Abstraktes
von den Argonauten
Hans-Hendrik Grimmling eröffnet Ausstellung
bei den Sonnenseglern
Michael L. Hübner
Es gibt Malerei, der sich zu nähern
eine echte Herausforderung darstellt. Hans-Hendrik Grimmling, Schüler
der einstigen DDR-Malergrößen Werner Tübke und Wolfgang
Mattheuer, stellt seit dem 27.9. einige seiner Werke in der Galerie Sonnensegel
aus. „Argonauten – Nach Chile II“ heißt die Exposition.
Und eines vorweg: Sein Handwerk beherrscht er. Das wird am augenfälligsten
bei den Holzschnitten und Malereien der Siebziger Jahre, als Grimmling,
ergriffen vom Militärputsch gegen Salvador Allende in Santiago de
Chile, seine Bestürzung in Kunst übersetzte. Eine von Soldaten
der Junta attackierte Gitarre erinnert an der Leidensweg Victor Jaras,
der im berüchtigten Stadion-KZ grausam umgebracht wurde. Andere Bilder
zeigen schon das Format eines Otto Dix. Dann aber siedelt der Künstler
nach Westberlin über und – findet zu neuen Ausdrucksformen.
Inwieweit diese Entwicklung mit der Argonauten-Fahrt des griechischen
Helden Iason nach Kolchis zu tun hat, konnte auch der Einführungsvortrag
von Andreas Hüneke nicht restlos klären. Zwar postulierte Hüneke,
der Künstler müsse immer schon ein Stückchen weiter sein,
als das gerade betrachtete Bild zum Ausdruck bringt. Nun gut – aber
wo, wie gesagt, ist dort der Bezug zum Kampf um das Goldene Vlies zu finden?
Viele der unbenannt gebliebenen Aquarelle des Hans-Hendrik Grimmling ergehen
sich in reiner Formensprache. Viel Schwarz ist darin zu sehen. Wuchtige,
erratische Blöcke von Schwarz eingebettet in weiße, rote und
gelbe Strukturen. Aber dann doch immer wieder dieses dominierende Schwarz…
Medeas Trauer, Medeas Wut? All das lässt der Interpretation einen
gewaltigen Spielraum. Beunruhigend sind sie schon, diese Aquarelle. Sie
stören den Seelenfrieden. Den Besucher Thomas Grothe erinnert so
ein schwarz-rotes Bild unwillkürlich an die dramatische Wendezeit,
die viele DDR-Bewohner unter größter seelischer Anspannung
erlebten. Aber das eben ist die Krux dieser abstrakten Darstellungsweise
– je nach Gusto kann jeder alles in das Werk hineinlesen. Eine Venus
bleibt eine Venus, stamme sie aus Willendorf und komme sie etwas füllig
einher, oder sei sie schlank und grazil von Giorgione gemalt. Man erkennt
die dargestellte Frau. Doch sei der Künstler in seiner Ausdrucksform
nicht behindert. Das tat die DDR-Obrigkeit bereits anlässlich des
legendären 1. und einzigen Leipziger Herbstsalons, dessen negativer
Nachhall bei den SED-Kulturobleuten zu Dissonanzen mit dem Künstler
führte, was diesen letztendlich bewog, der DDR den Rücken zu
kehren. Die Zeiten sind vorbei. Grimmling kann von Ideologien unbehelligt
seine Werke in der Havelstadt zeigen. Im März nächsten Jahres
sind dann größere Werke im Brennabor-Museum zu sehen. Zwischenzeitlich
wird der Maler am 17.10 um 18:00Uhr im Saal der Berlin Brandenburger Ausländergesellschaft
am Gotthardtkirchplatz aus seiner Autobiografie „Die Umerziehung
der Vögel“ lesen und mit Brandenburger Schülern wird es
am 8.11. in seinem Berliner Atelier eine Malaktion geben. Vielleicht kann
dann die heimkehrende Jugend ihrer Vaterstadt einige neue Erkenntnisse
zum Sinngehalt abstrahierender Malerei vermitteln. |