Dunkle Wolken über dem
Reiche Rübezahls
Schlesier träumen von Autonomie
Prinzessin Aleksandra gewidmet
David Katz
Schlesien gehört unbestritten zu den bezaubernden Provinzen, die
sich Polen und Deutsche durch die Jahrhunderte teilten.
Nach dem letzten Kriege, der durch einen initiierten und verräterischen
Überfall der SS in polnischen Uniformen auf den deutschen Sender
Gleiwitz just in Schlesien ausgelöst worden war, wurde das große
und reiche Land bis auf einen kleinen Zipfel westlich der Neiße
den Polen zugesprochen. Gemessen an dem, was die Polen durch Deutschland
erleiden mussten und was Stalin ihnen mit dem Einverständnis der
Alliierten in Galizien gestohlen hatte, nahm sich dieser Zugewinn recht
bescheiden aus. Wie dem auch sei – der Hass auf die ehemaligen
Nachbarn war groß, an die Russen war kein Rankommen, aber die
Deutschen mussten raus aus Schlesien. Wenn auch in den nachfolgenden
Jahren viel von sozialistischen Brudernationen schwadroniert wurde –
die Polen ließen sich von ihren Ressentiments auf die Deutschen
auch nicht per Ordre de Mufti aus Moskau abbringen. Wenn Herr Becker
und Frau Kirchner in Oppeln, Breslau oder Hindenburg bleiben wollten,
dann hießen sie fortan Pan Piekarski und Pani Kosiola, führten
einen polnischen Paß in der Tasche und die polnische Sprache im
Munde – sonst war Polen aber offen! Und zwar für Beckers
und Kirchners in Richtung Westen!
Nach dem Zusammenbruch des osteuropäischen Kommunismus wurden auch
in Polen demokratische Traditionen wiederbelebt. Eines der Kernländer
des alten Europa fand zurück zu den Werten seiner Zivilisation.
Die dritte Nachkriegsgeneration begann sich dem deutschen Nachbarn wieder
anzunähern. Alte Bande wurden neu geknüpft – das Herz
des Märkers, des Preußen, der sein Land über drei Staaten
hinweg verteilt weiß, erwärmte sich im Angesicht dieser Entwicklung.
Den alten Revanchisten, den ewig Gestrigen wurde das Wasser abgegraben,
Brücken der Verständigung gebaut und die deutsch-polnische
Aussöhnung nahm viel schneller viel deutlichere Konturen an, als
dies bezüglich der Reparatur unseres Verhältnisses zu unseren
westfränkischen und gallischen Vettern je möglich gewesen
wäre.
Doch nicht nur wir witterten Morgenluft – auch die in Polen verbliebene
deutsche Minderheit, mit einer Stimme im Sejm vertreten, meldet sich
nunmehr verstärkt zu Wort.
Man lehrt wieder die deutsche Sprache – gut. Man pflegt das deutsche
Erbe – gut. Man weist die ersten Ortschaften zweisprachig aus
– solange das am linken Oderufer im gleichen Maße passiert
– gut. Man pocht auf die deutsche Herkunft – gar nicht gut!
Leute, macht doch keinen Blödsinn. Habt ihr denn aus der Vergangenheit
nichts gelernt? Als eure Vorväter und -mütter mit denen Polen
Haustür an Haustür lebten, da galt solch ein Theater wenig.
Man war deutsch zuhause und auf dem Markt war man Schlesier. Dafür
bedurfte man auch keiner schlesischen Autonomie, wie sie in einigen
Wirrköpfen zu gären beginnt. Laßt den heillosen Quatsch
sein! Wir sind in Europa – einem vereinigten Kontinent der Regionen.
Wir brauchen keine Lega Nord, die Sizilien verrecken läßt.
Wir brauchen keine bombenden Basken, kein ETA-Terroristen, keine Ulster-Separatisten.
