Guido geht von Bord
Westerwelle gibt F.D.P.- Parteivorsitz und
Vizekanzlerposten ab
S. M. Druckepennig
„Der Lotse geht von Bord“ heißt eine weltberühmte
Karikatur von Sir John Tenniel aus dem Jahre 1880. Sie zeigt Bismarck,
der vom Fallreep des Dampfers Deutschland herabsteigt. Etwas verträumt
sieht ihm der junge Kaiser hinterher, dessen Wunsch, den Eisernen Kanzler
zu entlassen Bismarck mit seinem Rücktritt knapp zuvorgekommen
war. Ach, die Marine gibt doch so viele saft- und kraftvolle Bilder
des Vergleiches he: „Bei jedem Schiff, das dampft und segelt,
gibt’s einen, der die Sache regelt. Und das bin ich!“ Das
kam einst von Guido Westerwelle. Gut gebrüllt, Löwe! Bei Onkel
Ludwig dem Vierzehnten aus Frankreich hieß das noch „L’Etat
c’est moi!“
Aber nu is er wech, der Guido. Hingeschmissen hat er. Den Parteivorsitz
der Liberalen und den Vizekanzler-Sessel – als nächstes wird
wohl der Außenministerposten wackeln.
Man nimmt ihm persönlich übel, dass die Liberalen anläßlich
der jüngsten Wahlergebnisse im Keller der Bedeutungslosigkeit verschwanden.
Zu viel macht sich an seiner Person fest.
Zu tief sitzt die Enttäuschung über den Stimmenenthalt im
UN-Sicherheitsrat in der Libyenfrage. Grinse-Guido – der noch
vor wenigen Tagen kategorisch forderte, dass der verrückte Gaddafi
abtreten müsse und erledigt sei, stand nach dem Desaster in Baden-Württemberg
nun selbst im Fadenkreuz der Kritik. Der Schlachtkreuzer „Westerwelle“
war manövrierunfähig geschossen und sank seither dampfend
unter vollen Segeln dem Abgrund entgegen. Er tat es, ohne einen zumindest
in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren Schuß abgefeuert zu haben.
Das sah so aus, als klebe er nicht so sehr an seinen Posten wie der
von ihm so milde behandelte Wüsten-Irre aus Tripolis. Gott sei
Dank kennt Deutschland moderate Formen des Machtwechsels. Aber –
Guido – Deinen Schneid haben sie Dir nicht abgekauft, das zumindest
muss man Dir lassen. Wir geben auch unserer Freude darüber Ausdruck,
dass Guido Westerwelle im Gegensatz zu seinem unglückseligen Parteifreund
Möllemann nur sinnbildlich gesprochen ins Bodenlose stürzte.
Der Aufprall wird etwas weicher sein, als bei dem verhinderten Rechtspopulisten,
Pädagogen und Verkünder des sozialen Abbaus in Nordrhein-Westfalen.
Auch eine Anwaltskanzlei nährt ihren Mann, vor allem, wenn man
über solche Beziehungen verfügt, wie der Noch-Minister des
Auswärtigen. Auf internationalem Parkett hingegen scheinen sie
nicht ausgereicht zu haben.
Die Frage ist aber, reicht das „Damenopfer“ aus, um der
F.D.P., die in Deutschland noch nie einen festen Stand hatte, die verlorengegangen
Vertrauenspunkte zurückzuerobern? Reicht es aus, dass der 32jährige
Generalsekretär Lindner nach Fukushima rasch in vorauseilendem
Gehorsam dem Wähler gegenüber den Willen zum Atomausstieg
verkündete? „Wir sind liberal, aber nicht blöd, “
donnerte Westerwelle einst in das Mikrofon. „Wir sind das Volk
und deswegen auch nicht unbedingt ganz blöde, “ antwortete
der Souverän an den Wahlurnen. Wehmütig erinnert man sich
Walter Scheels und Hans-Dietrich Genschers. Ach ja... es war einmal.
Und wir klappen die Akte F.D.P. zu. Mögen die Gelben in Frieden
ruhen.