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Drohnen, Schurken, Blumenbeete
oder wie man ein reiches Land ruiniert

B. St. Fjøllfross
»Was kommt uns da für ein Schwertträger und Kriegsheld? Wen will er befehden?...Was soll der Degen und das Kriegskleid noch?... Ihr haltet euch wohl für groß und wichtig mit euren Trommeln und Fahnen?“ Diese Fragen des alten Enoch Schnurrenberger aus Gottfried Kellers Novelle „Ursula“ hämmern uns im Kopfe herum. Und dazwischen dröhnt's wuchtig und sonor: 600 Millionen, 600 Millionen, 600 Millionen...

Uns wird kotzübel. Denn diese 600 Millionen Euro beziehen sich auf deutsche Steuermittel, die für den dreimal verfluchten Euro-Falken verbrannt wurden. Der Euro-Falke ist eine sogenannte militärische „Drohne“, wobei kein Aas weiß, warum man unbemannte Flugkörper nach den Immen-Männchen benennt – es sei denn, man wolle zum Ausdruck bringen, diese seien generell so überflüssig wie jene, sobald sie die Königin des Bienenvolkes begattet hätten.

Nun könnten die Eisenfresser einwenden, man wolle im Sinne des Ärars einsparen, indem man auf die teure Pilotenausbildung verzichtet, welche sich nicht zu einmal zu amortisieren vermag, so man denn die Flieger in Geräte wie einst den Witwenmacher Lockheed F-104 „Starfighter“ setzt. Und wenn die „Drohnen“ im Zeitalter der elektronischen Revolution, in dem man in der Lage ist, Raumkapseln und Marsmobile auf der Oberfläche des Nachbarplaneten abzusetzen, keinen Kollisionsschutz besitzen – wen stört's? Es sind doch höchstens ein paar Zivilisten, die so ein Geschoss vom Himmel holt. Gäbe es davon nicht sowieso zu viele, dann bräuchte man wohl kaum ein hochgerüstetes Militär. Denn Waffen sind nun mal von alters her dazu da, Mensch und Kreatur umzubringen.

Ja, diese 600 Millionen... Als chur- und hauptstädtischer Postille verzweifelt der Preußische Landbote schier über dieser Summe: Was hätte man dafür...? Im Jahre 2015 steht für Brandenburg an der Havel die Bundesgartenschau „BUGA“ an. Das ist ein Großereignis nach der Devise „Sekt oder Selters“, „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“. Die Zukunft der Gemeinde steht oder fällt mit der BUGA. München hat mit seinen Olympischen Spielen 1972 den Sprung aus der Vergessenheit eines bayerischen Provinz-Stadl geschafft und darf sich nun Weltstadt mit U-Bahn nennen. Für Brandenburg an der Havel hingegen stehen die Zeichen bereits jetzt, zwei Jahre vor der Gartenschau, auf Sturm.

Ein solches Großereignis verlangt nach einer leistungsfähigen und belastbaren Infrastruktur. Wirft man nun aber einen Blick in die Geschichte der Havelmetropole und einen anderen in den Atlas, so erkennt man leichtlich, dass die alten Wenden vom Stamme der Stodorjane (Heveller) ihre Hauptburg mit einem solchen genialen Weitblick in die Havellandschaft gepflastert hatten, dass nicht nur die Feinde von damals größte Mühen aufwenden mussten, um in die Festung zu gelangen, sondern tausend Jahre später auch noch sämtliche Freunde Brandenburgs, Einwohner und BUGA-Besucher. Die Topographie der Umgebung Brandenburgs ist ein Pferd, das außerhalb von China kaum zu satteln ist. Nicht für eine arme, ostelbische Metropole, die vor der Wende über ihre Mittel nicht selbst verfügen durfte und nach der Wende beinahe all ihrer wertschöpfenden Industrie verlustig ging. So baut man denn in der Havelstadt selten für morgen, kaum für heute, manchmal für gestern und am häufigsten für vorgestern. Kleckerwerk allenthalben, welches die Probleme oft nur um 200 Meter verschiebt. Da wäre der Bahnübergang der Fernverkehrs- und Bundesstraße 1 bei Wust, an dem die Stadt noch mal ersticken wird. Nie wird sie kommen, die neue Trassierung mit dem kreuzungsfreien Anschluss an den Überflieger Potsdamer Straße! Nie! Die benötigten 150 Millionen Euro sind einfach mal nicht da. Wie auch kein Geld für den vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 102 bis zur Bundesautobahn 2 da ist.

