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Text ohne Quelle
Die Meute hetzt den Minister

Don M. Barbagrigia
Nun ist die Meute von der Leine... Es ist, als ob man in einem Zirkus sei, dessen Prinzipal den Besuchern freigestellt hätte, die Bestien zu peinigen. Tiger, Löwe, Bär und Elefant sitzen hinter den Gitterstäben angekettet, der Mob bekommt Stöckchen in die Hand und darf durch die Absperrungen durchlangen. Keiner der Kreaturen wären die Gaunerchen draußen in freier Wildbahn gewachsen. Keinem würden sie sich in den Weg stellen. Aber hier, aus der Sicherheit heraus – da können sie alle zeigen, was sie für Kerle sind – echte Scheißkerle nämlich. Eine feige Meute eben.
Zwischen dem Bären und dem Panther steht der Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, Freiherr Guttenberg. Seine Dissertation soll mit Plagiaten gespickt sein. Den Anschein hat es, zugegeben. Denn ein Plagiat liegt immer dann vor, wenn eine fremde Meinung wörtlich zitiert wurde, ohne dass eine zufriedenstellende Quellenanlage die entsprechende Ausführung und deren Autor zweifelsfrei belegt. Eine Promotionsarbeit kommt in heutiger Zeit kaum noch ohne Zitate aus. Doch sie muss den Nachweis erbringen, dass ihr Verfasser zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit befähigt ist. Das ist Sinn und Zweck einer Promotion A. Also liegt nicht nur die stilgerechte und sachlich einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn beinhaltenden Form in der Verantwortung des Doktoranden, sondern eben ein auch ein lückenloses, nachvollziehbares und sauber von den eigenen Gedanken abgegrenztes Quellenwerk. Wenn es sich herausstellt, dass die Plagiatsvorwürfe einer Beweisführung standhalten, dann ist die Promotion hinfällig und der Baron muss den Doktorhut zurückgeben. Dabei ist es egal, ob sich bei annähernd 1200 Fußnoten ein paar Fehler bewusst oder aus Versehen in der Arbeit einschlichen. Auch Versehen schließen eine gewissenhafte Vorgehensweise aus, die für die Vorlage einer Doktorarbeit unerlässlich ist. Soweit dieses.
Aus diesem Grunde mag ein wissenschaftliches Gremium die Vorwürfe prüfen. Die Universität Bayreuth muss zu einer Entscheidung gelangen und sie dem Bundesverteidigungsminister mitteilen. Ob ein für diesen negativer Ausgang der Affäre Konsequenzen in Bezug auf die Fortführung seines Amtes haben sollte, ist eine schwierige Frage, der wir uns mit aller gebotenen Vorsicht nähern. Das ist so eine diffizile Käsmann-Geschichte, die ein differenziertes Herantasten erfordert. Keiner von uns weiß, wie das zustande kam. Arbeite er unter Druck? Oder ist er ein geborener Trickser? Waren die Passagen lässlich? Oder beinhalteten sie den Kern der Arbeit? Kann man es sich leisten, die Promotion und den Geist, der ihr zugrunde liegt, von der jetzigen Arbeit des Ministers und seiner bewiesenen Haltung zu trennen? Oder gibt’s da unüberbrückbare Parallelen?
Letzteres erscheint uns unwahrscheinlich. Nicht, dass wir dem Ken- und Barby-Schema der Familie Guttenberg erlegen wären. Das Auftreten dieses Mannes verrät aber denn doch einen sehr geschulten, souveränen und selbständigen Geist, der unbillige Mittel wohl nicht nötig haben wird.
Sollte sich das Gegenteil herausstellen, dann allerdings... und nur dann muss man sich die Persönlichkeit des Ministers noch einmal unter der Lupe besehen.
