Tod aus dem braunen Sumpf
           Das fatale Versagen des Staates 
          im Kampf gegen braunen Terror
        Don M. Barbagrigia
          Man kennt sie noch, die berühmte Fotomontage John Heartfields. "Millionen 
          stehen hinter mir" benannte der Altmeister des politischen Fotojournalismus 
          sein Werk. Man sah Hitler von der Seite, die rechte Hand über die Schulter 
          zurückgebogen, wie er seine braune Anhängerschaft zu grüßen pflegte. 
          Hinter dem Führer stand ein gesichtsloser Großindustrieller, der in 
          die Hand des GröFaZ ein paar Tausend-Reichsmark-Scheine legt. Das Bild 
          titelte die AIZ vom Oktober 1932. Die Adolf-Hitler-Spende der deutschen 
          Industrie gab es zwar noch nicht offiziell – aber Heartfield wusste 
          schon sehr genau, wovon er sprach.
          Damals konnte sich die nationalsozialistische Idee auf breite Teile 
          der Industrie stützen, die in den zwanziger und dreißiger Jahren noch 
          durchaus national ausgerichtet war. Man versprach sich viel von den 
          militanten und revanchistischen Schreihälsen. Zunächst schienen sich 
          auch alle Hoffnungen zu erfüllen, die man seitens der deutschen Industriekapitäne 
          in die NSDAP investiert hatte. Fatal nur – dass der sichtbare wirtschaftliche 
          Aufschwung und die mit ihm verbundenen vollen Auftragsbücher komplett 
          auf Pump finanziert waren. Diese Gelder konnte man nur mit einem gewonnenen 
          Krieg wieder hereinholen. Die Lehren, an denen sich auch die deutsche 
          Industrie als Großfinanzier der Nazis die Nase blutig gestoßen hatte, 
          waren im Endeffekt teuer. Genau das aber ist das einzige Argument, welches
          die Wirtschaftsmagnaten verstehen.
          Siebzig Jahre danach hat sich die Welt gewandelt. Unter dem Druck des 
          Profitstrebens hat sich die Wirtschaft mit den technischen Möglichkeiten 
          der Neuzeit globalisiert. Sie kann und darf es sich nicht mehr leisten, 
          geistige Kleinkrämer und nationalistische Gartenzwerge zu fördern. Sie 
          würde sich denn ihr eigenes Grab schaufeln. Nationalökonomien sind weltweit 
          vernetzt. Löst man sie aus diesen Strukturen heraus, kollabieren sie 
          zwangsläufig. Wirtschaftsautarkien sind nicht mehr denkbar.
          Was wollen denn die nationalen Krakeeler tun, wenn der Betrieb, in dem 
          sie sich ihre Brötchen verdienen, von einem chinesischen Konsortium 
          aufgekauft wird? Leben sie ihren heraus gebrüllten deutschen Stolz, 
          kündigen und gehen sie dann erhobenen Hauptes in den Hungertod oder 
          setzen sie zu einem braunen Marsch auf Nanking an, um sich ihres fremdländischen 
          Ausbeuters zu entledigen?
          Das alles lässt uns nicht die akute Gefahr eines erneuten 30. Januar 
          1933 erkennen. Dass aber die deutschen Sicherheitsorgane der rechten 
          Gefahr gegenüber dermaßen nachlässig geworden sind, das ist nicht akzeptabel. 
          Neun Menschen, neun Mitbürger mussten diese unglaubliche Dienstauffassung 
          mit ihrem Leben bezahlen. Der Ruf Deutschlands litt wieder einmal schwer 
          in der Welt und viele Beobachter fühlen sich an die Zeit der schwachen 
          Weimarer Republik erinnert, die bekanntermaßen auf dem rechten Auge 
          blind war. Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist wieder einmal nachhaltig 
          zerstört, da sich dieser solchen ernsthaften Gegnern gegenüber als permanenter 
          Papiertiger erweist und nur dazu in der Lage scheint, Falschparker mit 
          bürgerlicher Existenz wirkungsmächtig in den Ruin zu treiben.