Einen Kilometer südwestlich hätte es unter der Bahnhofsplatte eines vierspurigen Autotunnels durch das feuchte Erdreich bedurft, um endlich den Hauptbahnhof und damit die Reisenden barrierefrei an die Stadt heranzuführen, statt ihnen letzteren diesen unchristlichen Hürdenlauf zuzumuten. Ein Tunnel, um die Große und die Kleine Gartenstraße als Bahnhofsmagistralen zu beleben. Um endlich einzuladen statt abzustoßen... Ach, lassen wir's! 150 Millionen – und das Projekt wäre in Sack und Tüten gewesen. So wie auch der kreuzgefährliche Knotenpunkt der L93 Ziesarer Landstraße mit den Geleisen der Reichsbahn, just über dem Mütterchen Plane. Hier ist nach Aussage des Baubeigeordneten der Chur- und Hauptstadt, Micha Brandt, nur noch nichts passiert, weil alle um die tödlichen Risiken Bescheid wissen. Und die BUGA-Besucher, die 2015 von Südwesten her in die Stadt einreiten – wissen die auch Bescheid, oder werden sie der Bundesgartenschau „von Dom zu Dom“ Gelegenheit geben, zu zeigen, wie eine manierliche Grabbepflanzung aussieht? Gut möglich, dass es an dieser Stelle spätestens 2015 den ersten Toten gibt. Mutmaßlich wird es sich dabei um einen Radfahrer handeln. Auch an dieser Stelle könnten 150 Millionen Euro wahre Wunder wirken. Das Geld war im Bund ja offensichtlich vorhanden. Doch wo ist es nun? Es ist verbrannt. Es ist verpulvert von Eisenfressern, die glauben, sich trotz 2 Billionen Euro Staatsschulden teures Kriegsgerät anschaffen zu müssen, obgleich weit und breit niemand da ist, Deutschland zu befehden. Die letzten 150 Millionen hätten dazu dienen können, die arme Mutter der Mark komplett zu entschulden. Ein dynamischer Wirtschaftswachstumskern hätte geschaffen werden können, der weit in die Zukunft wirkt.

Argumentieren wir aus der Perspektive märkischer Gartenzwerge? Sicher tun wir das. auch andere Städte und Gemeinde haben Wünsche in einem Umfang, der die 600 Millionen schnell verrieseln lassen würde, schüttete an sie im Gießkannenprinzip aus. Gelsenkirchen würde im Dreieck hopsen, gäbe man Brandenburg an der Havel das Geld, anstatt die Ruhrpott-Metropole zu entschulden. Doch gemach – niemand hopst im Dreieck. Der teutsche Michel geht nicht auf die Straße und tobt, wie weiland in Stuttgart, als es um einen neuen Bahnhof ging. Niemand probt hier den Aufstand! Man glotzt in grenzenloser Lethargie auf einen Berliner Kasperletheater, das alle Charakteristika einer sauteuren aber flachen Farce trägt.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière schwafelt von personellen Konsequenzen. Gott bewahre – nicht bezüglich seiner geheiligten Person! Ein paar Bauernopfer in seinem Hause sind gemeint. Das werden hochbezahlte Spaziergänger, die während ihres vorzeitigen Ruhestands gewiss noch ein paar Brötchen auf lukrativen Beraterposten in der Industrie dazuverdienen können. Keine Panik. Mittlerweile ist der Verteidigungsminister zu dem Schluss gekommen, dass Entlassungen der Verantwortlichen auch nichts bessern würden. Man wird wahnsinnig!

Nein! Verdammt noch mal! Das sind Lumpen, Strolche, Kriminelle – die angeklagt werden müssen, Volksvermögen bewusst und wissentlich veruntreut zu haben und zwar in sechshundertfacher Millionenhöhe. Sie haben Gelder veruntreut, von denen Hunderttausende armer Teufel ohne nervenaufreibendes Procedere unterstützt werden könnten, die unverschuldet in Armut geraten sind und mit denen derselbe Staat um jeden Pfennig feilscht.

Angesichts eines bei einer Revision festgestellten Defizits von zweitausend Talern forderte König Friedrich Wilhelm I. in Preußen einst den Kopf des verantwortlichen Landrates. Dieser bot seine gesamte Habe an, um den Fehlbetrag auszugleichen. Der König winkte ab: „Kann seinen Kram behalten – muss hängen!“ Ganz so drakonisch wollten wir nicht verfahren. Doch das Privatvermögen der Gauner im Nadelstreifen nähmen wir schon gerne in Zahlung, auch wenn es das Loch bestenfalls mit drei vom Hundert stopfte. Aber treffen muss man das arrogante Pack! Sollen sie „in der Karre gehen“, wie es im alten Preußen hieß! Sollen sie den Damm am Bahnübergang mit der Hand aufschütten und selbst mit nacktem Oberkörper bei Wind und Wetter den Tunnel am Hauptbahnhof ausheben und koffern! Aber das gibt ja unser löbliches Rechtssystem nicht her, das laut Grundgesetz für alle Bürger größtmögliche Gerechtigkeit und Gleichheit vor der Dame Justitia garantieren soll.

Nein, es bedarf keiner Drohne, um den größten Volksfeind aus der Luft auszumachen. Eine kleine, bemannte Cessna reicht durchaus, um die prekären Orte zu überfliegen und aus der Luft den angerichteten Schaden zu dokumentieren. Damit wäre jedem tüchtigen Staatsanwalt genug Material an die Hand gegeben, um der Canaille an den Hals zu gehen. Es ist nur eine Frage des politischen Willens. Von diesem aber scheint noch weniger im Lande unter den Eichen vorhanden zu sein, als von vernünftig aufgewendeten Geldern.

23. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
07.06.2013