Was aber wirklich schockiert, ist die Bluthundmentalität derer, die nun ein „Gutten-Plag-Wiki“ betreiben. Es ist diese widerliche Lust, sich als Teil einer Meute an einer Treibjagd zu beteiligen, ohne selbst auch nur das geringste Risiko einzugehen, ohne ein moralisch gedecktes Recht zu besitzen, ohne nachgewiesen zu haben, dass man selbst über die Integrität zu verfügt, die man dem Anderen abfordert. Unter den selbsternannten Jägern der plagiierten Abschnitte von Herrn Guttenbergs Arbeit sind viele kläffende Dorfköter, die sich nun über ein Werk hermachen, das die wenigsten intellektuell zu erfassen in der Lage sein dürften, selbst wenn die Hälfte aus Abgeschriebenem besteht. Noch seltener wird man wohl unter den Bluthunden jemanden antreffen, der selbst eine Promotion A zu erstellen und vor allem zu verteidigen in der Lage wäre. ...es sei denn unter Zuhilfenahme von einigen Tausenden Dollars an der Unversidad de Tijuana.
Nein, was viele dieser Leute umtreibt, ist derselbe Trieb, der den Fürsten vergangener Tage dazu bewog, den stolzen Keiler zur Strecke zu bringen. Nicht, dass dieser eine Bedrohung des eigenen Reviers gewesen wären, wie Luchs, Wolf oder Bär. Ganz im Gegenteil, er gereichte den fürstlichen Forsten zur Zierde. Nur – dort sah man ihn zu selten. Sein ausgestopfter Kopf über dem Kamin nimmt sich doch viel prächtiger aus. Damit kann man pranzen. Dass man das große Tier aus der sicheren Entfernung der Deckung mit einer Fernwaffe feige und tückisch erlegte, statt ihm mannhaft entgegenzutreten, wenn man es denn schon zur Strecke bringen muss – oder zu müssen glaubt – das verschweigt man seinem andächtig glotzenden Publikum. Dass wir so fernab vom Wesen der von uns solchermaßen charakterisierten, feigen Gesellen nicht liegen können, beweist schon die Namensgebung der virtuellen Schießbahn: „Gutten-Plag-Wiki“. Es erübrigen sich weitere Kommentare.
Sollte die Universität Bayreuth dazu entschließen, den Doktorhut von Herrn zu Guttenberg zurückzufordern, dann verböte sich wahrscheinlich eine Kanzlerkanditatur. Das wäre dann wirklich sehr zu bedauern. Dabei ist es egal, wie smart der Freiherr daherkommt. Wichtig ist, dass er nicht nur das Zeug hat, eine ordentliche Promotion A einzureichen, sondern darüber hinaus Deutschland seriös, stilvoll, kompetent und überzeugend nach innen wie nach außen zu vertreten. Die Schuld, das Land in eine solch gewichtige personelle Kalamität bugsiert zu haben, da ein Generationswechsel in der Führungsriege unabdingbar erscheint, geht dann nicht nur an den verhinderten Kanzlerkandidaten selbst, sondern anteilig auch an die Meute, die sich aus purer Sucht, eigene niedere Treibe zu befriedigen, mit reißerischem Fanatismus an die Fährte des waidwund geschossenen Ministers geheftet hat. Wenn sich aber der erdrutschartige Wahlsieg der SPD in Hamburg wegweisend für die politische Umgestaltung auf Bundesebene erweisen sollten, könnte sich diese Fragestellung sowieso bald erübrigt haben. Dann war's halt nur wieder ein Sturm im Wasserglas.

Nachsatz vom 22. Februar 2011: Der Parteivorsitzende der Linken, Klaus "Porsche" Ernst ließ verlauten, man wisse ja nicht so recht, ob jemand, der bei der Doktorarbeit schummele, nicht ein generelles Problem mit der Wahrheit habe. Gut gebrüllt, Löwe! Schade, dass sich Herr zu Guttenberg konsequent die Idee versagt, bei der Linken mal ein Gastspiel zu geben. Die wären wohl über das populäre Neu-Mitglied so beglückt, dass sie sich gar nicht zu lassen wüssten. Just dann hätten wir gerne gehört, unter welchem Licht unser Barrikaden-Ernstl den Vorfall dann beleuchtet wissen wollte. Rot Front und immer schön geradlinig bleiben, Klausemann!

19. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
21.02.2011