Staffelübergabe auf dem Görden
Medizinalrat Dr. Eckard Marg im Porträt
Chefarzt MR. Dr. med Eckard Marg
Michael L. Hübner
Vor fünf Jahren bereits hätte sich Chefarzt MR Dr. Eckard Marg pensionieren
lassen können. Tat er aber nicht. Statt dessen arbeitete er noch bis
Mitte März 2012 im normalen ärztlichen Bereitschaftsdienst seiner Klinik
mit, obgleich das Aufgabenspektrum eines Klinikchefs und Ärztlichen
Direktors weitaus mehr vom Inhaber dieser Dienststellungen verlangt,
als von den Assistenten und den Oberärzten. Doch der gebürtige Stettiner
bezeugte hanseatische Pflichterfüllung sowohl im ärztlichen als auch
im administrativen Bereich. Anfang April aber ist es soweit: Das Asklepios-Klinikum
Brandenburg-Görden gewährt seinem dienstältesten und zweifelsohne einem
seiner verdientesten Chefärzte den ehrenvollen Abschied in den Ruhestand.
Die erfolgreiche Laufbahn begann, als Eckard Marg, der mit seiner Familie
kriegsbedingt nach Eberswalde umgezogen war, in der Barnim-Stadt das
Abitur ablegte. Das Studium der Medizin nahm er an der Humboldt-Universität
auf, wo er noch Samuel Mitja Rapoport, Anton Waldeyer, Otto Prokop und
Johannes Staudt hörte, große Persönlichkeiten allesamt, die den Studenten
Eckard Marg nachhaltig prägten. Nach den Staatsexamen nahm Dr. Marg
in Neuruppin eine Assistentenstelle an. Dort bereits arbeitete und veröffentlichte
er, was zu diesem Zeitpunkt für einen jungen Stationsarzt nicht eben
zum Alltag gehörte, wissenschaftlich. Da seine Frau aber in Berlin als
Ärztin tätig war, zog es ihn ebenfalls zurück in die Hauptstadt. Eine
Stelle als zivilangestellter Arzt im VP-Krankenhaus in der Scharnhorststraße
und etwas später an der Charité gaben ihm die Möglichkeit, sich in seinem
Fachgebiet Neurologie/Psychiatrie intensiv zu profilieren. 1973 legte
Dr. Marg die Facharztprüfung ab und traf drei Jahre später während eines
Symposiums in Frankfurt (Oder) den damaligen Ärztlichen Direktor der
Bezirksnervenklinik Brandenburg-Görden, Dr. Siegfried Schirmer. Dieser
fungierte auch als Chefredakteur des Fachblattes der Neurologen und
Psychiater in der DDR und war bereits auf den schon in jungen Jahren
ausgewiesenen Kollegen aufmerksam geworden. Dr. Marg, noch unschlüssig,
ober er in Richtung Forensik oder klinische Neurologie weitergehen solle,
bekam von Dr. Schirmer ein unwiderstehliches Angebot: einen neurologischen
Chefarztposten in Brandenburg. Ohne je Parteimitglied gewesen zu sein,
was für viele Chefärzte damals unabdingbar gewesen war, ohne je Oberarzt
gewesen zu sein, sprang der junge Dr. Marg gleichsam ins kalte Wasser.
Er übernahm 1976 die neurologische Klinik und seit 1995 die ärztliche
Direktion des gesamten Hauses. Unter Dr. Margs Leitung bekam das Klinikum
als erste nichtuniversitäre Gesundheitseinrichtung in der DDR einen
Computertomographen – eine Sensation in dieser Zeit und Bestätigung
eines hervorragenden fachlichen Rufes des Hauses. Der Chefarzt sorgte
trotz notorisch klammer Kassen für den Einbau von Aufzügen zum schonenderen
Transport von Patienten, später kamen im Rahmen der Umbaumaßnahmen im
Klinikbereich noch Untertunnelungen des Geländes zur Gewährleistung
eines wetterunabhängigen Patiententransportes hinzu. Chefarzt Dr. Marg
war es auch, der Mitte der Neunziger Jahre den Anstoß zu einer schonungslosen
und objektiven Aufklärung der dunklen Geschichte des Klinikums während
der Jahre der nationalsozialistischen Terrorherrschaft gab und damit
dem Haus den aufrechten Weg in eine unbelastete Zukunft ebnete. Unter
seiner Rigide wurde das Asklepios-Klinikum zum akademischen Lehrkrankenhaus
der Charité erhoben, das mit seiner zertifizierten Stroke-Unit zur Behandlung
frischer Hirninfarkte und seinem ebenfalls zertifizierten Zentrum für
Erkrankungen des Muskelapparates längst wieder seine traditionell überregionalen
Bedeutung erlangt hat. Überhaupt ist auf dem Görden die größte Neurologie
des Landes Brandenburg angesiedelt. All diese Leistungen verlangten
über die Jahre echten Sportsgeist. Den hat er, der Halbmarathon-Läufer
Eckard Marg. Und es ist noch etwas Besonderes an ihm: Sherlock Holmes
beschied seinen Dr. Watson einst, die Kunst des wahren Künstlers bestünde
darin, zu wissen, wann man aufhören muss. Insofern ist der Arzt Dr.
Marg nicht nur in fachlicher Hinsicht ein Künstler. Mit Erreichen seines
Ruhestandes kehrt er der Medizin, der er ein Leben lang die Treue gehalten
hat, den Rücken. Konsequent. An der Freien Universität wird er sich
bei den Philosophen einschreiben. Das passt zu einem Mann, der das Format
hat, ein Schüler Marc Aurels zu sein. Ob noch mal ein Magister dabei
herauskommt, oder gar ein zweiter Doktor? Der Chefarzt lächelt. Wer
weiß...? Ins Auge gefasst hat er dieses Ziel ganz gewiss. Er ist ein
Mann, der sich dem steten, dem lebenslangen Lernen verschrieben hat.
Das war auch einer der Gründe, warum er bis zum Schluss, selbst als
ärztlicher Direktor noch, unverdrossen am Krankenbett gearbeitet hat.
Immer die Hand am Puls des Geschehens und nicht stehenbleiben – selbst
wenn eine neue Lebensetappe radikal die Richtung ändert. Den Staffelstab
aufzunehmen, den dieser Chefarzt Dr. Marg mit seinen siebzig Jahren
weiterreicht, ihn aufzunehmen und mit derselben Bravour weiterzutragen,
ist eine ehrenvolle Herausforderung für jeden Kollegen, dem künftig
die ärztliche Leitung einer so renommierten Klinik anvertraut ist.