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Benzin und Butter Don M. Barbagrigia "Wer die Butter hat, wird frech", sagte einst unser Übervater Kurt Tucholsky. Eine seiner vielen prophetischen Sentenzen... Sie haben zwar nicht die Butter, sondern das knapper werdende Öl - frech aber werden sie trotzdem - die Mineralölkonzerne. Ihr neuester Streich, den sie ausheckten, ging ökonomisch völlig daneben. E10 - ein Kraftstoff, der unter 10%iger Beimischung von Komponenten produziert wird, die dem Anbau von Ölpflanzen entstammen, floppte auf dem deutschen Markt erbärmlich. Kein Aas will dieses Zeug in seinem Tank haben, einige Dienststellen der Polizei verbieten den Streifenwagenfahrern ihrer Flotte E10 auch nur in Erwägung zu ziehen. Was ging hier daneben? War man sich des ökologischen Wandlungsbedürfnisses der Bevölkerung so sicher, dass man glaubte auf eine Marktforschung verzichten zu können, wie sie vor der Einführung eines neuen Produktes durchaus üblich ist? Meinte man, das neue Benzin per Ordre de Mufti mit dem Segen der Bundesregierung verhökern zu können? Wurden die Sieben Schwestern von ihrem eigenen Größenwahn überrollt? Sie, die längst in einer Liga zu spielen glauben, die sich dem Zugriff alles Irdischen längst entzogen wähnt: Amoco Cadiz... na und! Brent Spar... was soll's? Deep Water Horizon - scheiß drauf! Alaskas Küsten verseucht, Kanadas Ölsandfelder giftige Mondlandschaften, brennende Wüsten im Golfkrieg... wen juckt's? Uns nicht. Wir sagen an, wo es lang geht, denn wir haben das, was die anderen wollen, was sie brauchen, wovon sie abhängig sind. "Wer die Butter hat, wird frech!" Nun aber geschah das Unerwartete: Eine der mächtigsten Automobilisten-Nationen der Welt schlägt zurück, sagt HALT! STOP! So nicht mit uns! Nicht etwa, weil sie den Konzernen zeigen wollen, wo der Hammer hängt, weil sie ihnen die Zähne ziehen, die Krallen stutzen wollen... Ne, nee! Gott bewahre! Die Gründe sind viel banalerer Natur: Die deutschen Zipfelmützen haben Angst um ihre Schlitten. Sie haben Angst, der neue Kraftstoff könnte ihre Motoren hinhunzen, Gummileitungen verkleben, teure Reparaturen erforderlich machen. Das kannste mit dem deutschen Autofahrer nicht machen! Das geht nicht. Schwatz ihm Optionen der Lehman-Brothers auf, windige Future-Bonds oder ein Luftschloss auf Mallorca - das und die damit in so vielen Fällen unvermeidlichen Verluste akzeptiert er beinahe klaglos. Verkauf ihm Heizdecken für 2.000 Euro das Stück und Vitaminpräparate zum selben Preis - geschenkt! Aber geh ihm an sein Automobil - dann brennt die Luft! Dann setzt es Revolution, Verweigerung, Kampf bis aufs Messer. Diesen Kampf haben die Ölkartelle nun aufgenommen. Sie drohen mit Szenen, wie sie Deutschland seit 1973 nicht mehr erlebt hat: Gähnend leere Autobahnen, verlassene Landstraßen, Fahrradfahrer allerwegen. Diesmal sind es nicht die Scheichs, welche den Ölhahn zudrehen - dieses Mal sind es die Konzerne selbst. Sie wollen den Michel zwingen, den ungeliebten Plunder abzukaufen. Betanke deinen fahrbaren Untersatz mit E10 - oder geh zu Fuß! Von uns gibt es keinen Liter, bis die E10-Tanks leer sind! Nein, das sagen sie natürlich nicht... Es liegt nur auf der Hand. Denn wohin mit der Brühe? Nicht nur, dass sie keinen Cent daran verdienten, sie müssten das Zeug wieder unter Milliardenaufwendungen abpumpen und entsorgen. Das geht zu weit! Das würde sie eventuell noch teurer kommen als das BP-Desaster im Golf von Mexiko. Deshalb nun die Flucht nach vorne. Spritverknappung über die Osterfeiertage - die Konzerne zeigen dem deutschen Verbraucher die Gelbe Karte. Der nächste logische Schritt wird wohl darin bestehen, das deutsche Volk über seine Bundesregierung auf eine Milliarden-Entschädigung zu verklagen - wegen entgangenen Gewinns. So viel Chuzpe trauen Sie den Ölbaronen nicht zu? Na, warten Sie mal ab! Die Bundesregierung hat's protegiert. Die Bundesregierung hat das E10-Projekt gefördert - also steht sie in der Verantwortung. Und aus welchem Topf werden solcherlei Verantwortlichkeiten bedient? Na? Hä? Aus dem Steuertopf selbstredend! Oder glauben Sie an den Weihnachtsmann? Für die Mineralölkonzerne dürfte diese Logik schlüssig klingen. Was die Benzinverknappung und die possen-, nichtsdestotrotz aber orakelhafte Anhebung des Spritpreises auf € 9,99 pro Liter an einer westdeutschen Tankstelle angeht, so sollte sich Michel aufgerufen fühlen, den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. Man kann sie in die Knie zwingen! Der millionenfache Boykott in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland von Benzinabkäufen führt zu einem wirtschaftlichen Einbruch - keine Frage. Aber er führt auch zu einer verstärkten Umorientierung auf erneuerbare und damit zukunftsfähige Energien - eine Entwicklung, die von den Mineralölkonzernen bis dato im Eigeninteresse immer erfolgreich hintertrieben wurde. Er führt dazu, den Managern, die trotz abgesoffener Deep Water Horizon einen lustigen Segelturn machen, zu zeigen, wo ihre Grenzen sind. "Wer die Butter hat, wird frech!" Wer aber das Geld hat, kann in letzter Konsequenz bestimmen, wie dämlich er sich kommen lassen muss. Das sollte sich der deutsche Michel durch den Kopf gehen und sich nicht weiter erpressen lassen. |
19.
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B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009 .03.2011 |