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Der Weg des Sonnenseglers
Armin Schubert im Porträt

von Michael L. Hübner
Kunsterziehung in der DDR hatte etwas sehr Ambivalentes: Auf der einen Seite wurde ein profundes Bildungsangebot unterbreitet, auf der andern Seite aber war alles strikt ausgerichtet auf den einzig und ewig wahren Klassenstandpunkt. Was gelehrt wurde, bedurfte keines kritischen Hinterfragens. Es hatte gelernt zu werden – und zwar im Kollektiv. Bloß keine Individualität und schon gar keine Kreativität. Starke selbständige Persönlichkeiten waren nicht nachgefragt, sondern statt dessen funktionierende Rädchen im Getriebe. Das alles wollte dem studierten Pädagogen Armin Schubert noch nie so recht passen. Kinder sollten vielmehr ihren Kopf und ihre Hände, ihre ganze Individualität sinnvoll und einfallsreich gebrauchen können. Aber nicht nur in dieser Hinsicht klaffte zwischen der Realität und dem Anspruch der sozialistischen Idee für den 1941 im niederschlesischen Schweidnitz geborenen feinsinnigen und hochgebildeten Schubert immer eine unerträgliche Lücke. Als junger Grenzunteroffizier wollte er deshalb schon mit zwei Gefreiten in den Westen türmen, war schon „drüben“... Ein Gefreiter aber wollte seine Freundin nicht zurück lassen und zögerte. Schubert und dem anderen Kameraden war klar, dass der Zurückbleiber in Teufels Küche käme, wenn er sie nicht an der Flucht hinderte. Also kehrten sie alle drei um und blieben in der DDR. Beharrlich setzte Schubert dort seinen Wunsch durch Lehrer zu werden. Das war alles andere als einfach für einen, der schon als Jungpionier den Pionierausweis zurückgegeben hatte um konfirmiert zu werden. Aber auch die Institution Kirche vermochte ihn auf Dauer nicht zu fesseln. Schubert wollte mit den jungen Menschen arbeiten – nicht sie verwalten. Zunächst jedoch wurde ihm das Abitur verwehrt – den Vater hatte die SED zurückgewiesen. Damit galt die Sippe als politisch unzuverlässig. Pech für Armin. Über den Umweg Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF) klappte es dann aber doch. Lehrer für Deutsch, Geografie, Musik und vor allem Kunsterziehung wurde er. Sein unangepasster Geist aber, der jedem Zwang abhold war, machte ihn bei seiner Obrigkeit nicht eben beliebt. So stieß seine Idee, eine Jugendkunstschule in der Form der späteren Galerie Sonnensegel zu gründen, bei den Dogmatikern des Parteiapparates auf taube Ohren. Was Armin Schubert da vor hatte, sah nicht gerade nach Pionierrepublik aus. Und das reichte schon, um ihn zu behindern, wo es immer nur ging. Seit 1987 reifte der Wunsch nach einer nonkonformen Jugendkultur- und Bildungsstätte zum Konzept. Die SED-Kreisleitung reagierte mit einem Verbot. Was Schubert da im Schilde führte, war eine politisch undenkbare und staatsgefährdende Idee. Schubert aber wandte sich an viele namhafte Künstler in Ost und West, stellte seine Idee vor, warb um Unterstützung und – bekam sie. Christa Wolf, Barbara Henniger, Günter Grass, Vicco von Bülow und selbst Kommunisten wie Ingeborg Hunzinger solidarisierten sich mit der Jugendkunstschule, spendeten Bücher, Kunst und Sachmittel, Geld und vor allem immer wieder das Gewicht ihrer Persönlichkeiten. Zögerlich begann die SED-Führung im Kreis einzulenken. „Na ja, man könnte ja mal... Aber wenn, dann nur unter dem Dache und der Leitung des Pionierhauses! So und nicht anders.“ Worauf das hinauslief, bedurfte keiner Erläuterung. Nein, das wollten sie nun gerade nicht, die jungen Sonnensegler. Ingeborg Hunzinger war empört und gab trotzig gegen die eigenen Genossen das Geld für den Ankauf des Nachbarhauses der Alten Lateinschule am Gotthardtkirchplatz. Der heutige Theater-Vize Bernd Kessler ließ sich als juristische Person ins Grundbuch eintragen und dann konnte es los gehen. Die Wendezeit war angebrochen. Die Zeitungslandschaft durfte berichten – und jetzt nahm die Sache Fahrt auf. Bei den Abriss- und Entkernungsarbeiten halfen sogar NVA-Soldaten und LPG-Bauern. Ganz unproblematisch waren die Anfangsjahre, die in die Wendezeit hinein fielen, jedoch nicht – gerade in der unmittelbaren Vorwendezeit hatte die Stasi ein waches Auge auf die „feindlich-negativen Kräfte“. Zu spät. In dem Maße, in dem die DDR unterging, ging es mit der Galerie Sonnensegel bergauf. Allerdings wurde der junge Verein bald aus kommunaler Obhut in eine Freie Trägerschaft „entlassen“ und hatten sich fortan um seine Finanzierung selbst zu sorgen. Ein Kampf, oftmals wohl nicht minder fordernd als die Auseinandersetzung mit den ehemaligen Hartlinern der DDR. Heute hat sich die Galerie Sonnensegel, neben Schuberts beiden Töchtern wohl eines seiner „Lieblingskinder“, zu einer international anerkannten und renommierten Jugendkunstschule von Ruf gemausert. Wie weit der Ruf und die Kontakte reichen, zeigte der Weg einer der 30 Goldenen Tauben für Menschenrechte, eines Weltwanderpreises, wobei jede Taube einen Artikel der Menschenrechtskonvention verkörpert. Taube 19, die den Religions- und Gewissensfreiheitsartikel symbolisiert, kam ursprünglich aus Thailand und fand von Pfarrer Schorlemmer aus Wittenberg zu Schubert, der sie seinerseits in der Alhambra zu Granada an die Künstlerin Antje Wichtrey übergab. Wichtrey ihrerseits überreichte die Goldene Taube im letzten August Außenminister Steinmeier, der bei dieser Gelegenheit in der Kindergalerie Sonnensegel eine Ausstellung der deutsch-spanischen Künstlerin zum Thema Menschenrechte eröffnete. Man ist versucht zu sagen, hier schlösse sich der Kreis. Doch weit gefehlt. Obgleich der seit vielen Jahren glücklich verheiratete Schubert die Leitung „seiner“ Galerie inzwischen an Matthias Frohl weitergereicht hat, ist nicht damit zu rechnen, dass der kämpferische Diplom-Pädagoge und Bundesverdienstkreuzträger je aufhören wird, sich weiterhin als aktiver Sonnensegler und Spiritus Rector dieser Kinder- und Jugendkunstwerkstatt in der ältesten Lateinschule der Mark einzubringen. „Was immer Du tust, tue es mit Bedacht und bedenke das Ende“ lautet das berühmte mittelalterliche Graffiti aus dem Obergeschoss der Lateinschule. Das Ende aber ist bei Schubert und seinen Sonnenseglern noch lange nicht in Sicht.

14. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
31.03.2009