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Der Zoll pflegt Traditionen aus der Paria-Zeit
Zollbeamte jagen säumige Versicherungsschuldner


B. St. Fjøllfross
Na, das ist doch mal was! Wie die Tagesschau berichtete, soll sich jetzt der Zoll für die Krankenkassen auf Bütteltour begeben, wenn es gilt säumigen Zahlern geforderter Zusatzbeiträge an den Kragen zu gehen. Nun gehört der Zoll wie auch die Polizei zur Exekutive, die nicht nur die staatliche Ordnung im Innern sicherstellen muss, sondern auch begründete und gesetzlich gedeckte Interessen von Bürgern und Unternehmen durchsetzen hilft. Alles andere würde nur ungewollter Selbstjustiz förderlich sein. Soweit so gut.


Ist es gut? Immerhin drangsaliert der Zoll nun Bürger, die sich weigern, über ihren gewöhnlichen Pflichtversicherungssoll einen Zusatzbeitrag an Kassen wie die DAK zu bezahlen, die offensichtlich nicht in der Lage ist, mit den vertraglich vereinbarten Versicherungsbeiträgen auskommend zu wirtschaften. Für die Pleitiers, die wohl in Schieflage geraten, weil sie sich selbst hohe Gehälter genehmigen, Paläste bauen, ineffektive Verwaltungen unterhalten und auch sonst nicht recht zu kalkulieren verstehen, scheinen ihre Versicherten eine Art Goldesel zu sein, die man nur am Schwanz ziehen muss um an die begehrten Taler zu kommen. Und der Zoll soll die störrischen Grautiere im Nackte-Affen-Kostüm festhalten, damit sie nicht auf die Idee kommen auszuschlagen. Es wird behauptet, das Verhalten der in finanzielle Schieflage geratenen Krankenkassen sei gesetzlich gedeckt. Dann muss man allerdings die Legalität der Gesetze hinterfragen, die solches Räubertum – nicht anderes ist es – ermöglichen.


Wenn sich aber nun der Zoll schon für die fraglichen Forderungen großer Unternehmen vor den Karren spannen läßt, dann erfordert es doch die Gerechtigkeit, dass er seine Dienste auch Kleinunternehmern anbietet, die beispielsweise ihren Rechnungen hinterherlaufen, die vom Staatskonzern Deutsche Bahn bis über jede anständige Terminierung hinaus verschleppt wurde. Oder er sollte Rathäuser zu stürmen beginnen, wie weiland der selige Hauptmann von Köpenick und Stadtkassen konfiszieren, wenn die Kämmerer ihre privaten Auftragnehmer im Regen stehen ließen oder Wohngeldzahlungen an die Ärmsten der Armen über ein Dreivierteljahr verschleppt werden.


Kleingläubiger wie Arbeitnehmer, die von ihren verbrecherischen Ausbeutern bereits ein volles Vierteljahr um den Lohn betrogen wurden, rennen verzweifelt von einem Anwalt zum nächsten Gerichtstermin um nach einer Odyssee durch die neblige Welt der deutschen Justiz endlich jammernd den zuständigen Gerichtsvollzieher zu beknien, weil dieser vom nunmehr dritten Termin beim Schuldner mit leeren Händen zurückgekommen ist. "Der hatte nichts, können sie mir glauben..." War er das nicht, der säumige, verurteilte Chef, der da eben in dem Firmen-Benz vorbeigeschossen ist? "...na ja, den kann man ihm ja nicht unter dem Hintern wegpfänden, mit irgend etwas muss der Mann ja vom Fleck kommen..."
Also warten wir auf den Werbespot des Zoll: "...was, Sie haben Probleme mit einem unerklärlich tranigen Gerichtsvollzieher mit einem großen Herzen für Schuldner aus dem Arbeitgebermilieu? Kommen Sie zu uns! Wir knöpfen uns Ihren Schuldner vor! Ihr Zoll!"


Was für eine Vision! Leider völlig utopisch. Vor dem Grundgesetz sind alle Menschen gleich. Aber – wir wissen es seit Orwell – manche sind eben gleicher. Während Sie Ihren paar Kröten hinterher hecheln, nervenaufreibende Monate und Jahre durchleben um am Ende zu erfahren, dass Ihr Schuldner nicht leistungsfähig ist – Sie zum Troste aber einen Titel in den Händen halten, der Ihnen dreißig Jahre erhalten bleibt, während Sie also den deutschen Zoll bestenfalls am Flughafen kennenlernen, wenn Sie mal wieder eine Muschelschale von der Adria im Gepäck haben, während Sie also von Gott und der Welt verlassen sind, hat der Zoll alle Hände voll zu tun, säumige Krankenkassenkunden zu hetzen, die nicht einsehen wollen, dass ihre Versicherer die Beiträge nach Gutsherrenart erhöhen.


Sie denken, das sei eine schlimme Nachricht? Nicht für jeden! Die Diebe und Schmuggler, welche die Zigarettenstangen und Drogen nach Deutschland importieren und im Gegenzug gestohlene deutsche Karossen der Oberklasse in den europäischen Osten exportieren, wird es sicher freuen, den ständig störenden Zoll auf einem Ersatzkriegsschauplatz beschäftigt zu wissen.


Doch sollte uns Deutschen nicht so sehr das Glück ausländischer Krimineller am Herzen liegen, sondern mehr das des gebeutelten Einzelkämpfers mit deutschem Paß. Also regen wir an, die Artikel 35, 87 und 91 des Grundgesetzes dahingehend zu ändern, dass die Schwelle der Bundeswehr für Inneneinsätze deutlich abgesenkt wird. Sie soll inskünftig mehr dürfen, als nur im Katastrophenfall Deiche zu stopfen oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen, wenn die Wehrsportgruppe Hoffmann mal wieder eine Staatskanzlei im Handstreich übernommen hat. Wenn also der Zoll sich nur um große Versicherungsunternehmen kümmern kann, denen das finanzielle Aus droht, weil die säumigen Sonderbeitragszahler bockig sind, dann kann der kleine Prolet bei der nächsten Kaserne anrufen und einen Panzer ordern, der seinem Ausbeuter eine Hohlladungsgranate ins Komtoir brezelt – eine erste, ernste Warnung: Zahle die ausstehenden Gehälter jetzt, oder du machst Bekanntschaft mit dem nächstgelegenen Jagdgeschwader der Luftwaffe!


Nein, weder Marine, Luftwaffe noch Heer werden den einfachen Leuten zur Hilfe kommen. Sie haben deren undefinierbare Interessen am Hindukusch zu verteidigen. Und der Zoll? Der dient also, wie wir nun sehen, denen, die schon von Hause aus genug Macht haben, ihre Ansprüche zunächst zu legitimieren und dann erbarmungslos durchzusetzen. Er dient denen, die eigene Rechtsabteilungen unterhalten, statt denen, von deren Steuern er existiert. Das ist die Ironie der an der Geschichte. Aber es schärft uns auch den Blick für Dinge, die vergessen schienen. Zoll und Polizei haben nämlich gemeinsame Vorfahren, an die sie nicht gerne erinnert werden: es sind die Büttel des Mittelalters, die, denen kein ehrlicher Mensch die Hand geben wollte. Warum nur?

19. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
31.05.2011