Neues
Leben in altem Kino
Plauer Lichtspiele beherbergen Ali’s Tanz-
und Turnschuppen
Michael L. Hübner
Es ist immer ein Ereignis, wenn
man sieht, wie Nachbarn etwas für ihre Mitmenschen auf die Beine
stellen. So ein Ereignis feierte Plaue am letzten Sonnabend. Das alte
Kino, die Plauer Lichtspiele mit dem bekannten Schriftzug „PLS“,
erwachten zu neuem Leben. Nicht mehr als Lichtspieltheater. Das nicht.
Schade eigentlich. Aber: Adelheid Fricke, alias „Ali“, brachte
ihren Tanz- und Turnschuppen in dem frisch renovierten Gebäude unter.
Das Kino machte seit der Wende eine kummervolle Entwicklung durch. Versuchte
anfangs eine Boutique ihr Glück, musste das Gebäude später
einige Jahre Leerstand verkraften. Nicht sehr glücklich waren die
Plauer über das Spielcasino, welches sich dann im Vestibül einnistete.
Das Kino war nicht länger Anziehungs- und Mittelpunkt von Plaue.
Ganz im Gegenteil, die Bögen, welche die Plauer um ihre guten alten
Lichtspiele schlugen, wurden immer größer. Schlossbesitzer
Christian Kolbe brachte der melancholisch vor sich hin verfallenden Ruine
neue Hoffnung. Gemeinsam mit der Sango GmbH und dem Engagement von Adelheid
Fricke restaurierte er zunächst das Vestibül der von ihm erworbenen
Immobilie. Alle Außenwände bekamen einen Anstrich in strahlendem,
freundlichem Gelb. Der Charme des alten DDR-Kinos im Empfangsbereich wurde
weitestgehend bewahrt. Nun konnte Adelheid Fricke ihren bereits seit einigen
Jahren etablierten Plauer Tanz- und Turnschuppen in sein neues Domizil
verlegen – und halb Plaue war auf den Beinen, ihr zu dieser Eröffnung
zu gratulieren. Selbst die Oberbürgermeisterin und Walter Paaschen
gaben sich die Ehre. Paaschen zeigte sich begeistert über den Tatendrang
und die Risikofreudigkeit, mit der eine Plauerin ihre Unternehmensidee
auf den Weg brachte und gleichzeitig etwas für den Ortsteil leitstet.
Immerhin werden Interessierte jeder Altersgruppe in den Räumen der
alten Lichtspiele turnen und tanzen können. Das Angebot reicht vom
Line-Dance der Plauer Free Eagles über Männerballett und Babysport
bis zum chinesischen Qi Gong, vom HipHop für die Jüngsten bis
zum Muskelentspannungs- und Aufbautraining für die etwas Älteren.
Etwas später gratulierte auch die Plauer Ortsbürgermeisterin
Lieselotte Martius. Das Oberhaupt des Fischerstädtchens freute sich
darüber, dass das Kino nunmehr wieder in neuem Glanz erstrahlt und
gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die mit Ali’s Turn- und Tanzschuppen
verbundene Lautstärke-Belastung für die Bewohner erträglich
bleibt. Die Betreiberin sicherte jedoch einen moderaten Umgang mit Phon
und Dezibel zu. Eine Außenbeschallung fand sowieso nur zur Eröffnungsfeierlichkeit
statt. Sonst hätten die Shining Stars, entzückende Knirpsinnen
und Knirpse im Alter von acht bis elf, ihre Show nicht vor dem respektablen
Kreis ihrer Zuschauer aufführen können. Später einmal werden
sie vielleicht wieder den alten Kinosaal nutzen. Wenn er denn wieder bedacht
ist. Noch zeigt er sich im trostlosen Zustand einer Baustelle: Wind und
Wetter ist der Saal beinahe schutzlos ausgesetzt, nachdem das alte Dach
vor elf Jahren einstürzte. Doch das ist nun Vergangenheit und Plaue
hat wieder einen Treffpunkt. Leider ohne seinen Schriftzug PLS. Der wurde
entfernt und in stark restaurationsbedürftigem Zustand dem Unabhängigen
Bürgerverein Plaues übergeben. Er wird seinen Platz eines Tages
im kleinen Plauer Fischereimuseum finden, während der Nordgiebel
des Gebäudes vom Plauer Wappen und dem Logo der Free Eagles eingenommen
werden soll. Zwischen beiden wird der Schriftzug prangen: „Ali’s
Tanz- und Turnschuppen“. |