Wenn
der Erbe zweimal klingelt
OLG Hamm mit neuem Urteil zur Auskunftspflicht
der Samenbanken
Don M. Barbagrigia
Au weia – das ist jetzt bitter!
Da steht man morgens vor dem Spiegel, dankt den Göttern, was sie sich
doch für Mühe gegeben hatten, als sie diesen herrlichen Leib schufen
und meint, man dürfe dieses Privileg auf gar keinen Fall für sich allein
behalten. Nun hat diese Erkenntnis zwar schon tausende und abertausende
Männer in den finanziellen Ruin gestürzt – denn der genetische Altruismus
verlangte immer nach dem entsprechend intimen Körperkontakt mit möglichst
vielen Frauen.
Doch die moderne Wissenschaft bot einen Kompromiss: Sie erfand die Samenbank.
Zwar entbehrte diese Art der Spermaspende des wohligen Umfelds warmer
weiblicher Schenkel – doch dieses vernachlässigbare Manko wurde mehr
als ausgeglichen. Denn die Samenspende spülte nicht nur ein bisschen
Geld in die Haushaltskasse de Casanovas sondern garantierte noch dazu
– und jetzt kommt's – dessen Anonymität!
Das war doch der Hammer! Klar, man durfte keinem Gör mehr auf der Straße
eine latschen – könnte sich ja um die eigene Blage handeln. Aber man
stelle sich vor – nie mehr Post von Jugendamt, genervter Ex-Partnerin,
studierwilligem Spross oder geldgeilen Rechtsanwälten. Ach, das Leben
war schön!
Bis heute! Das verräterische OLG Hamm bei denen biestig-sturen Westfalen
hat unter dem Aktenzeichen I-14 U 7/12 am 6. Februar 2013 ein alle frommen
Stiere hart treffendes Urteil gefällt.
Ab sofort sind die Samenbanken den auskunftserheischenden Sprösslingen
einer solchen künstlichen Befruchtung gegenüber gehalten, die Identität
des Spenders und also biologischen Vaters zu offenbaren. Ross und Reiter
beim Namen nennen – welch herrlich zotiger Kalauer!
Das Recht des Kindes auf Information bezüglich der eigenen Herkunft
stünde über dem Recht des Samenspenders auf die seinerzeit zugesicherte
Anonymität. Ja gut! Unangenehm aber zu verschmerzen. Steht das Fräulein
oder der Junker eben eines Tages am Gartenzaun und dann grüßt man freundlich
und leiert den bis dahin auswendig gelernten Standardsatz herunter,
während man das manuell auf den Weg gebrachte Produkt seiner Lenden
mustert: "Ja, weißt Du, ich war jung und brauchte ein Moped..."
Das wäre auch nicht weiter problematisch, wenn es nur um den alten Hühnerschreck
aus Papas Jugendtagen von anno dunnemals ginge. Nee! Gott bewahre! Nach
dem Hamm-er Urteil geht's jetzt um den Benz, die Tiefgarage, in der
er steht, das Häuschen, welches an die Tiefgarage angebaut ist und den
den Garten ringsherum – just bis hin zu jener Pforte, an welcher der
neugierige Patron da gerade steht. Der ist nämlich nicht der oder die
Einzige. Moment – wie oft hatte ich gespendet? Ach du Scheiße!
Denn laut BGB wird jetzt mit der (in diesen Fällen sogar eindeutig)
erwiesen Vaterschaft ein Verwandtschaftsverhältnis ersten Grades mit
allen daran hängenden Verpflichtungen begründet. Daran hängende Verpflichtungen
werden meist monetär übersetzt. Alimente zum Beispiel – im schlimmsten
Falle für zurückliegende Äonen zu bezahlen, plus satter Verzinsung.
Die einzigen, die jetzt laut auflachen werden, dass sind die Pickelheringe
von damals, die ständig auf dem Schulhof Dresche bekamen, die Klassenclowns,
die ewigen Versager, die von den Mädchen nicht mal in die Nähe ihrer
Blusen gelassen wurden – geschweige darunter.
Deren genetisches Material dürfte auch bei den Samenbanken unterrepräsentiert
sein. Das macht jetzt voraussichtlich die Verlierer der Vergangenheit
zu den Gewinnern der Zukunft – denn irgendwer muss doch die Bieterplätze
der Amtsgerichte belegen, wenn es im Rahmen der zu erwartenden Welle
von Zwangsversteigerungen heißt: Eine Limousine, eine Tiefgarage, ein
Haus und einen Garten: zum Ersten..., zum Zweiten... und... zum...Rrrummms!