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Mini-Globe im Gelben Saal
Szenische Shakespeare-Lesung im Fontaneklub

Kotofeij K. Bajun
Das Globe-Theatre im Fontaneklub? Nicht ganz. Was aber Ariane Seeger, Thomas Wingrich und der kongeniale Regisseur und Shakespeare-Interpret Markus Hahn, der für den erkrankten Thomas Linke einsprang, am Sonnabend zu vorgerückter Stunde im Gelben Saal des Fontaneklubs auf Einladung des event-theaters boten, war größte Kunst in kleinstem Rahmen. „Der Widerspenstigen Zähmung“ oder „The Taming Of The Shrew“, wie das weltberühmte Original heißt, mit lediglich drei Akteuren aufzuführen, ohne Kulisse, ohne Netz und doppelten Boden – das allein wäre schon donnernden Applaus wert. Die Stücke des genialen Dichters aus Stratford sind für sich genommen schon der Olymp eines jeden Schauspielers. Wenn sich aber zwei Dutzend Rollen auf nur drei, sage und schreibe: drei Darsteller verteilen – das ist atemberaubend. Der Vortrag dieser szenischen Lesung verursachte denn auch Gänsehaut, wie eine Vertreterin des Gott sei’s geklagt nur mäßig vertretenen Publikums berichtete. In welcher Windeseile sich die drei Mimen in den nächsten Charakter hineinfanden, ihn ausfüllten, ihn repräsentierten – das war sensationell. Nota bene: Hier wurde keine Provinzposse dargeboten, kein drittklassiger Schwank, sondern William Shakespeare! Wer Shakespeare kennt, weiß, wie sublim, wie filigran, wie tiefenpsychologisch dessen Rollen angelegt sind. William Shakespeare hatte die tausendfach verschiedenen Naturelle der Menschen mit seinen Röntgenaugen durchleuchtet, sie mit seiner Feder seziert. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden, in Lustspiele und Tragödien verpackt, in Verse gegossen, die eine bis in die Gegenwart Maßstäbe setzende, pulsierende Dynamik und Dramatik vermitteln, durchsetzt und angereichert mit geistvollem Wortwitz. Welch eine Herausforderung an die Interpretation, an den musikalischen Umgang mit der Stimme, an die Gestik und die Leidenschaft des Darstellenden! Seeger, Wingrich und Hahn glänzten, begeisterten. Hahn kam teilweise herrlich tuntig einher, während Wingrich den zahnlosen, vergreisten Freier der jungen Bianca in einer Manier gab, dass man ihm förmlich den Sand aus der Tasche rieseln sah. Seeger biss mal schlagfertig biestig um sich, mal gewann ihre Stimme etwas durch und durch Einschmeichelndes. Was den Eindruck einzig trübte, war, dass selbst versierte Kenner des Stückes mit der Zeit den Faden verloren. Es sei angeregt, vor dem auf zwei Stunden angelegten Stück eine kurze Einführung zum Inhalt zu geben und während der Darbietung die jeweils gelesene Figur oder Rolle in den Hintergrund zu projizieren.
Hing man jedoch an den Lippen der Lesenden, so wähnte man sich nirgends woanders als eben in – Shakespeares Globe!

 
B
6. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008
27.09.2008