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Ganze Kompanie - Kehrt!

Uni Bayreuth äußert sich zur Causa Guttenberg
Wir danken unserem geschätzten Leser Herrn R. L. aus A., der uns mit seiner ebenso nachdenklichen wie überlegten Zuschrift veranlasst hat uns dem leidigen Thema noch einmal intensiv zu widmen.

Don M. Barbagrigia

Es ist ein schwerer Gang. Aber wir müssen ihn gehen. Die Universität Bayreuth hat ihre Expertise zum Fall des Karl-Theodor zu Guttenberg geschrieben, wir lasen sie gründlich und nun verlassen wir bedrückt den Graben, aus dem heraus wir den Freiherren mit drei Beiträgen unterstützt haben. Rechnet man die Menge der Zitate, aus der diese Dissertation besteht, aus dem Opus heraus, bliebe vom Umfange her betrachtet nicht einmal die Rechtfertigung zur Vorlage einer Diplomarbeit übrig.

Wir wollen nicht vom Tisch fegen, was der Freiherr zu seiner Rechtfertigung anfügte. Überlastung, berufliche Inanspruchnahme, familiäre Situation... aber dann kann man sich eben nicht an das Verfassen eines wissenschaftlichen Aufsatzes machen, der zum Ziel hat, dass man durch seine Alma Mater zum Doktor promoviert wird.

Das muss ein erwachsener und studierter Mann einschätzen können. Es ist dasselbe, wie wenn man sich entschlösse, in Bermuda-Shorts und Sandalen das Matterhorn zu besteigen. Das geht nicht, das ist ausgeschlossen, das ist Dummheit, die bekanntlich vor Strafe nicht schützt.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat genau das aber getan und nun sind ihm die Zehen erfroren. Der Absturz war tief - er ist gebrandmarkt. Der Vorzeige-Ehrenmann der Gesellschaft hat viele, viele Menschen mitgenommen auf seinem tiefen Fall. All jene, die wieder die Hoffnung hegten, mit ihm kämen Ehrlichkeit und Geradlinigkeit, Werteorientierung und Uneigennützigkeit zurück ins politische Tagesgeschäft, sehen sich nun in einem Maße um diese Hoffnung betrogen, der sie in einem tieferen Stimmungskeller aufwachen ließ, als dies vordem der Fall gewesen war. Wir schließen uns da nicht aus.

Denn, hat der Freiherr das wissenschaftliche Matterhorn bestiegen, weil er meinte, dass sein Name im Gipfelbuch von ihm erwartet werde, dass ihm der Doktortitel bei der weiteren Karriere förderlich sei oder auch sonst nur ein hübsches Dekor abgebe - dann bewies er mit diesem Schritt nur wenig Achtung vor dem hart zu erarbeitenden Doktorhut. Billig wollte er in diesem Falle die Achtung der anderen einkaufen, die gerade dieser wissenschaftlichen Leistung seit Jahrhunderten zu Recht von der Allgemeinheit gezollt wird. Ist das nicht auch eine Art des Korrumpiertwerdens, bei der das bestechende Moment in jener ebenso unverdienten wie lange Zeit unangefochtenen Aufmerksamkeit liegt? Wer aber verbürgt bei einer solchen Denkweise die Integrität des Ministers im Amte? Und wenn der Minister über die Fähigkeit verfügt, das amtliche vom menschlichen Denken und Handeln zu trennen, läge dann dem nicht eine gewisse Schizophrenie zugrunde, die einer weiteren öffentlichen Amtsführung ebenfalls abträglich wäre?

Der Argumentation des Betroffenen kann man sich nicht ruhigen Gewissens anschließen.

Natürlich ist es schwer, wenn man mehreren Tätigkeiten in verschiedenen Büros gleichzeitig nachgeht, die Familie nicht vernachlässigen will, das Material auch noch über mehrere Rechner verteilt und der Tag zu allem Elend wie bei jedem anderen Normalsterblichen auch nur 24 Stunden hat. Aber dann besitzt man entweder die Fähigkeit, diese komplexen Anforderungen passabel zu organisieren, oder man muss sich dazu durchringen, eine solche Mammutaufgabe wie das Schreiben einer Dissertation auf ruhigere Zeiten zu verschieben.

