Boten des Untergangs
Wie die Deutschen das tägliche Brot
mit Füßen treten
Michael L. Hübner
Was Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner beklagt, das lohnt des näheren
Hinhörens. Das Volk werfe in einer aberwitzigen Größenordnung Lebensmittel
weg, weil dessen Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht sein. Das Volk ist
doof. Das ist bekannt. Aber dass es so abgrundtief dämlich ist, zu meinen,
das Lebensmittel wäre einen Tag nach Ablauf dieses Datums gesundheitsgefährdend
verdorben, das ist schon dekadent schwachsinnig. Zumal einem vor diesem
Hintergrund die Negerkinder der Sahelzone mit ihren vor Hunger aufgeblähten
Bäuchen nicht aus dem Sinn gehen. Die sind zu schwach, sich die Fliegen
aus den Augen zu wischen. Was sich ebenfalls aufdrängt, ist die Erinnerung
an Vineta, die sagenhafte Stadt an den Gestaden der Ostsee. Vineta,
das durch seine Handelsbeziehungen zu sagenhaftem Reichtum kam, sei,
so die Sage, so gottlos degeneriert, dass seine Bürger die eigenen Schweine
aus goldenen Trögen hätten fressen lassen und mit Brot die Straßen pflasterten.
Ersteres mutet spleenig an, ist aber für sich genommen noch kein Verbrechen.
Letzteres aber ist eine verfluchte Todsünde, infolge derer die von Gott
mittels einer alles ersäufenden Sturmflut verhängte Strafe als folgerichtig,
logisch und angemessen erscheint. Nun weiß man, dass sich hinter Vineta
die wikingesche Handelsmetropole Jumne verbirgt, die in direkter Konkurrenz
zu Haithabu, Nowgorod und Birka stand. Insofern lässt sich der Untergang
der einstigen Stadt sehr wohl mittelbar in einen Zusammenhang mit ihrem
Reichtum stellen, auch wenn Gottes Strafgericht nicht in Gestalt einer
Manndränke sondern Harald Blauzahns über die Bürger kam.
Die Lehre aber, die in der Volksüberlieferung enthalten ist, beinhaltet
eine zeitlose Gültigkeit. Und sie beinhaltet eine Warnung: Reichtum
macht träge und birgt die Gefahr, den Sinn für die Realität zu verlieren.
Wer dem Umstand geschuldet, dass sich die Werte des eigenen IQ im Bereich
des Gefrierpunktes bewegen, Lebensmittel ohne Not wegwirft, der versündigt
sich nicht nur an der Kreatur, die ihr einziges Leben lassen musste,
um ein paar retardierte Nackte Affen zu sättigen, er versündigt sich
auch an den Mitmenschen, die gar nichts haben und einer solchen Handlungsweise
mit nicht anders anderem als mit wütendem Hass und Unverständnis begegnen
können. Warum wirft man diese Lebensmittel in den Mülleimer, statt sie
beispielsweise der Tafel, oder dem nächstgelegenen Obdachlosenasyl zur
Verfügung zu stellen? Weil man nicht nur dumm ist, sonder – die Kombination
ist häufig anzutreffen – auch noch stinkend faul. Der Schritt zum Müllkasten
ist bequemer als die Fahrt zur Caritas. Außerdem kostet letztere ja
Geld! In welchem Umfang die weggeworfenen Lebensmittel zu Buche schlagen,
ist in den Erwägungen dieser Schwachköpfe völlig nebensächlich. „Unser
täglich Brot gib uns heute...“ flehten die Alten im vollen Bewusstsein
bezüglich des Sinns ihrer Worte einst im berühmtesten Gebet aller Zeiten.
Ilse Aigner stellte im übertragenen Sinne fest, dass man diese Stelle
des Vaterunsers bei vielen Deutschen getrost um die Zeile erweitern
könnte: „... damit wir es sinnlos vernichten können!“ Es ist aber eine
Erfahrung aus der Geschichte, dass der Allmächtige Vater Israels diejenigen
verwirft, die seine Gaben achtlos verwerfen. Warum wir aber mit dem
deutschen Volk so hart ins Gericht gehen und diese Menschen als dumm
beschimpfen? Weil es erst 67 Jahre her ist, dass die Deutschen nach
dem letzten Kriege den Kitt aus den Fenstern fraßen um zu überleben.
Wer vor einem solchen Erfahrungshorizont leichtfertigen Umgang mit Lebensmitteln
treibt, ist nicht nur dumm, er ist kriminell dämlich. Und er spricht
sich selbst die Berechtigung zur eigenen Existenz ab. Amen!