Und wir brauchen kein autonomes Schlesien. Schlesien ist ein integraler
Bestandteil Polens und Europas – und dabei soll es bleiben. Alles
andere führt unweigerlich wieder zu Konflikten, deren Augenzeuge
wir in Europa letztmalig in den 1990er Jahren wurden, als Jugoslawien
auseinanderbrach: Sladko, der Serbe, erschoß Janko den Kroaten
und Hassan den Moslem und vergewaltigte deren Frauen – mit allen
gemeinsam hatte er noch 1970 im Sandkasten eines einzigen Kindergartens
gespielt, war mit ihnen ins Ferienlager an die Adria gefahren und in
derselben Straße aufgewachsen.
Wollen wir so etwas wirklich noch einmal hier mitten in Europa haben?
Wollen wir erneute idiotische Konflikte auf ethnischer Grundlage unter
Bemühung der alten, bescheuerten Klischees – hie die „deutschen
Hunde und Faschisten“, dort die „polackischen Diebe und
Faulpelze“, nur weil einige Schwachköpfe wieder zu laut ihre
Andersartigkeit betonen und damit den Nachbarn provozieren, mit dem
sie bis gestern noch freundschaftlich verkehrten?
Nein, das wollen wir nicht! Rübezahl, blas ihnen die Köpfe
durch, dass Platz für ein wenig Verstand werde!
Zu oft haben wir die Erfahrung gemacht, dass man zwei Totenschädeln
nebeneinander nicht ansieht, wer von beiden zu Lebzeiten einst welche
Sprache gebrauchte. Wir sind dieses nationalen Unfugs überdrüssig
– übrigens – uns multinationalen Preußen hängt
dieser ganze Schwachsinn schon seit Jahrhunderten zum Halse heraus!
Was uns Preußen Schlesien angeht? Wir haben einst in drei langen
Kriegen furchtbar um diese Provinz gerungen, haben sie den Habsburgern
abgetrotzt, ob de jure zu Recht oder zu Unrecht sei an dieser Stelle
dahingestellt. Viel preußisches Blut versickerte vor Breslau,
Oels und Leuthen in schlesischem Boden. Wofür? Wie hat die Geschichte
dieses Opfer an Blut und Tränen bewertet? Heute wird in Breslau,
Hirschberg, Grünberg und Kattowitz polnisch gesprochen. War das
die Intention unseres Großen Friedrich, als er die preußischen
Regimenter in Rübezahls Reich führte? Sicher nicht.
Was lernen wir daraus, wenn wir denn fähig sind, überhaupt
noch etwas zu lernen: Dass der nationalistische Rummel regelmäßig
ein Übermaß an Leid verursacht – und am Ende nicht
einmal die Spesen deckt.
Wir Preußen beschwören euch deutsche Schlesier: Verhaltet
euch klug! Ehrt und achtet die Polen, sie sind seit 1945 die rechtmäßigen
Herren des Landes. Sie sind unsere Nachbarn und Brüder! Laßt
die Gespenster der Vergangenheit in ihren versiegelten Grüften
und rührt nicht an das Grauen gewaltbeladener Tage! Mit dem Blut
von achtzig Millionen Toten aus zwei Weltkriegen haben wir unser heutiges
Europa bezahlt – das war kein Geschenk! Bewahrt dieses Europa
und gefährdet es nicht um chimärenhafter Phantastereien willen.
Wozu denn? Die Polen leben und lassen leben, sie schurigeln euch nicht
mehr. Sucht euch in Warschau vernünftige Leute und reicht ihnen
die Hand! Es gibt genug von ihnen. Laßt gemeinsam mit Warschau
und Berlin die Scharfmacher auf beiden Seiten abtropfen und bleibt,
was ihr immer wart: Das slawisch-deutsche Herz Europas, das wunderschöne
Reich Rübezahls, der übrigens ja auch polnisch, böhmisch
und deutsch spricht – so wie ihr. Schaut zu ihm – und dann
nach Warschau und erst ganz zuletzt nach Berlin! Laßt uns den
Frieden in der Mitte Europas!