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Im Kreml nichts Neues
Zar Wladimir lässt für den Westen die Puppen tanzen

Kotofeij K. Bajun
Russland hat wieder einen neuen Herrscher! Wirklich? Nein, nicht doch...! Es ist Zar Wladimir, der Dynast, der Ewige gleich nach dem orthodoxen Gott, der die Demokratie zu einem Kasperletheater verkommen lässt. Europa und Amerika stöhnen – aber sie fügen sich.
Aber ist das so schlimm? Russland ist mit den Maßstäben westlicher Demokratie nicht zu fassen und vor allem – nicht zu regieren. Es ist völlig wurscht, welches Mäntelchen sich die Zaren umhängen und welche Attitüde sie plakativ vor sich her tragen. Es mag aus Zobel gewirkt sein oder aus Uniformtuch oder aus feinem Zwirn. Es ist völlig wurscht, unter welchem Staatssymbol im Kreml geherrscht wird, einem Doppelkopfadler, einem roten Stern auf dem Erlöser-Turm oder einem noch unsichtbaren Onkel Dagobert Duck: Die Rigide bleibt immer dieselbe. Im Kreml sitzt der Zar, der ist umgeben von seinen Bojaren und im Dreck suhlt sich das Volk, welches den Zaren anzubeten und im übrigen auf ein besseres Jenseits zu hoffen hat. Der Rest ist ein mehr oder weniger witziges Possenspiel, das einzig und allein dazu geschaffen wurde, dem Plebs des immer noch reichen Europas und den Amerikanern etwas zu bieten, was die verwöhnten Seelen streichelt. Ach, ihr Demokraten – ihr versteht die Seele Mütterchen Russlands nicht!
Man muss Putin dankbar sein – er bringt das Wesen der Macht auf den Punkt und jeder, der in dieser Welt zu Hause ist, kann lernen wie aus einem offenen Buch. Erst KGB-Agent, vereidigt, die Werte des Kommunismus zu schützen, beerbte er Jelzin und versenkte die Ideen der großen Menschheitsutopie gleich neben der auf dem Meeresgrund am Nordpol platzierten russischen Fahne. Mit seiner Sockenpuppe Dmitri Medwedjew spielt er lustige Rochaden, vor und zurück, hin und her, ganz wie's beliebt. Wobei es als ein Treppenwitz der Geschichte anmutet, dass der Name von Putins Urmel aus dem Eis ausgerechnet Medwedjew lautet. Das könnte auch glatt das bestgewählte Pseudonym sein, denn „Medwed“ bedeutet im Russischen Bär. Und so drängt sich unwillkürlich die Assoziation auf, Zar Wladimir spiele fürs Volk mit dessen Nationaltierchen, sinnbildlich gesehen also mit einem Symbol Russlands – also mit Russland selbst. Nun gut, das mag jetzt etwas weit hergeholt klingen – aber lustig ist es doch. Und wie sieht es jenseits der Kremlmauern aus? Moskau explodiert nachgerade unter dem Einfluss des neoliberalen Turbokapitalismus. Zar Josef der Schreckliche hätte sich verwundert die Augen gerieben. Aber ansonsten bleibt alles beim Alten: Die Reichen wissen nicht mehr, womit sie ihr Geld verplempern sollen und die Bettler verhungern im Schatten des Prunks. Oh ewiges Russland!
Doch daran können wir nichts ändern. Was uns also vielmehr interessiert, ist: Wie reagieren unsere Regierungen auf den Moskauer Mummenschanz? Na wie schon? Sie nicken ihn ab, sie arrangieren sich. Was anderes sollten sie auch tun? Aber das ist das Erbärmliche. Das ist das Rückgratlose, das den fetten Wohlstandsnationen anhaftet. Da gibt es eine Erdgasleitung, die vom Reiche des Bären nach Deutschland führt. Die bestimmt, wie wir die pseudodemokratische Farce in Moskau bewerten. Und von Ferne hören wir das höhnische Gelächter Altkanzler Gerhard Schröders. Das ist auch so einer, der einst in einer Arbeiterpartei angetreten ist, um den Armen dieser Nation zu ihren Rechten zu verhelfen. Jetzt vertritt er hochbezahlt die Interessen von Gazprom. Eine Putin'sche Karriere gewissermaßen. Zar Wladimirs deutscher Ableger gewissermaßen. Was Putin für Russland und die Welt getan hat, das hat Schröder für Deutschland geleistet: Er hat uns den Glauben an unsere Märchen genommen, er hat uns desillusioniert, er hat uns wach gemacht. Bolschoje spasibo dlja etowo! Vielen Dank dafür!

21. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
11.03.2012