Wir wollen nur Ihr Bestes...
nämlich Ihr Geld!
Wie man bei der Zurich-Versicherung Geld macht
Don M. Barbagrigia
„Wir lassen Sie nicht im Regen stehen! Wir lassen Sie sitzen!“
Hört sich gut an?
Etwas zu gut, denn den zweiten Teil des Slogans würde die Zurich
natürlich nicht in die Welt hinaus tönen. Sie handelt nur
danach. Doch damit ist sie in der internationalen Versicherungslandschaft
natürlich nicht alleine. Wir kennen das Gebaren der Assekuranzen.
Sie malen uns in apokalyptischen Fragen die Schrecken der Welt an die
Wand und offerieren uns im gleichen Atemzug die vor Güte triefende
Möglichkeit, unsere bedrohten Existenzen unter ihr schützendes
Dach zu flüchten. Und das alles nur für winzige Beiträge,
nur ein paar Cent... pro Stunde...! Na, Sie werden doch diesen lächerlichen
Pfennigkram nicht gleich aufs Jahr hochrechnen! Wer macht sich denn
diese Mühe? Nur, um herauszubekommen, dass das Jahr 80.760 Stunden
hat und sich also diese paar Cent ganz schnell mal zu Beträgen
läppern, die nach Hunderten Euro zählen? Nicht doch –
solche Zahlenspielereien nimmt Ihnen Ihre liebe Versicherung mit Freuden
ab. Die sind im Umgang mit dem Taschenrechner ausgebildet. Für
irgend etwas müssen die ja schließlich auch Ihr Geld bekommen.
Und sie bekommen es! Denn die ganz einfachen Formalitäten sind
auch ganz fix erledigt. „Das Produkt ist übersichtlich, keine
Stolpersteine, Ecken und Kanten, hier ham’se die AVB und nu mal
schnell hier unterschreiben, na sehen Se! Das war’s schon. Herzlichen
Glückwunsch – Sie sind versichert!“
Das glauben aber auch nur Sie! Gehen Sie mal ein Stück zurück
im Text. Da war doch was... Ach ja, richtig: die AVB – die allgemeinen
Versicherungsbedingungen. Sechs Seiten eng bedruckt mit 6-Punkt-Schrift
– da tun einem ja schon beim Hinsehen die Augen weh. Das soll
ich alles lesen? Studieren gar? Ganz genau studieren? Quatsch –
der Mist stopft mir meinen Schreibtisch zu und liegt längst im
Papierkorb. Die Regeln sind doch einfach. Haben mir die Jungs doch alles
erklärt: Wenn Sie in Not geraten, dann helfen wir. Na also.
Falsch! So dachte auch Frau Maike Landmann* als sie bei der Deutschen
Bank am 17.12. 2007 einen Kreditvertrag über € 10.676,56 abschloß.
Landmann saß gut im Sattel – die Kreditraten waren kein
Problem – na ja, für den unwahrscheinlichen Fall, dass man
mal arbeitslos werden würde, sollte man vielleicht über die
Zurich eine Arbeitslosenversicherung für sage und schreibe €
614,56 mitnehmen. Man kann ja nie wissen.
Stimmt! Landmann konnte nicht wissen, dass sie zwei Jahre später
schwer erkrankte.
An jenem Tage im Juli biss ihr eine kleine, giftige Viper ohne Warnung
an der Ecke einer Scheune in die Wade, der Rock war wohl nicht lang
genug gewesen, die Viper verschwand, ohne dass man ihr den häßlichen,
züngelnden Kopf hätte zertreten können, eilends im faulenden
Stroh und ward nicht mehr gesehen. Keiner hätte Ihr da helfen können.
Die Sache zog sich. Frau Landmann verlor ihren Job. Der unwahrscheinliche
Fall war eingetreten. Das Geld wurde knapp. „Na ja, macht nichts,
“ dachte sich die Angeschlagene, „wofür hat man denn
eine Kreditabsicherung?“ Gemach, gemach! Zunächst einmal
greift diese Versicherung nach §2 Abs. 4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen
für die Arbeitslosigkeitsschutzversicherung (ALV) erst nach drei
Monaten „Karenzzeit“, dass heißt, erst im vierten
Monat nach Eintritt der Arbeitslosigkeit wird die erste Versicherungsleistung
fällig. „Aber wieso? Arbeitslos bin ich vom ersten Tag an.
Das Arbeitsamt zahlt doch auch nicht in den ersten drei Monaten meine
vollen Bezüge weiter?“ Frau Landmann wundert sich. Ja, ja,
meine Liebe – die Versicherungen haben da ganz andere Vorstellungen
von der Welt - aber das stand doch deutlich zu lesen. 6-Punkt-Schrift!
Haben sie nicht gesehen? Na, sie sind mir ja eine! Überhaupt, hätte
sie das kleine giftige Mistvieh schon innerhalb der ersten sechs Monate
mit seinem Biss in die Arbeitslosigkeit befördert, wäre die
Versicherung auch nicht eingesprungen. Schauen Sie mal unter §
2 Abs. 6 nach!
Nun gut, das erste Quartal ist um. Jetzt aber!
