeichnet von einem Anrufbeantworter,
das sieht wasserdicht aus. Nun sprechen schon mehrere Gründe für einen
baldigen Rücktritt des Präsidenten. Erstens: Wenn es wahr ist, dann
ist es eine Ungeheuerlichkeit, wenn sich ein zur Neutralität und zum
Schutz des Grundgesetzes verpflichteter Präsident dazu hinreißen lässt,
im Eigeninteresse die ehernen Grundpfeiler der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung mit Füßen zu treten und Presseleuten zu drohen. Zweitens:
Tat er das, dann hat er sich selbst als Lügner entlarvt, denn nur zehn
Tage später hielt er eine Rede in Bellevue, in welcher er die freie
Presse als hohes Rechtsgut bezeichnet. Während er dieses spricht, versucht
er eine freie Presse zu behindern? Das geht nicht schlüssig zusammen.
Drittens: Das Bundespräsidialamt fordert von seinem Inhaber ein Mindestmaß
an Intelligenz, persönlicher Integrität, Selbstbeherrschung und Ausgeglichenheit.
Dieses alles aber ist erkennbar unterschritten, wenn Christian Wulff
eine solche verbale und politische Entgleisung einem Aufzeichnungsgerät,
nichts anderes ist ein Anrufbeantworter, anvertraut. Wie dusselig kann
man denn sein? Schon diese Torheit rechtfertigt eine Entfernung aus
diesem Amt. Auch wenn es nicht rechtens ist – machen kann man alles.
Man darf nur eines nicht: sich erwischen lassen! Und Christian Wulff
hat sich erwischen lassen, und das auf eine so plumpe, naive und unüberlegte
Art. Das höchste Amt im Staate verträgt keine Selbststeller. Viertens:
Der deutsche Volksmund sagt, nur getroffene Hunde würden bellen. Fühlte
sich der Bundespräsident getroffen? War er über Gebühr dünnhäutig? Denn
natürlich versteht man, dass an einem Manne, nach dem mit Dreck geworfen
wurde, immer etwas Schmutz hängen bleibt, er möge denn so unschuldig
gewesen sein, wie ein neugeborenes Kind. Deshalb wollen wir mit diesem
Punkt sensibel umgehen. Dennoch – einige Indizien sprechen dafür, dass
Christian Wulff von einer Frau einen halben Millionenkredit eingeräumt
bekommt, die nach vorliegenden Informationen das Geld eigentlich nur
von ihrem Ehemann, dem Industriellen, erhalten haben konnte. Somit diente
sie offensichtlich als Strohfrau für eine Transaktion, die Wulff schon
damals zweifelhaft eingeschätzt haben musste. Denn sonst braucht man
keine Strohfrau.
Das alles ist sehr irritierend. Nun ist uns schmerzlich bewusst, dass
der zweite Rücktritt eines Präsidenten, und das zu allem Übel auch noch
in Folge, für die ohnehin schwer angeschlagene Bundesregierung ein furchtbarer
Schlag ist, vielleicht sogar der Fangschuss. Gerade in den Zeiten der
paneuropäischen Krise, welche den Globus in den Abgrund zu reißen droht,
ist eine weitere Destabilisierung des Kabinetts und eine Schwächung
der Kanzlerin fatal. Wulff wird das wissen und man mag es ihm zu Ehren
halten, dass sich unter Umständen auch daraus eine der Motivationen
seines sich Windens und sich Schlängelns speist. Doch nun sollte man
ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorziehen. Denn mit
diesem zähen Kleben am Amt wird das Amt nicht minder beschädigt. Die
ganze Welt sieht mittlerweile scharf hin. Reputation lässt sich nur
zurückgewinnen, wenn man jetzt einen ehrlichen und harten Schnitt setzt.
Ach, hätte die Bundesversammlung doch damals nur dem durch und durch
unbelasteten Joachim Gauck ihre Stimme gegeben! Aber alles Jammern ist
vergebens. Doch man könnte dem ostdeutschen Pastor und Dissidenten eine
zweite Chance einräumen. Frau Merkel muss handeln, wenn sie nicht als
die tragischste Figur an der politischen Spitze Deutschlands im Gedächtnis
der Menschen bleiben möchte. Sie, die so viel getan und so viel erreicht
hat – kein Guthaben aus diesen Mühen wird ihr bleiben, wenn sie als
die Kanzlerin mit dem unglücklichsten Händchen für die Personalauswahl
in die Geschichtsbücher eingeht. Das Schlimmste aber ist, die Affäre
Wulff wird Frau Merkels Autorität auch auf internationalem und europäischem
Parkett massiv einbrechen lassen. Und das bedeutet für das noch starke
Deutschland nichts Gutes. Wir sprechen von dem Deutschland, das die
Einigung Europas maßgeblich vorantreibt, dem Deutschland, dem Christian
Wulff präsidiert und dessen Rechte er zu schützen geschworen hat!