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So reich – so doof – so kriminell!
Senile Kidnapper werden Opfer der eigenen Gier oder:
Eine lustige Posse aus dem Stadl

B. St. Fjøllfross
"Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens." Dieses legendäre Zitat stammt von Karl Marx, der das Kapital mit meisterhaftem Verstand analysierte. Problematisch an dem Denker aus Trier war eigentlich nur, dass er sich unbedingt als Gesellschaftsphilosoph versuchen wollte. Das half eine neue Religion begründen, die wiederum unsagbares Elend über Millionen von Menschen brachte, indem sie den Anspruch verkündete, sie glücklich machen zu wollen.
Die kommunistische Religion aber erwies sich auf Dauer als wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig und marschierte ab in die Horrorkabinette der Geschichte, gleich neben die Folterkammern der Inquisition.
Die Menschen wandten sich wieder ihrem alten, erfolgreichen Götzen Mammon zu, umtanzten das Goldene Kalb und ließen den lieben Gott und dessen irdisches Ebenbild Karl Marx einen guten Mann sein.
Während der großen Krise des letzten Jahres wurden in die Partitur der globalökonomischen Sinfonie einige übel klingende Dissonanzen hineingeschrieben und der Tanz generierte zu einem Rondo Diavoli.
Besonders die Alten in Südwestdeutschland, aus dem Ländle und aus dem reichen Bayern, die ein Leben lang nach dem Prinzip "schaffe, schaffe, Häusle baue" geackert hatten, begannen Amok zu laufen.
Was vorher nur zu einer cineastischen Gaunreklamotte reichte, wurde nun von einigen rüstigen Greisen in der Realität inszeniert. Während ihre um die lang angesparten Anlagen betrogenen Alters- und Leidensgenossen vor den Filialen ihrer betrügerischen Banken auf und ab spazieren und dabei sinnlose Reime skandieren, mithin das Tagesgeschäft ein wenig zu stören versuchen, schritten zwei Rentnerehepaare zur Tat.
Roland K. (74) und Ehefrau, ein Ehepaar F. aus dem Dorfe Hart, knapp vier Kilometer vom Ufer des Chiemsees entfernt, und Will D. (60) kidnappten ihren „Freund“ James A. Der hatte den gierigen Alten, die schon in für arme Neger unvorstellbarem Luxus lebten, einige Blasen verkauft, die unter Mitnahme von 3 Millionen Euro platzten.
Woher die Summen stammten, welche die betagten Glücksritter in den amerikanischen Sand setzten? Nun, der Landbote wies bereits oft darauf hin, dass Reichtum nichts anderes bedeutet, als die Ersparnisse vieler in den Händen weniger. Wenn also die Alten während ihres mühevollen Arbeitslebens scheffelten, was das Zeug hielt, so dass sie nicht nur in den schönsten Lagen Süddeutschlands protzige Immobilien ihr Eigen nennen, sondern darüber hinaus noch über Wohnsitze in Amerika verfügen, müssen doch auch viele, viele fleißige Hände zu diesem immensen Reichtum beigetragen haben. Freiwillig? Haben die Alten auch an diese gedacht, die sie jahrelang schindeten und schabten oder von ihren zinsspendenen Banken schinden und schaben ließen?
Sind sie vor diesen Banken auch auf und ab gerannt wie eine wütende Hammelherde, als diese Banken die Dritte Welt aussaugten, bis die Negerkinder unter der Sonne der Sahelzone vor Hunger nicht mehr in der Lage waren sich die Fliegen aus den Augen zu wischen? Die schlaff herunterhängenden Brustlappen der klapperdürren Mütter gaben schon lange keine Milch mehr. Da saßen die rüstigen Scheffel-Rentner vor ihren riesigen Fernsehern und sahen sich das Elend für ein paar Minuten an, bevor sie zu „Dallas“ und „Denver-Clan“ umschalteten. „Wenn du morgen zur Bank gehst, Mutti, dann zahl mal 10 Mark auf das Spendenkonto! Und vergiss nicht, nach den Depotauszügen zu fragen. Und sag noch dem Heinzl Bescheid, wegen dem neuen Immobilienfonds bei Lehman Brothers... Wir wollten doch noch nächste Woche einen Termin machen, ehe die Optionsscheine alle weg sind! 6% - Wahnsinn!“
James A. soll sogar 18% versprochen haben. Da leuchteten die Augen der Gierigen auf wie die Spielautomaten von Las Vegas. Das musste gezeichnet werden, koste es, was es wolle. Keinen Augenblick die Frage, was man mit diesem Noch-Mehr-Noch-Mehr anfangen wolle, wo man doch schon mehr hatte, als sich verbrauchen ließ. Keinen Augenblick die Frage, zu wessen Lasten diese 18% gehen, wer dann wohl entmietet würde und auf der Straße sitzen müsste, damit die alten Gangster sich ein drittes Haus kaufen könnten. Es gilt nur: „Ich, ich, ich und das mit Recht!“ Die anderen sind ihnen scheißegal. Der Kapitalismus, der diese Canaillen herangezüchtet hat, ließ sie alles vergessen, was ihnen der Pfarrer des Sonntags in der Kirche predigte, in die sie sich brav und regelmäßig begaben. Denn man will ja vor den Leuten fromm und anständig dastehen!
