Das Kreuz mit dem Bahnhof
Linke luden zum zweiten Stadtteilgespräch
Abb. 1 Der Baubeigeordnete Michael Brandt
hielt das Einführungsreferat zur Neugestaltung des Bahnhofsviertels.
Michael
L. Hübner
Zum zweiten Mal lud die Brandenburg Stadt-Linke am 21. Februar 2013
zu einem Wohngebietsgespräch ein und rückte die Bahnhofsvorstadt in
den Fokus. Als Referenten und Sachkundige stellten sich der Baubeigeordnete
Michael Brandt, der Chef des havelstädtischen öffentlichen Nahverkehrs
Werner Jumpertz und Wobra-Chef Klaus Deschner unter der Moderation des
frischgebackenen Linke-Landtagsabgeordneten René Kretzschmar den Fragen
ihres 45 Besucher zählenden Publikums. Gerade die Probleme, die mit
der Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes einher gehen, zogen besonderes
Interesse auf sich. Dass die mit großem Aufwand betriebene Verbesserung
einer der städtischen Haupteingangssituationen trotz aller Investitionen
doch nur eine Lösung zweiter Wahl von vorgestern für gestern darstellt,
ist nicht nur den historisch gewachsenen Bedingungen und dem schwierigen
Baugrund geschuldet. Auch die permanent gähnende Leere der Stadtkasse
ließ seit Jahrzehnten keine zukunftsweisende Gestaltung der Bahnhofsplatte
zu. Die Tunnelvariante, die samt des Wuster Schrankenproblems locker
aus der Portokasse der am Willy-Brandt-Flughafen sinnlos verbratenen
Gelder hätten bezahlt werden können, ist nach den Worten des Baubeigeordneten
vergossene Milch. Nach wie vor übernimmt die vierspurige Magistrale
der Bundesstraßen 1 und 102 die Hürdenfunktion eines mittelalterlichen
Burggrabens und fordert den mit der Bahn anreisenden Gästen der Chur-
und Hauptstadt lange Fußwege zum weiterführenden Nahverkehr ab. Auch
der neue Zentrale Omnibusbahnhof ZOB wird gerade für ältere und gebrechliche
Reisende zur sportlichen Herausforderung. Zu einer die Gesamtlage entspannenden
Umklappung des Bahnsteigs in östliche Richtung bemerkte Michael Brandt
lakonisch: "Wer die Gesprächsführung mit der Brandenburger Verwaltung
für kompliziert hält, der hat noch nie mit den Vertretern der Bahn an
einem Tisch gesessen." Wenig Hoffnung erbrachte auch die Analyse
des Pendler-Parkplatzbedarfs von 500 Stellflächen im Vergleich zu den
zu erwartenden Stellmöglichkeiten für PKW. Die reale Darstellung der
Hälfte ist schon purer Optimismus. Zumal mit der geplanten Bebauung
des Erschließungsfeldes 3 westlich gegenüber dem Gesundheitszentrum
perspektivisch weitere Parkplätze entfallen werden. Ein Parkhaus, wie
es sich die Nachbarkommune Werder genehmigte, ist vom Tisch, da niemand
bereit ist, in einen solchen Bau unter der Prämisse gebührenfreier Nutzung
zu investieren. Um die Situation abzumildern schlägt Michael Brandt
Parkplätze am Schützenworth vor. Dort hält die Stadt gemähte Flächen
kostenfrei vor. Für die Seitenstreifen der Potsdamer Landstraße zum
Schützenworth hin werden keine Parkrestriktionen veranlasst. 6,5 Minuten
Fußweg setzt der Baubeigeordnete an, die allerdings die Überquerung
der Fußgängerbrücke einschließen. Ob deren Personenaufzüge noch eine
Zukunft haben, ist bekanntlich strittig.
Abb. 2 Bezirksarchitekt i. R. Hans-Jürgen
Kluge donnerte wie ein römischer Volkstribun für den Erhalt des Emil-Spiess-Mosaiks.
Bezirksarchitekt i.
R. Hans-Jürgen Kluge brach trotz seiner 85 Jahre mit einem leidenschaftlichen
Plädoyer eine Lanze für das Emil-Spiess-Mosaik, das seiner Ansicht nach
als Repräsentant der DDR-Kunstgeschichte wieder seinen Platz im Umfeld
des bahnseitigen Stadtzugangs einnehmen sollte. Wobra-Chef Deschner
erwiderte, die Planungen für das Baufeld 3 seien erst in der Vorschlagsphase
– es sei noch manches möglich – aber auch für die Installation dieses
großzügig dimensionierten Kunstwerks bedürfe es einer Geldquelle, die
momentan noch nicht erkennbar sei. Bis dahin werde das Mosaik auf Wobra-Gelände
verwahrt. Zu dem Problem, dass die Große und die Kleine Gartenstraße
keine für "Bahnhofstraßen" typische, belebte Geschäftsbesiedelung
aufwiesen, führte der Baubeigeordnete schlüssig aus, dass man, werde
dieses Ziel verfolgt, gleichzeitig der Innenstadt die entsprechende
Infrastruktur abzöge. Sicher gäbe es Interessenten in Hülle und Fülle.
Bahnhöfe seien für den Einzelhandel immer attraktive Nachbarn. Den Preis
einer daraus jedoch unweigerlich resultierenden Verödung der mittelalterlichen
Kernstädte aber wolle niemand auf der Rechnung haben. Wenigstens sei
die Ansiedlung von Einzelhandel in dem Gebäude des Baufeldes 3 und ihm
Bahnhofsgebäude selbst angedacht, so dass die Platte die Brandenburger
und ihre Gäste wenigstens ansatzweise zum Verweilen einlädt und nicht
nur zur rasch zu durcheilenden Passage degeneriert.