Ahmadinedschad und Ghaddafi
vor der UNO
deutsche und europäische
Delegationen verlassen unter Protest das Plenum
Don M. Barbagrigia
Das ist schlechter Stil – auch und gerade unter Diplomaten. Dass
Präsident Ahmadinedschad ganz sicher nicht zu der Riege der seriösen
Staatsoberhäupter zählt, wie auch sein Beduinen-Kollege Ghaddafi,
ist in der zivilisierten Welt kein Gegenstand der Diskussion. Dass jenes,
was diese Herren von sich geben, oftmals die Grenze zur kakophonen Logorrhoe
überschreitet, steht ebenfalls nicht zur Debatte. Desungeachtet
sollte man, wenn diese Leute ans Rednerpult treten, nicht zu Scharen
das Plenum verlassen.
Nicht vergessen darf man den kulturellen Hintergrund und die entsprechende
Prägung dieser Präsidenten, denen – ob uns das passt
oder nicht – Millionen und Abermillionen von Menschen folgen.
Eine solche Ignoranz bescherte der westlichen Hemisphäre bereits
am 11. September 2001 ein böses Erwachen. Von nichts kommt nichts.
Und leider muss sich das Abendland die Frage gefallen lassen, welche
unselige Vorarbeit es in seinem hegemonialen Streben während der
letzten drei Jahrhunderte in den Regionen geleistet hat, die jetzt so
heftig aufbegehren.
Schon diesem Umstand entwächst eine Verpflichtung zum Zuhören,
ja mehr noch, zum genauen Hinhören.
Man protestiert am besten, wenn man geschliffen und in der Sache unangreifbar
repliziert. Sich umzudrehen und zu gehen, fördert keinen Dialog:
Es bricht ihn ab.
Nun lehrte uns aber schon die Ostpolitik Willy Brandts, dass das beharrliche
Gespräch, gepaart mit einem geschickten und ausgewogenen ökonomischen
Zug und Druck, geeigneter ist, die Kräfte in einem Lande zu stärken,
die den eigenen Vorstellungen von der Welt nicht so unversöhnlich
gegenüberstehen und zu einem Ausgleich bereit sind.
Sicher wird dies auch hinter den Kulissen eifrig betrieben. Die martialischen
Gesten aber vor der UNO-Vollversammlung wenden sich an die Weltbevölkerung.
Hier kann man mit einer unbedachten Handlung einen gigantischen Scherbenhaufen
anrichten. Was wird den Al-Jazeera berichten? Werden hier nicht zwei
neue arabisch-persische Kämpfer geboren, nach denen die gequälte
arabische Seele so lechzt? Wird dem panarabischen Zuschauerkreis nicht
erneut das Bild der verstockten und gesprächsunwilligen Franken
vorgeführt, der raubgierigen Kreuzfahrer, die seit jeher nur eine
Wahrheit kannten – nämlich die ihrige? Haben diese Teufel
den Habenichtsen aus der Wüste nicht schon seit tausend Jahren
das letzte Hemd vom Leib gezogen und sie dann wie Hunde getreten? Dieses
Bild, das sicher nicht jeder Grundlage entbehrt, gilt es schrittweise
zu korrigieren. So, wie die Deutschen der Welt nach dem 2. Weltkrieg
gezeigt haben, dass sie noch etwas anderes können, als ganze Völker
umbringen und die Erde anzuzünden, so muss der Okzident dem Orient
jetzt beweisen, dass die alten Klischees überholt sind. Das macht
man nicht, indem man sich umdreht und geht, nur weil zwei wildgewordene
Irre verbal und mit Schaum vor dem Mund um sich belfern. Man muss nicht
Beifall klatschen – aber gehen, das ist unserer Ansicht nach von
allen verkehrten Antworten die verkehrteste.