Die Gier trübte den Blick in den Spiegel! In einen beispielsweise, den ihnen Hieronymus Bosch auf seinem Bilde „Der Tod des Geizigen“ vorgehalten hat. Für eine Fahrkarte von Florida nach Washington hätte es doch gerade noch gelangt, oder? Und ein Entree-Billett für die National Gallery of Art wäre auch noch drin gewesen. Dort nämlich hängt das Bild, auf dem Meister Hieronymus, auch van Aken genannt, eindrucksvoll dargestellt hat, wie es einem ergeht, der sinnlos dem Profit hinterherjachtert. Deutlich ist zu sehen, von wem das Geld kommt, nach dem der Sterbende noch immer die gierigen Hände ausstreckt, obgleich er mit den Moneten schon nichts mehr anfangen kann. Ein Dämon hält den Säckel hin, ein anderer kraucht unter der Geldtruhe hervor, ein nächster nimmt von einem Kaufmann Geld entgegen, was auf der hohen Kante verbleiben soll. Welche Prophetie steckt in diesen Meisterwerken und wie wenig hat sich seither geändert!
Diese Dämonen waren so mächtig, dass sie die Greise sogar vergessen ließen, was sie bereits im Konfirmandenunterricht eingebläut bekamen: Du sollst das Recht nicht in die eigene Hand nehmen, denn der Herr spricht, die Rache ist mein! Du sollst Deinen Nächsten nicht kidnappen, denn du sollst deine Feinde lieben, wie dich selbst und denen die rechte Backe hinhalten, die dich auf die linke schlagen... Aber ihr Jesus hat eben nur etwas in der herausgeputzten Dorfkirche zu suchen, keinesfalls aber in der Welt der knallharten Finanzgeschäfte.
Und so entführten sie ihren Anlageberater, sperrten ihn ein, drohten mit Folter und Tod, wollten ihre Kohle zurück und wunderten sich in all ihrer Blödheit, dass plötzlich das SEK in der Kidnapper-Bude stand und den windigen Windbeutel aus seinem Verlies befreite.
Nun sind sie nicht nur ihre 3 Millionen los, sondern darüber hinaus noch die Freiheit, jedenfalls teilweise. Die Ehefrauen bekamen Bewährungsstrafen und alle sind nun gewöhnliche Kriminelle. Sie brauchen keine Angst zu haben: Ihnen sind höhere Sympathiewerte gewiss als Kinderfickern, Bankräubern oder gewöhnlichen Entführern. Denn im Gegensatz zu diesen wollten sie doch nur „ihr“ Geld zurück haben! So nämlich denken Millionen gleichgearteter Dummköpfe, die nur deshalb nicht auf die Schnauze fielen, weil es ihnen am nötigen Investitionskapital mangelte. Es mangelt den so Denkenden auch an dem Verstand, der nötig ist zu begreifen, dass es eben nicht mehr „ihr“ Geld war. Auch der Kapitalismus kennt Spielregeln. Wenn ich in der Hoffnung auf Gewinn mein Geld in ein Unternehmen steche, muss ich das Risiko ertragen können, es zu verlieren. Ich kann nicht den Tisch umkippen und meinen Mitspieler über den Haufen schießen, weil ich das dritte Mal hintereinander ein schwaches Blatt habe. Das geht nicht. Und deshalb sitzen die gierigen Alten zu Recht.
Eine Greisin aus der Meute der süddeutschen Bankenbelästiger sagte jüngst in das Mikrophon eines Reporters: „Wir mögen alt sein, aber wir sind nicht dumm...!“ Doch, genau das sind sie! Gier mag listig und verschlagen machen – sie macht aber selten klug, und wenn, dann meist erst nach dem großen Knall. Oder nach dem Gefängnisaufenthalt...
Viel Zeit zum Nachdenken wünschen wir den nunmehr in beengten und nicht ganz so sonnigen Verhältnissen residierenden Kidnappern von Bayern. Zumindest brauchen sie nicht in Panik zu verfallen, wenn ihnen beim Duschen ein Stück Seife herunterfällt. Außer der schlanke Herr mit dem Stundenglas und der Sense, der auch zu jedem Knast einen Generalschlüssel besitzt, wie wir denn dem Bosch'schen Gemälde entnehmen, wird sich wohl niemand sonderlich für ihre Ärsche interessieren. Wenn dieser sie aber freundlich mitzukommen bittet, sollten sie nicht zögern: Die Zelle wird für die nächste Generation gieriger und krimineller Volltrottel bereits gebraucht.

19. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
19.02.2011