Jüdische
Musik in der Studiobühne
Ein Konzertabend mit Jalda Rebling und Tobias
Morgenstern
Michael L. Hübner
Kein Mikrofon, kein Verstärker.
Nur eine kleine Frau auf der Bühne. Neben ihr ein Akkordeonist. Das
ist alles. Nein, das ist längst nicht alles. Eine kleine Frau mit
einer großen Stimme und einem noch größerem Herzen und
ihr Akkordeonist nehmen einen ganzen Saal gefangen. Die kleine Frau ist
Jüdin. Jalda Rebling heißt sie und sie ist die Tochter der
bekannten europäischen Künstlerin und Auschwitz-Überlebenden
Lin Jaldati. 57 Jahre ist Rebling alt – aber ihre international
geschätzte Stimme strahlt Jugend aus und Fröhlichkeit. Deutsch
singt sie und hebräisch und spanisch… aber vor allem –
jiddisch. Wie lange musste die alte Chur- und Hauptstadt dieser wärmsten,
dieser klangvollsten Tochter des Mittelhochdeutschen entbehren, das auch
Brandenburger Juden einst sprachen! Als deutsche Juden des Mittelalters
dann weiter ostwärts zogen, nahmen sie diesen mittelhochdeutschen
Dialekt mit sich, reicherten ihn mit hebräischen Vokabeln an und
bewahrten auf diese Weise ein Sprachdenkmal unserer Vorfahren, welches
sonst in den Tiefen der Geschichte auf ewig verloren wäre. Jalda
Rebling sang abseits der ausgetretenen Pfade des Klesmer von der Liebe,
der Liebe zum Gott der Juden, zum Schöpfer, zum Leben, das dieser
Gott seinem Volk geschenkt hatte. Und sie sang die teilweise uralten Lieder,
die noch aus der Zeit der babylonischen Gefangenschaft stammten, aus der
Zeit des Mittelalters, als fürchterliche Pogrome die Kreuzzugshysterie
begleiteten, sie sang Psalmen und ihr Gesang, begleitet von einem wunderbaren
Tobias Morgenstern schmolz sich durch die Herzen ihres Publikums. Rebling
gab eine kurze, nicht einmal sehr einfache Sequenz vor und forderte die
Zuhörer auf, mitzusingen. Und tatsächlich griff der Saal das
Thema auf, summte und sang es mit. Rebling schwang sich stimmlich über
das Thema, variierte und trällerte – das Publikum hielt. Es
hielt noch immer, als Rebling ihren Gesang verklingen ließ und leise
hinter Bühne schritt. Die Frau hatte eine immense Ausstrahlung. Ungekünstelt,
souverän – wie ihr liebenswerter Begleiter Morgenstern, der
im Übrigen gemeinsam mit dem Schauspieler Thomas Rühmann das
„Theater am Rand“ im Oderbruch führt. Für Juden
und Nichtjuden der Havelstadt, war dieses vom Vorsitzenden der Brandenburger
Jüdischen Gemeinde, Feliks Byelyenkow, dem Zentralrat der Juden in
Deutschland und dem Brandenburger Theater organisierte Ereignis ein echtes
Highlight, ein Schritt in Richtung der Retablierung eines jüdisch-deutschen
Kulturlebens, welcher vom Publikum zu Recht mit starkem Applaus bedacht
wurde. |