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Mit rotem Pfeffer gewürzt
Mitgliederversammlung der Linken brachte harten Schlagabtausch


Alfredo Förster

Michael L. Hübner
Auch wer den Linken der Havelstadt nicht wohl gesonnen sein sollte – eines muss er ihnen lassen: Dröge Mitgliederversammlungen mit gähnend schleppendem Verlauf sind ihre Sache nicht. Zumindest am 29.10, als die Linken im TGZ ihren "kommunalen Parteitag" abhielten, wurde nicht mit dem Florett gefochten. Nach dem Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden Renè Kretzschmar griff man zu den schweren Säbeln. Wie ein Schatten lag das für die Tiefroten desaströse Abschneiden bei den letzten OB-wahlen über der Versammlung, so dass sich kein Redner auch nur ansatzweise die Mühe gab, das Desaster schön zu färben. Man nannte Roß und Reiter beim Namen – allerdings bei verschiedenen...– je nach Rhetor. Die von der Bevölkerung bereits wahrgenommene tiefe Spaltung in der Führungsetage der Stadtlinken konnte nicht überwunden werden. Zwar ließ der Rechenschaftsbericht Kretzschmars noch durchblicken, dass die im Stadtbild deutlich wahrnehmbaren Erfolge der Oberbürgermeisterin deren Wiederwahl in dem Maße zuträglich waren, wie das Defizit an eigenen, konkret umrissenen Themata und die von beiden Seiten mit schier unüberbrückbaren Animositäten behaftete Beziehung zur SPD Norbert Langerwischs und Dirk Stiegers den eigenen Auftritt belasteten. Der nachfolgende Appell aber, personelle Befindlichkeiten nicht mehr in der Öffentlichkeit auszutragen, verhallte spätestens mit der Replik eines übelgelaunten OB-Kandidaten Alfredo Förster, der seinen Kämpen erbittert ins Stammbuch schrieb, man hätte ihn zwar nominiert, dann aber im Regen stehen gelassen. Die Anregung seines Vorredners, in Reaktion auf die mangelnde inhaltliche Präsenz der Linken mit der Bildung von schwerpunktbezogenen Arbeitsgruppen zu reagieren, die auch mal einen Ausschusstermin verpassen könnten, wies Förster vehement zurück. Für ihn genießt die Fraktionsarbeit das eindeutige Primat vor parteiinterner Projektarbeit, da erstere die einzig sichtbare Transmission zu den Bürgerinteressen verkörpere. Seine deprimierte Schlussfolgerung, Brandenburg an der Havel sei nicht bereit für einen linken OB, konterte Lutz Krakau in der nachfolgenden Wortmeldung, Brandenburg sei nicht bereit für einen OB Förster. Einmal in Fahrt, keilte der Wahlkampfkoordinator gleich weiter aus. Vielleicht von der in Richtung einiger Parteisoldaten abzielenden Äußerung Försters auf den Schlips getreten, Wahlkampfzeiten eigneten sich schlecht für Urlaubszeiten, warf er seinerseits dem Fraktionschef gallig vor, nicht ein einziges Mal das Wort "wir", sondern immer nur "ihr" verwendet zu haben. Und wer sei es denn gewesen, der es – wenn auch berufsbedingt – an Präsenz in Brandenburg an der Havel hätte missen lassen! Mit eingelegter Lanze setzte Krakau nach und mahnte bezüglich dieses Persönlichkeitsdefizites noch "Klärungsbedarf für die Zukunft" an. Auch der Umstand, dass Förster vom Rechenschaftsbericht erstmalig auf der Mitgliederversammlung Kenntnis erhalten hatte, veranschaulichte den tiefen Graben, der die Stadtführung der Linken teilt. Wer also meinte, die Linken hätten sich zusammengefunden, um ihre Wunden zu lecken, irrte gewaltig. Sie bissen um sich und verbannten, bis auf einen ausgeglichenen und überlegten Andreas Martin, versöhnliche Konzilianz aus dem Tagungssaal. Einen kleinen Grund zur Freude vermeldeten sie dennoch: In der Wahl zum Kreisvorsitzenden präsentierte sich René Kretzschmar erstmals ein Gegenkandidat, was eine echte demokratische Abstimmung ermöglichte. Um einem etwaigen Führungswechsel jedoch von vornherein die Luft aus dem Reifen zu lassen, sprach sich der ans Rednerpult geeilte Lutz Krakau noch einmal deutlich für den amtierenden Vorsitzenden aus, der sich, da er seine Studien nunmehr beendet habe, nun wieder völlig der linken Tagespolitik widmen könne. Dem Herausforderer Chris Kühnel wurde als Trost- und Bewährungspflaster ein Sitz im Vorstand angetragen. Dass aber auch für den alten und neuen Matadoren Kretzschmar der Logenplatz nicht mehr unangefochten zur Verfügung steht, unterstrichen die etwa 30% der Stimmen, die Kühnel von den 66 Anwesenden auf sich vereinen konnte. Alles in allem wurde die dringliche Frage, ob Kontinuität oder Marschrichtungswechsel die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Oppositionsbank seien, nicht schlüssig, dafür aber kontrovers beantwortet. Förster selbst gab seinen Vorstandssitz zwar auf, bekundete aber, auf sein SVV-Mandat und den Fraktionsvorsitz weiterhin nicht verzichten zu wollen. Einen tragikomischen Kontrapunkt erfuhr die Mitgliederversammlung, als anläßlich des Urnengangs zur Wahl des Kreisvorsitzenden in den Saal hinein gerufen wurde: Jeder nur ein Kreuz! Ein Schelm, wer da an Monty Python denkt!

21. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
13.12.2011