          Ein Parteiverbot der NPD halten auch wir jedoch nur unter dem Aspekt 
          für sinnvoll, dass damit der Neuauflage der NSDAP die finanziellen Grundlagen 
          seitens des Steuerzahlers entzogen würden. Man ändert die Leute nicht, 
          indem man sie in die Illegalität drängt. Es führt kein Weg um eine öffentliche 
          Auseinandersetzung herum. Los werden wird man sie nie, sowenig, wie 
          man Drogensüchtige oder Alkoholiker los wird. Das Problem eindämmen 
          aber ließe sich schon, zumal in einem Land, dessen Wohlstand den dumpfen, 
          auf nationale Verkapselung abzielenden Ideen dem Nationalsozialismus 
          den Nährboden entziehen sollte. Blinder Aktionismus als Reaktion auf 
          dieses Desaster ist ebenso unangebracht, wie es dieser unerträgliche 
          Dilettantismus der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden gewesen 
          ist.
          Das Terror-Trio, deren zwei Mitglieder nun selbst tot sind, hat den 
          Schrecken der norwegischen Insel Utøya nach Deutschland gebracht. Dass 
          es in Deutschland nicht so viele Tote gab, wird durch den Umstand weltöffentlichkeitswirksam 
          ausgeglichen, dass dieses Land eben die Heimat des völkermordenden Nationalsozialismus 
          ist. Umso größer die Verpflichtung, sich dem heimischen Terrorismus 
          mindestens im selben Maße zuzuwenden, wie man es seit dem 11. September 
          2001 mit dem islamistischen Terror hielt.
          Ob der deutsche Rechtsstaat auf dem rechten Auge wieder einmal blind 
          war, oder aber nicht sehen wollte – das Ergebnis bleibt dasselbe. Wobei, 
          weist man das Nicht-Sehen-Wollen schlüssig nach, dann darf es kein Pardon 
          mehr mit den Verantwortlichen geben. Denn dann hätten diese Leute sich 
          selbst durch ihre sträfliche Passivität oder Desorganisation in eine 
          der Demokratie diametral und feindlich gegenüberstehende Position manövriert.
          Das wichtigste aber scheint uns die unbedingte Investitionsbereitschaft 
          in die Bildung zu sein. Das Volk verblödet – vor allem die Jugend, welche 
          die Elterngeneration von morgen stellt. Sind die Eltern doof – was wollen 
          sie ihren Kindern vermitteln? Abwägendes und differenziertes Denken 
          auf Grund von Sachkenntnis? Wie denn? Dummen Menschen lässt sich alles 
          verkaufen. Je einfacher die Lösung, die ihnen offeriert wird, und je 
          mehr man ihnen verwirrende Hintergrundinformationen vorenthält, die 
          am Ende das ganze Konzept ins Wanken bringen könnten, desto besser. 
          Das ist das Paradies der radikalen Demagogen. Dem muss der Staat zunächst 
          das Wasser abgraben. Dann bleibt nur der harte Kern der Nationalsozialisten 
          übrig – der Tross der unentschlossenen Mitläufer aber versiegt. Diese 
          Programmatik sollte eine höhere Priorität genießen als die alberne Frage 
          V-Leute ja oder nein.
          Sechsundsechzig bzw. einundzwanzig Jahre nach Beendigung der letzten 
          deutschen Diktaturen geht’s den Deutschen zu gut. Sie werden demokratiemüde. 
          Eine unsäglich ehrvergessene und selbstsüchtige Politikergeneration 
          leistet dieser fatalen Entwicklung Vorschub. Mehr und mehr sehnen sich 
          die Leute wieder nach starken Persönlichkeiten, die den Augiasstall 
          angeblich ausmisten. Dafür sind sie solange bereit, auf ihre demokratischen 
          Freiheiten zu verzichten, bis sie ihnen tatsächlich abhanden gekommen 
          sind und sie sich nur noch mit politischen Flüsterwitzen zu helfen vermögen.
          Die Situation ist ernst – und wie man in Zwickau sah: brandgefährlich! 
          Entschlossenes und unnachgiebiges Vorgehen ist nun das Gebot der Stunde. 
          Ein erneutes Abgleiten in den politischen Radikalismus, vor allem in 
          jenen, der Deutschlands Namen über Generationen hinweg diskreditierte, 
          wäre das sichere Ende des Vaterlands!