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Schiffbau in Brandenburg
vor 145 Jahren gründete Carl Wiemann seine erste Firma


Herbert Stahlberg (li) und Conrad Helmcke begrüßen die Ururenkelin Carl Wiemanns.

Michael L. Hübner
Als Carl Wiemann vor 145 Jahren, am 1. März 1867, in der Steinstraße 23 seine Schlosserei eröffnete und in der lokalen Presse seiner "verehrten Kundschaft anzeigte", dass er sich nunmehr "etabliert" habe, womit er seine Dienste vor allem dem Baugewerbe anempfahl, begann ein neues und bedeutsames Stück Brandenburger Industriegeschichte. Denn Carl Wiemann brachte es mit Fleiß und Fortune zum Patriarchen der späteren Wiemann-Werft am südlichen Havelufer, unweit der Langen Brücke. 350 Schiffe, darunter Dampfer, Fahrgastschiffe, Prahme, Schuten und Pontons verließen die Werfthallen und wurden nicht selten beim Stapellauf von den hunderten Brandenburgern begrüßt, die sich auf der Langen Brücke versammelt hatten. Was Wunder, dass die Stapelläufe bei Wiemann zum Stadtereignis wurden. Immerhin beschäftigte das aus einer Schlosserei hervorgegangene Familienunternehmen in seinen besten Zeiten weit über 500 Arbeiter und Ingenieure und gehörte dadurch zu den großen Arbeitgebern der Stadt. Weil sie insgesamt vier Prahme auf den Hellingen zu liegen hatte, welche für die Invasion Englands gedacht waren aber kriegsbedingt nie zum Einsatz kamen, stufte die Rote Armee nach ihrem Sieg über das Deutsche Reich Wiemann als Rüstungsbetrieb ein und enteignete kompromisslos. Seit 1947 firmierte der Betrieb dann als Volkswerft „Ernst Thälmann“ und stellte noch einmal etwa 350 Wasserfahrzeuge her, bis der Werftbetrieb 1963 eingestellt wurde. Den Brandenburgern unvergessen sind der legendäre „Aktivist“, die „Maxim-Gorki“, der Deutschland-Dampfer, der „Nordstern“, die „Lina Marie“ und der „Andreas“, der es, genau wie die Gebrüder Wiemann, bis in die Wikipedia geschafft hat. Man nahm sich seiner an und machte wieder eine kleine Wiemann-Preziose aus ihm. Doch jetzt ist eine fünfstellige Summe vonnöten, um seinen Dampfkessel wieder abnahmefähig aufzubauen. Kennern der Szene sind auch noch die Luxus-Fahrgastschiffe „Wintermärchen“ und „Columbus“ ein Begriff, die bis zu 1.000 (!) Passagiere aufnehmen konnten. Wiemann hatte einen Namen, der bis nach Paris hallte. So bestellte das französische Marineministerium bei Wiemann, dessen Unternehmen als die größte Werft für Binnenschiffe im Deutschen Reich galt. Der Ruhm Wiemanns speiste sich ebenfalls aus der Innovationsfreudigkeit des havelansässigen Schiffsbauers: An seinen Schiffen sah man zuerst die Kortdüse, einen Tunnel, der die Schiffsschraube umgibt und somit die hydrodynamische Schubleistung erhöht. Wiemann baute Schiffsschrauben mit auswechselbaren Propellern, die auch linksläufig angeschraubt werden konnten. Einige der Schiffe der Brandenburger Vorzeigewerft waren sogar seetüchtig. An diese große Vergangenheit erinnerten zum 145. Geburtstag der Firmengründung Wiemanns 32 Mitglieder und Gäste des Vereins Historischer Hafen um Conrad Helmcke im Deutschen Hof. Unter denen befanden sich sogar noch Brandenburger, die einst bei Wiemann gelernt hatten. Als Ehrengast konnten die Wiemann-Freunde die Ururenkelin des Firmengründers begrüßen, die heute als Lehrerin in Berlin arbeitet. Was Herbert Stahlberg, der den Festvortrag hielt, jedoch bedauernd anmerkte, ist der Umstand, dass nach Carl Wiemann noch keine einzige Brandenburger Straße benannt wurde. Er hätte es verdient.

21. Volumen
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14.03.2012