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Flieger – grüß mir die Weichsel und grüß mir den Wahnsinn und grüß mir den Tod!
Polnischer Kunstflieger tödlich verunglückt

Michael L. Hübner
Marek Szufa ist tot. Mütterchen Weichsel wurde zu Plock sein nasses Grab. Warum? Szufa war einer der profiliertesten Kunstflieger Polens. Ein Profi. Seine Kunststücke fehlten auf keiner renommierten Flugschau. Diesmal durchflog er ein Tor, setzte zu einer Pirouette an, zog die Maschine noch einmal hoch, diese geriet ins Trudeln. Szufa versuchte sie noch abzufangen, aber das Flugzeug hatte bereits zu wenig Höhe über Grund und krachte mit Wucht in den Strom. Es zerschellte. Geschlagene zwanzig Minuten brauchten die Rettungskräfte, um den verunglückten Flieger zu bergen, der seinen schweren Verletzungen jedoch noch an Ort und Stelle erlag.
Ein polnischer Albrecht Ludwig Berblinger, genannt der Schneider von Ulm, ein würdiger Sohn Otto Lilienthals gar? Leider nein. Wir zollen Hochachtung jedem, der ein Fluggerät beherrscht und wir freuen uns für jeden Flieger, dem es auf die eine oder andere Weise gelang, sein Hobby zum Beruf zu machen.
Diesen Flugschauen aber sprechen wir jeden Sinn ab.
Was ist deren Intention? Die Begeisterung der Zuschauer für die Fliegerei zu wecken? Mitnichten. Die da stehen und schauen, die wollen den Nervenkitzel. Deshalb gestalten solchen Asse wie Marek Szufa ihre akrobatischen Einlagen immer waghalsiger, wie er noch 2005 vor laufender Kamera zugab. Es ist wie im Zirkus: Die einen suchen den "Thrill", die anderen bieten ihn. Worin aber liegt der Reiz dieses gefährlichen Wahnsinns? Natürlich in der desto stärker bestehenden Möglichkeit des dramatischen Scheiterns, je gefährlicher das Kunststück angelegt ist. Immer wieder zieht es den Nackten Affen zu solchen Ereignissen. Es ist die Sensationsgier. Großartig, wenn der Artist es schafft – aber nicht zu übertreffen, wenn er grandios scheitert! Vielleicht wird der Besucher der Flugschau ja Augenzeuge eines spektakulären Unfalls, so wie damals in Paris, und kann dann zu Hause mit dem Erlebten prahlen. Vielleicht aber ist der Unfall auch das Letzte, was er auf Erden zu sehen bekommt. Die Erinnerungen an Rammstein werden wach.
Warum müssen Flieger durch enge Tore fliegen, Schrauben drehen und aberwitzige Loopings? Befinden sie sich im Luftkampf mit dem Roten Baron? Gilt es ein Geschwader Kamikaze abzufangen, bevor sie den Flugzeugträger treffen? Nein, es geht nur um profane Unterhaltung. Ein Marek Szufa hat sich zum Clown für eine glotzende Menge gemacht und deren Amüsement mit seinem Leben bezahlt. Der Schneider von Ulm war ein tapferer und kluger Flugpionier, der viel für die Entwicklung der Fliegerei getan und riskiert hat. Otto Lilienthal war ein Held in jeder Beziehung, ein Wegbereiter, ein genialer Kopf, einer, der das Risiko mit seinem Verstand zu minimieren suchte und den man unbedingt zu den Vätern der Kunst der Fliegerei rechnen muss. Der Schneider von Ulm überlebte sein ebenso gründlich vorbereitetes wie kühnes Experiment, dessen Scheitern nicht in seiner hauptsächlichen Verantwortung lag. Er ward aber hernach von brüllender Dummheit verlacht und in seiner Existenz vernichtet. Lilienthal dagegen starb nach seinem Absturz zu Stölln einen tragischen Tod, der seinen Namen jedoch unsterblich machte.
Marek Szufa jedoch lebte als Flieger und starb als Narr. Sein Tod stimmt uns in vielfacher Hinsicht mehr als traurig. Denn er entbehrt jeden Sinnes. Das Übelste aber dünkt uns zu sein, dass Szufas Name, den er mit seiner Kunst bekannt machen wollte, ob dieser Sinnlosigkeit nun dem raschen Vergessen anheimfallen wird. So hart es klingt, so weh uns diese Worte selbst tun – aber das hat er verdient. Weil man die edle Kunst des Fliegens nicht für billige Kirmes-Attraktionen mißbraucht. Eine Kunst, für die große Männer wie Albrecht Ludwig Berblinger, Otto Lilienthal, Wilbour und Orwell Wright und viele andere zum Nutzen der Menschheit viel gewagt und hart gearbeitet haben. Und Schande über diejenigen, die mit ihrer Gaffsucht dem Flugschau-Irrsinn Vorschub leisten, ihn einfordern und solche Leute wie Szufa mit auf ihr Gewissen laden. Vorrausgesetzt, sie haben eines!

19. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
21.06.2011