Äh, äh! Frau Landmann, Frau Landmann, Sie glauben doch nicht
ernstlich, dass Sie, nur weil sie sozialversicherungspflichtig angestellt
arbeiteten und dafür Gehalt bezogen, in den Augen der Zurich eine
Arbeitnehmerin waren! Deutlich steht in § 2 Abs. 3 nachzulesen:
„Arbeitnehmer ist eine versicherte Person, die vor Beginn der
ersten Arbeitslosigkeit oder bei Beginn des Versicherungsschutzes mindestens
12 Monate ununterbrochen beim selben Arbeitgeber... sozialversicherungspflichtig
beschäftigt war...“ Haben sie etwa aus den Augen verloren,
dass sie zum Jahreswechsel 2009/2010 bei einem neuen Brötchengeber
angeheuert hatten? Ja, so ist das in unserer schnellebigen Zeit: Alt
wird in seinem Betrieb kaum noch jemand. Aber deshalb schreibt die Zurich
ja auch einen Absatz später: „Die Regelungen über Arbeitslosigkeit
gemäß SGB sind nicht, auch nicht analog, anwendbar.“
Verstehen Sie – das meinten wir mit „eigene Welt“,
geschaffen aus einem Wust eigener Definitionen. Die haben Sie unterschrieben,
liebe Frau Landmann. Schön doof!
Von Ihren € 614, 56 fällt bestimmt eine Flasche Schampus ab,
mit der die Versicherer im lauschigen Bonn am Rhein auf die Blödheit
ihrer Kunden anstoßen könnten. Nur so wird man reich –
nur so. Ach ja – und übrigens: Der neue Job war finanziell
sehr lukrativ, er hatte nur einen Haken – er war dem Zuge der
Zeit folgend befristet. Na klar stand die Übernahmeoption im Raume.
Schriftlich fixiert und in trockenen Tüchern war das zwar noch
nicht, aber Sie wissen doch...!
Gar nichts wußten Sie. Vor allem nichts von dem kleinen, aber
alles entscheidenden Wort „unbefristet“. Es stand im §2
Abs. 4 in der versicherungseigenen Definition der Arbeitslosigkeit:
„Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person als Arbeitnehmer
aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis heraus während der
Dauer des Versicherungsschutzes unverschuldet arbeitslos wird und nicht
gegen Entgelt tätig ist...“
Als Sie von der Schlange erwischt wurden, unterlag Ihr Arbeitsverhältnis
de facto einer Befristung – das reichte der Versicherung, sich
ganz legal aus allen Dienstleistungsverpflichtungen zu verabschieden.
Während man Ihnen dies begründete, bekamen Sie nun ein Exemplar
der AVB nach dem anderen zugesandt – und jetzt waren die für
Sie ungünstigen Stellen sogar gelb angemarkert! Das hätten
die sauberen Brüder vor Ihrer Unterschriftsleistung im Leben nicht
gemacht.
„Nepp, “ schreien Sie jetzt? Sie wollen Ihren Rechtsanwalt
mit der Prüfung des Falls beauftragen, weil Sie argumentieren,
Sie seien während des Verkaufsgespräches auf diese Stolperfallen
nicht ausreichend hingewiesen worden? Vergessen Sie’s! Sie hatten
doch Zeit genug, sich das alles in Ruhe zu Hause noch einmal durchzulesen.
Der §10 Abs. 1 räumte ihnen eine 30tägige Widerrufsfrist
ein. Na sagen Sie mal! Was wollen Sie denn noch?
Was? Sie bestehen auf gründlicher Aufklärung und Information?
Liebe Frau Landmann, Sie haben den Kapitalismus nicht begriffen. Der
oberste Grundsatz lautet: Werde fett, indem Du vielen Nachbarn und Mitmenschen
möglichst mit deren Einverständnis tief in die Tasche greifst.
Da sich keiner gerne in die Tasche greifen lässt, lüge ihnen
überzeugend vor, es sei zu ihrem Nutzen, wenn Du ihnen Schund und
Luftblasen andrehst, wie die Weißen einst den Negern für
Sklaven Glasperlen gaben. Und vor allem – nutze gnadenlos ihre
Schwächen aus! Es muss rein rechtlich gesehen ihre Schuld sein,
wenn sie dir auf den Leim gingen. Wenn das übers Ohr gehauene Pack
den Betrug riecht und Klage erhebt, dann darf der Richter am Ende gar
nicht anders können, als in deinem Sinne zu urteilen, wie sehr
ihm das menschliche Herz dabei auch bluten mag.
Und darum lassen Sie sich, liebe Frau Landmann, die Lehre ihre €
614,56 plus Kreditrestschuldsumme wert sein, auf der sie nun sitzen
bleiben: Eine Versicherung sagt nur in einem Falle sowohl garantiert
als auch laut und deutlich die Wahrheit: Wenn sie Ihnen verkündet:
„Wir wollen nur Ihr Bestes!“ Das wollen sie wirklich! Nämlich
– Ihr Geld!
*Name geändert, der Redaktion bekannt