Arbeit – wie weiter?
Podiumsdiskussion „Projekt Zukunft“ im Paulikloster
Michael
L. Hübner
Kaum eine Partei oder Person des demokratischen Spektrums entfremdete
die dieser Tage ihren 150. Geburtstag feiernden SPD ihren Mitgliedern
und Wählern so sehr, wie Gerhard Schröder, der Genosse der Bosse. Die
Trümmerbeseitigung ist ein mühseliges Tagewerk – aber es geht voran.
Mit Dr. Frank-Walter Steinmeier hat die Sozialdemokratie ein Gesicht,
das für Anstand, Zuverlässigkeit und harte Arbeit an eben dieser Front
steht. Daher verwunderte es kaum, dass der Vortragssaal des Pauliklosters
mit siebzig Teilnehmern gestrichen voll war, als der ehemalige Außenminister
und Vizekanzler a. D. zu einer weiteren Podiumsrunde unter der Devise
„Projekt Zukunft – wie wir leben wollen“ lud. Das Thema zu diesem Anlass
war das wohl spannendste überhaupt und mobilisierte die Kernkompetenz
der SPD – die Arbeit. Für diese Runde gelang es Dr. Steinmeier sogar,
den Chef der Bundesagentur für Arbeit Oberst d. R. Frank-Jürgen Weise
zu gewinnen. Der gebürtige Sachse kam extra aus Nürnberg angereist –
konnte der Mark allerdings nicht ganz so frohe Zukunftsaussichten verkünden,
wie der letzte bedeutsame Nürnberger, ein gewisser Friedrich von Hohenzollern,
der sechshundert Jahre früher denselben Weg genommen hatte. Zwar – so
konstatierte auch das Podium anerkennend – sei die Arbeitslosigkeit
verglichen mit dem 5-Millionen-Stand um 2005 herum tatsächlich um nominell
ca. zwei Millionen arbeitslos gemeldete Personen gesenkt worden. Die
gleichzeitige Steigerung prekärer Arbeitsverhältnisse, die Bezahlung
vieler Beschäftigter aus Steuermitteln im „Aufstocker-Bereich“, der
gelockerte Kündigungsschutz – all das jedoch wurde keineswegs verkannt.
Gerade die Zunahme der befristeten Arbeitsverhältnisse, die naturgemäß
der Geburtenrate, der Binnenkreditwirtschaft und damit dem Binnenkonsum
oder auch dem bundesweiten Bausektor auf Dauer abträglich sind und in
dieser Kausalkette wiederum zu einer Belastung des Arbeitsmarktes führen,
fand Erwähnung. Die demografische Entwicklung mit ihrer Überalterungstendenz,
gepaart mit einem defizitären Bildungsangebot seitens der Gesellschaft
führt momentan zu einer erhöhten Nachfrage nach geeigneten Lehrlingen
oder hochqualifizierten Fachkräften führt. Das aber stellt keine belastungsfähige
Lösung auf dem Weg zu einem harmonisierten Arbeitsmarkt dar. Eher schon
eine der bestehenden Überfrachtung mit Akademikern entgegenzusetzende
Nivellierung des zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen Handwerkslehrlingen
und Studierenden oder auch die Flexibilisierung von Arbeitszeit- und
Arbeitsortmodellen. Geschickt moderiert von Ulrike Häffner, nahmen neben
Weise auch Dr.-Ing. Victor Stimming, Präsident der IHK Potsdam für die
Arbeitgeberseite und Carmen Bahlo, ehrenamtliches Mitglied im IG Metall-Vorstand
und Betriebsratsvorsitzende der ZF Getriebe GmbH Brandenburg für die
Arbeitnehmer im Podium Platz. Eine hart und kontrovers geführte Diskussion,
wie sie aus TV-Duellen bekannt sein mag, wich im Podium einer sachorientierten
und weitestgehend konsensuellen Analyse der Lage. Ein tragfähiger Abgleich
von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen wurde als erstrebenswert
angesehen, weil laut Dr.-Ing. Stimming der eine die Existenz des anderen
bedinge. Da das Thema den Nerv vieler Hörer traf, wurde der Ton rauer,
als sich die Runde dem Publikum öffnete. Dass eine Vertreterin des Arbeitslosenverbandes
anregte, ihren Verein in Erwerbslosenverband umzubenennen, da es zwar
Arbeit genug, jedoch für viele kaum ein damit verbundenes Auskommen
gäbe, gehörte noch zu den blanderen Beiträgen. Ein abgemusterter Seemann
auf Großer Fahrt findet seit Jahren auf Grund seines Alters über 50
niemanden mehr, der ihn einstellt – arbeiten aber will er. So wie der
ebenfalls 57-jährige hochqualifizierte Verwaltungsfachmann und Diplom-Ingenieur
Christian H., welcher der Runde bezüglich ihres Arbeitstitels die Note
„Thema verfehlt“ attestierte. Er, H., vermisse die Vision, die Ausblicke,
die strategischen Überlegungen, die auch und gerade Menschen in seiner
Situation eine reelle Perspektive böten. In diesem Zusammenhang richtete
PreußenSpiegel die Frage an Dr. Steinmeier, wie denn eine SPD geführte
Regierung den harter globaler Konkurrenz ausgesetzten deutschen Arbeitsmarkt
neben den bekannten deutschen Standortvorteilen wie einer exzellenten
Infrastruktur und einer hochwertigen Rechtssicherheit schützen und entwickeln
wolle. Dr. Steinmeier wies in seiner Antwort darauf hin, dass sich Deutschland
klugerweise die gesamte Wertschöpfungskette vom kleinen Handwerksbetrieb
bis hin zum Großunternehmen bewahrt habe, als beispielsweise England
vor über einem Jahrzehnt konsequent den Weg des Finanzdienstleisters
bestritt und jetzt beinahe ohne nennenswerte Primärproduzenten und weiterverarbeitdendes
Gewerbe dasteht. Deutschland habe sich damit die Möglichkeit zur Innovation
in allen Bereichen der Produkterzeugung erhalten, die es mit einer massiven
Investition in Bildung und Ausbildung stärken müsse.
Redakteur Michael L. Hübner und Fraktionsvorsitzender
Frank-Walter Steinmeier