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Prost, Wende!

Don Miquele Barbagrigia
„Don Miquele, wir schreiben das Jahr 2009 nach dem christlichen Kalender. Und alle quaken 'was über die Wende. Ich befürchte, da kommen wir nicht drumherum. Also lieber Don, pinseln Se auch mal 'n Artikel! Aber von Ihnen will ich 'was Originelleres hören, als dieses ewige weihevolle Freiheitsgedöns!“ Sprach's, machte auf dem Hacken kehrt und verschwand in seinem Offizium. Krach! Da war die Türe zu. So, lieber Don, nu schreib 'was!
Ja, die Wende, das ist also nun zwanzig Jahre her. Fünfundzwanzig war ich damals selbst. Wie war das also? Angst! Ja, ich erinnere mich an Angst. Sie waren jahrelang fanatisch erzogen worden, diese salbadernden Kommunisten. Und vor allem die uniformierten. „Schild und Schwert der Partei“, wie sich das Ministerium für Staatssicherheit selbst nannte. „Erichs Rote Teufel“ - die Fallschirmjäger. Volkspolizei und NVA – sie waren alle nervös und kein Aas konnte sagen, was in der nächsten Minute passiert.
In Berlin rumorte es. Die Leute waren buchstäblich aus dem Häuschen. Runde Tische wurden modernes Mobiliar. Neue Foren gründeten sich und 90er Bündnisse und es wurden faire und freie Wahlen gefordert.
Aber waren es diese Devisen, die das Volk auf die Straßen brachte, oder waren auch andere „Devisen“ gemeint? Solche mit der Unterschrift des Bundesbankpräsidenten darauf, mit denen man im Intershop einkaufen konnte...?
Einigen ging es schon demokratische Werte. Denen wollen wir nicht Unrecht tun. Auch wenn ein paar von diesen Aktivisten später als treue Diener der Stasi offenbart wurden, wie beispielsweise Ibrahim Böhme, Gründungsmitglied der SDP, der Sozialdemokratischen Partei.
Was war es, was die Leute umtrieb? Freiheit, Freiheit... Watt'n scheenes Wort. Und wie hohl und nichtssagend! Was ist denn diese Freiheit? Damals meinten die Leute die Freiheit, Honecker und seinen Genossen sagen zu dürfen, wie mies man sich fühlte, im eigenen Land Mensch zweiter Klasse zu sein, es sei denn, man besaß Westgeld oder ähnlich konvertierbare Währung, wie beispielsweise Bürgeler Keramik, Forster Heizungen, Autoreifen, Fliesen, Zement und Rüdersdorfer Kalk, kurz – alles, was es permanent nicht gab. Außerdem meinten viele die Freiheit, nicht an der innerdeutschen Demarkationslinie über den Haufen geschossen zu werden, weil man in den Westen wollte. Gerade in diesem Verbrechen, ein ganzes Volk quasi einzusperren, demonstrierte sich am deutlichsten, wie bankrott das System auch in moralischer Hinsicht wirklich war.
Bei vielen DDR-Bürgern war es aber mit der persönlichen Moral nicht viel besser bestellt. Den Idealismus der Wenigen teilten nur wenige. Viele riefen: „Kommt die D-Mark nicht zu uns, dann gehen wir zu ihr!“ Das war eine knallharte Erpressung, auch wenn diejenigen, die sich auf Egon Bahrs legendäres „Die Zone legen wir uns als Vorgarten zu“ vertrauensvoll beriefen ohne zu realisieren, dass die Bundesrepublik Ende der Achtziger Jahre bereits vergleichsweise ziemlich kurzatmig war, kaum ein schlechtes Gewissen zu haben brauchten.
Aber war's das nicht auch? Diese sehnsuchtsvollen, oftmals neidischen Blicke im Intershop auf diejenigen, die Westgeld besaßen, dieser Duft der Westwaren, diese hammerharten Westschlitten, die jeden Trabi und jeden Wartburg, jeden Skoda und jeden Lada und vor allem jeden Saporoshez zu einem Witz degenerierten.
Die friedliche Revolution – ein Sieg des Guten? Schlagen wir mal bei Brecht nach: Zuerst kommt das Fressen – dann die Moral! Unter diesem Aspekt gesehen, verliert die Wende einiges von ihrer heroischen Patina. Das ist auch gut so. In Preußen schätzt man die Realität, nicht den Konjunktiv.
Ja, viel Treibstoff bezog der Wendeorkan aus dem ökonomischen Unterschied zwischen der BRD und der DDR. Aber, aber, Don Miquele, das sagt man doch nicht! Und schon gleich gar nicht laut. Psst.
Doch, Kinders, das sagt man am Besten ganz laut. Denn die DDR unselig verreckte unter anderem an ihrem unsagbaren Ballast an Lügen, Lügen und nochmals Lügen. Das Lügen von der DDR lernen, hieße verlieren lernen. Also, die Karten auf den Tisch! Auch wenn es das ein oder andere Denkmal aus Großer Zeit zu Fall bringen sollte. Ein akzeptabler Preis. Der Wende bleibt auch so noch genug Glanz. Also, Prost Wende, Herr Chefredakteur! Hier haste Deinen Beitrag.

14. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
04.05.2009