Die Übersicht über das Quellenmaterial zu verlieren ist gleichbedeutend, wie es für den Automobilisten fatal ist, wenn er gleich mehrere Verkehrszeichen hintereinander ignoriert. Für die daraus resultierende Karambolage zeichnet der blinde Kraftfahrer voll verantwortlich. Die Ausrede, er hätte familiären und beruflichen Stress zu verarbeiten gehabt, er sei seit einer Woche auf Grund von Medikamenteneinnahme eingeschränkt sehfähig oder hätte am Abend zuvor einen über den Durst getrunken, kann und darf nicht entlastend in Betracht gezogen werden. In diesem Falle setzt man sich nicht hinter ein Steuer! So einfach ist das.

Es mag bitter sein, aber ein Zitat-Vergehen in einer Dissertation muss mit demselben Gewicht gewogen werden, wie die Erstellung der Arbeit durch einen Geisterschreiber oder den Kauf des Werkes an der Universität von Tijuana.

Noch wesentlicher aber erscheint uns nun im Lichte der neuen Erkenntnisse, dass der Baron allzulange an seinem Amte festgehalten hatte. Ihm muss beim ersten geäußerten Verdacht klargeworden sein, wieviel im Vergleich zum eingefügten Material er selbst geschrieben hatte und wie seltsam lütt dagegen sich sein Quellenwerk ausnahm. Diese Disproportionalität hätte in der Frühphase analog zu der von ihm immer wieder plakatierten Offenheit und Ehrlichkeit zwingend zu den Erklärungen führen müssen, die er peu a peu im Laufe der dann gegen ihn initiieren Parforcejagd abgab. Sicher wäre dann auch die Meute der Terrier und Wadenbeißer überschaubar geblieben, die sich an die Blutspur des waidwund geschossenen Zwölfenders heftete. Der Rücktritt hätte rasch und lautlos erfolgen müssen und schon einen Tag später hätte man eine neue Sau durchs Dorf getrieben. So aber ist der Schaden immens - der Name zu Guttenberg bleibt nun für lange Zeit im kollektiven Gedächtnis der Deutschen unrühmlich verhaftet. Eine Reparatur scheint auch langfristig ausgeschlossen - Totalschaden!

Diese Zeilen aufs Papier zu bringen, birgt einen unangenehmen Beigeschmack: Es ist, als begebe man sich auf eine Stufe mit dem Esel, der wacker und beherzt nach dem toten Löwen tritt. Höchst unerquicklich. Doch haben wir damals Farbe bekannt, so müssen wir es heute wieder tun.

Die Affäre jedoch hat etwas Tröstliches: Sie trat eine Lawine von Enthüllungen los, die jeden Doktoranden an die seinem angestrebten Doktorhut zugrunde liegende Würde gemahnt. Sie zeigte deutlich auf, wohin es mit Ehrlichkeit und Anstand in einer auf verlogene Werbung ausgerichteten Gesellschaft gekommen ist, in der ein hanseatischer Kaufmann als Trottel gilt und man sich allenthalben um das schönste Etikett balgt, sei die Plürre dahinter auch noch so ungenießbar.

Der Aufschrei in der Gesellschaft war laut. Wir waren nicht unter denen, die nunmehr Recht behielten. Möge aber dieser Aufschrei, an dem wir - zu unserer Schande sei's gesagt - nicht beteiligt waren, den schwarzen Schafen unter denen zur ernsten Warnung dienen, welche zukünftig die Promotion anstreben! Wenn unter solchen Vorzeichen wieder ein breiter Konsens über die zu bezeigende Anständigkeit und Seriosität gefunden wird, dann wollen wir der Affäre auch noch eine gute Seite abgewinnen, so schwer es immer fallen mag.

19. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
16.05.2011