Sommermusiken
im Dom –
ein fulminantes Feuerwerk berauschender Musik
Kotofeij K. Bajun
Die Sommermusiken 2008 des Brandenburger
Doms neigen sich ihrem Ende zu. Doch von einem leisen Ausschleichen dieses
kulturellen Formats von Format halten die Domleute nicht viel. Am Abend
des 10. September starteten sie noch einmal eine echte Großoffensive.
Sie fuhren auf, was die Giganten des Spätbarocks für Orgel und
Trompete hergaben. Gleich zweimal war der Meister vertreten und zwar nicht
mit unbekannteren oder kleineren Werken. Nein, nein! Die Domleute brachten
gleich zwei Paradestücke auf die Empore der Wagnerorgel: die große
g-moll Fantasie und Fuge, BWV 542 und dann – also das ging ganz
tief unter die Haut: die 565. Herr Dr. Florian Wilkes spielte sie ganz
in der Tradition Jiri Reinbergers, der 1964 an der Arp-Schnittger-Orgel
von St. Michaelis in Zwolle Maßstäbe setzte. Denn die 565 ist
kein normales Musikstück. Sie ist nicht von dieser Welt. Wenn man
den Meister den Fünften Evangelisten nennt, dann ist sie sein Evangelium.
Sie redet direkt zu Gott. Und ein bisschen hörte man Johannes Ernst
Köhler auf seiner Silbermann-Orgel der Katholischen Hofkirche in
Dresden heraus. Vor allem den Schlussakkord hielt Herr Wilkes. Er hielt
ihn und hielt. Damit riss er alles wieder raus. Denn dieser Schlussakkord
ist der Scharfrichter. Er ließ sogar den etwas fusseligen Zwischenpart
innerhalb der Fuge vergessen, als Herr Wilkes mit den Tonkaskaden zu experimentieren
schien. Nach dem Meister beendeten die Virtuosen den Abend mit Vivaldi.
Verstehen Sie: Nach dem Meister kam der Prete Rosso, das Lächeln
Gottes aus Venedig! Der Mann, der, was die abendländische Musik betrifft,
nur den illusorischen Hauch eines My hinter der Kunst des Meisters steht,
der Mann, der es vermochte, Trompeten zum Jubeln zu bringen und die ganze
Natur in Noten zu malen… Antonio Vivaldi… Eben dieses Lächeln
Gottes zauberten die Musici auf die Gesichter der Hörenden. Der schönste
Dom war angefüllt mit der schönsten Musik – mehr geht
nicht. Petronio Franceschini (1651-1680), Francesco Manfredini (1680-1748)
und Roberto Valentin (1680-1735) illuminierten diese Musik herzergreifend.
Das waren Klänge, die auf der Suche nach der perfekten Harmonie entstanden.
Zu einer Zeit, da man die Strawinskis und Schnittkes dieser Welt zu Paaren
getrieben hätte. Und mit was? Mit Recht! Hier aber, in diesem sakralen
Herzen der Mark, wurde bedingungslose Schönheit geboten. Kein disharmonisches
Gejaule, das allen denen Beifall abnötigt, die auch einst des Kaisers
Nacktheit beklatschten und für Haute Couture hielten. Die jubelnden
Trompeten wurden von den Herren Clemens Stahmer und Matthias Kühnle
geblasen und es war eine royale Musik. Die Schönheit der Mark, der
Stadt und des Domes selbst war an diesem Abend unter der Vierung des wichtigsten
Gotteshauses Ostelbiens zu Gast. Mein Gott, es war, als hätte man
dem ehrwürdigen Gebäude einen musikalischen Brillanten als Schlussstein
ins Gewölbe gesetzt. Und wir waren dabei! |